Der unbekannte Chef

Wie spreche ich denn mit dem da oben...

, , mehr...

Buchhalter: Buchhalter
Laborant: Laborant

Laborant sitzt in der Kantine am Tisch und liest Zeitung, Buchhalter setzt sich dazu und holt sein Handy heraus

Buchhalter (zum Laborant gewandt) Ah, sie lesen noch Zeitung?

Laborant Ja, irgendwie mag ich das Haptische, das Gefühl des Papiers. (nach einem kurzen Augenblick) Ich kenne Sie noch gar nicht. Mein Name ist Schwalbach, ich bin Laborant und arbeite äh im Labor.

Buchhalter Angenehm. Mein Name ist Bäumer, ich bin Buchhalter und äh halte Bücher. (ganz kurzes Lachen)

Laborant Angenehm. (beide lesen weiter) Hier ist ein Artikel über unsere Firma, zum 40-jährigen Jubiläum. (liest) „Gegründet von Jürgen Triebelmann hat die Triebelmann GmbH in den vergangenen 40 Jahren durch Höhen und Tiefen es immer wieder geschafft, bei technischen Umbrüchen am Ball zu bleiben.“

Buchhalter (verächtlich) Der Satz hätte auch von unsere Pressestelle stammen können. (zögert kurz) Sagen Sie mal, haben sie den alten Triebelmann schon einmal in echt gesehen?

Laborant (überlegt) Nicht das ich wüsste. Ich bin aber auch erst seit vier Jahren in der Firma. Hier neben dem Artikel ist ein sehr unscharfes altes Bild von ihm. (hält ihm die Zeitung hin)

Buchhalter Da erkannt man ja gar nichts. Ich bin jetzt schon acht Jahre in der Firma, aber ich habe ihn, glaube ich, auch noch nie gesehen, auch nicht auf einer Betriebsfeier. Den Sohn, den Juniorchef, habe ich schon öfters gesehen.

Laborant Ob der alte überhaupt noch lebt?

Buchhalter Ich guck mal bei Wikipedia (tippt auf seinem Handy herum) Doch, der ist jetzt 67 Jahre alt und ein Todesdatum steht hier nicht. Und außerdem, (tippt weiter auf dem Handy herum und hält ihm das Handy hin) in der Signatur, die an jede Firmen-Mail angehängt wird, steht unten auch immer noch „Geschäftsführung: Jürgen Triebelmann“. Also lebt er wohl noch.

Laborant Das heißt nichts. In der Signatur stand einmal wochenlang die falsche Hausnummer, bis uns ein Vertreter darauf hingewiesen hat. Das habe ich von der Dame an der Pforte. (überlegt) Sonst rufen Sie ihn doch einfach einmal mit Ihrem Handy an.

Buchhalter Warum sollte ich das tun? Außerdem weiß ich die Nummer doch gar nicht.

Laborant (zögerlich) Ich wüsste schon, warum. Ich habe die letzten zwei Jahre keine Gehaltserhöhung bekommen, angeblich wegen fehlendem Budget. Es hätte nichts mit meiner Arbeitsleistung zu tun, sagt mein Gruppenleiter.

Buchhalter Und was sagen Sie, wenn sie den alten Triebelmann wirklich ans Ohr bekommen? Hey Boss, ich brauch mehr Geld?

Laborant Ja, äh, keine Ahnung. Und ich habe ja auch die Nummer nicht.

Buchhalter (überlegt) Aber wir kennen die E-Mail-Adresse. Jeder Mitarbeiter hat eine E-Mail-Adresse im Format Vorname Punkt Nachname at triebelmann.com Also schreiben Sie doch einfach an juergen.triebelmann@triebelmann.com

Laborant Das, das kann ich doch nicht einfach so machen. Was könnte dann passieren?

Buchhalter Keine Ahnung. Warum probieren sie das nicht einfach aus?

Laborant Nachher werde ich dafür gefeuert. Wir wissen ja gar nichts über den alten Triebelmann. Vielleicht ist das ein ganz fieser Typ, wie.. wie der böse Scrooge aus Geist der Weihnacht.

Buchhalter Vielleicht freut er sich aber gerade dann über so eine Mail, (theatralisch) einfach weil ihm sonst niemand schreiben will.

Laborant Niemand freut sich, wenn jemand mehr Geld von ihm haben will.

Buchhalter Wir wissen eigentlich nichts über ihn. (überlegt) Man könnte ihn auch wegen der Niederlassung in der Elisenstraße anmailen. Das wissen Sie jetzt nicht von mir, aber ich habe durch Zufall mitbekommen, dass diese Niederlassung zugemacht werden soll und die meisten der Kollegen werden wohl entlassen werden.

Laborant Aber da kann der alte Triebelmann doch auch nichts machen...

Buchhalter Wenn nicht er, wer dann? Ich riskier es jetzt (tippt auf dem Handy) „Sehr geehrter Herr Triebelmann, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie so direkt anschreibe. Ich habe durch Zufall mitbekommen, dass die Elisenstraße dichtgemacht werden soll und ich möchte Sie bitten, für die dort zum Teil langjährig arbeitenden Kollegen eine Möglichkeit in der Hauptstelle oder einer anderen Niederlassung zu schaffen. Mit freundlichen Grüßen Henry Bäumer“ (zögert kurz und tippt dann auf „Senden“) So, jetzt ist sie weg.

Laborant Hut ab vor Ihrem Mut. (sie lesen ein paar Sekunden weiter)

Buchhalter Oh (starrt aufs Handy) , ich habe eine Einladung von Herrn Triebelmann zu einem Meeting bekommen: Thema: „Zukunft der Niederlassung ‚Elisenstraße‘“