Das vermessene Ich

Was man so alles an sich vermessen kann...

, , Bild zum Sketch, als Einstieg dafür, mehr...

Mann: Mann
Frau: Frau

Mann sitzt, trägt eine Smartwatch und liest Zeitung, Frau steht und malt an einer Staffelei. Das Bild muss vom Publikum abgewandt sein.

Mann (schaut zur Frau) Sag' mal, was malst Du denn da?

Frau Dich!

Mann Mich?

Frau Ja! (malt weiter und guckt unentschlossen, wiegt leicht den Kopf) Halt mal still!

Mann Was?

Frau Ich komme mit Deiner Nase nicht klar.

Mann Wie bitte? (fasst sich an die Nase) Die habe ich aber schon lange.

Frau (kommt zum Mann hin und begutachtet die Nase) Ja aber die Größe und die Form (besieht sie von allen Seiten) Mir ist noch nie aufgefallen, dass deine Nasenspitze tiefer als deine Nasenflügel ist. (Mann macht Grimassen mit seiner Nase) Halt mal still (hält den Pinselstiel an die Nase und greift die Länge ab und geht wieder zurück)

Mann Entsprechen die Maße meiner Nase noch Deinem Wohlgefallen?

Frau (guckt überrascht) Es ist nicht gerade der goldene Schnitt, aber sie sieht noch ganz passabel aus. Und außerdem, seit wann stört es dich, vermessen zu werden? Du wiegst dich regelmäßig, kennst Deine Schrittweite und erzählst mir jeden Abend, wieviele Schritte du zurückgelegt hast und wieviel Kilometer das sind.

Mann (guckt auf seine Smartwatch) Aber das ist doch etwas ganz anderes.

Frau Wieso ist das etwas anderes?

Mann Das ist für meine Gesundheit, ich beweg mich dadurch mehr.

Frau Tatsächlich? Man sieht aber nichts.

Mann Eigentor, Eigentor!

Frau (wirft mit einem Lappen nach dem Mann) Blödmann.

Mann 'Tschuldigung! Aber ganz unrecht hast Du nicht. Vielleicht mache ich da einfach zu wenig. Z.B. (nimmt ein Tablet) auf der Seite „selbstoptimierung.com“ ist beschrieben, dass man mit so einem Trainingsarmband noch viel mehr messen kann. Das wäre dann z.B. die Pulsfrequenz, Blutdruck, wie gut der Schlaf war und man kann zusätzlich auch Dinge wie die Kalorien erfassen, man kann nahezu alles erfassen, sogar ob man sich gestresst fühlt.

Frau Was soll das denn bringen? Wenn ich gestresst bin, dann merkst du das schon.

Mann Na ja, es geht ja eher darum, dass man die Daten sammelt, um Entwicklungen und Tendenzen sehen zu können. Man nennt das auch „Quantified Self“.

Frau „Quantified Self“? Ist das Englisch für „Nabelschau“? Und wo werden die Daten dieser Nabelschau gesammelt?

Mann Da gibt es verschiedene Portale: Google, TicTrac, Jawbone, usw. Dahin kann man dann die Daten seines Trainingsarmbands hochladen und bekommt Auswertungen und Grafiken. Es gibt sogar Wettbewerbe auf diesen Portalen.

Frau Wettbewerbe? Wer den höchsten Blutdruck hat?

Mann Nein....

Frau Wer die beste Verdauung hat? Vielleicht gibt es ja schon Scanner für's Klo, damit man das noch exakter messen kann.

Mann Sehr komisch! Es geht da eher um simple Dinge, wieviel Kilometer man pro Tag gelaufen ist und so etwas. Aber ich glaube, das ist nichts für mich. Man weiß ja auch nicht, wo diese Daten dann landen.

Frau Ach? Und das hat nichts damit zu tun, dass Du bei solchen Wettbewerben nichts reißen kannst?

Mann Lass mich doch in Ruhe! (versucht abzulenken) Ist das Bild fertig? Wie exakt hast Du mich denn getroffen?

Frau Tata! (dreht das Bild und eine Person im Picasso-Stil ist dort drauf)