Zwischen Aufregung und Wutbürger... der Zorn im Alltag

Zorn? Macht das Sinn? Irgendwie scheint die ganze Gesellschaft zorniger geworden zu sein. Wie geht damit um?

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Einleitung

Ich möchte mit Euch heute mal ein bisschen über das Thema Zorn und Wut nachdenken. Ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass die Durchschnittstemperatur in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren zugenommen hat.

Man empört sich, man ist viel schneller angepisst und man zeigt es auch. So fühlt sich das für mich an und irgendwann landen solche Entwicklungen auch in der Gemeinde und wir müssen damit umgehen.

Ihr kennt sicherlich den Begriff Wutbürger, den gab es vor zwanzig Jahren noch nicht. Der ist zum ersten Mal im Jahr 2010 aufgetaucht, einerseits im Zusammenhang mit Stuttgart 21 und andererseits mit empörten Reaktionen auf Sarrazin-Kritiker, also nicht auf Sarrazin selbst, sondern auf Kritiker von ihm. „Wutbürger“ ist sogar das Unwort des Jahres 2010 geworden.

Das mit Sarrazin habe ich damals gar nicht mitbekommen, aber den Begriff „Wutbürger“ im Zusammenhang mit dem Bahnhof in Stuttgart schon. Und für mich war der Begriff zuerst positiv, denn endlich haben auch einmal normale Bürger gegen etwas demonstriert. „Wutbürger“ war für mich eine ähnliche Beschimpfung wie langhaariger Gammler für Öko-Demonstranten.

Man kann über Stuttgart 21 denken, wie man will, aber 2008 wurden die Gesamtkosten auf 2,8 Mrd geschätzt und 2019 warnte der Bundesrechnungshof, dass 8,2 Mrd wahrscheinlich nicht reichen werden.

Aber bleiben wir bei den Wutbürgern. Mein positives Bild von diesem Wort verschwand mit der Zeit, weil es immer mehr Demonstrationen gab, wo Wut und Aggression einfach so herüberkam. Und irgendwie ging dabei auch die Gesprächsbasis verloren, z.B. bei Pegida oder auch bei den aktuellen Corona-Demos.

In meiner Jugend in den 80ern war ja die Zeit der Friedensdemos und mir kamen diese Demos immer ziemlich einseitig vor, aber man konnte immer mit diesem Leuten reden. Es wurde diskutiert, auch wenn man die Meinung des anderen falsch fand. Auch die Presse wurde damals als notwendiger Teil dieses Gesprächsprozesses akzeptiert.

Heute wird in vielen Fällen nicht mehr geredet, man will nicht mehr reflektieren und es ist häufig nur noch Wut da. So kommt es mir vor.

Und in den sozialen Netzwerken und im sonstigen Internet ist auch oft so. Empörung und Aufregung bringt Klicks. Mir geht das auf die Nerven. Wenn ich irgendwo Überschriften mit mehr als einem Ausrufezeichen sehe, dann lese ich den Artikel prinzipiell nicht.

Aber die Menschen scheinen sich prinzipiell heute mehr aufzuregen als früher. Vielleicht hat man dann das Gefühl, dass man lebt, so eine Art psychologisches Ritzen oder so, keine Ahnung.

Aber genug eingeleitet, schauen wir in die Bibel. Ich habe mal die ganze Bibel grob nach Texten zum Thema „Zorn“ durchgescannt und das mal so ein bisschen geordnet.

Gottes Zorn

Am häufigsten ist in der Bibel von Gottes Zorn die Rede, aber darum soll es heute nicht gehen, sondern nur ein Hinweis dazu, dass es lange dauert, bis Gott zornig wird: (Nehemia 9, 17b; NL)

Du bist ein Gott, der vergibt, gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und voll beständiger Liebe.

Vielleicht behalten wir das einmal im Hinterkopf, wenn wir über menschlichen Zorn nachdenken.

Menschlicher Zorn

Zorn kann auch übrigens auch positives bewirken.

Zorn als Antrieb

Es gibt eine interessante Geschichte aus der Frühzeit des König Sauls in 1. Samuel 11. Die beginnt so (V.1-3):

1 König Nahasch von Ammon führte sein Heer gegen Jabesch in der Gegend von Gilead. Die Einwohner von Jabesch sagten zu ihm: »Schließ ein Bündnis mit uns und wir werden deine Knechte sein.« 2 »Gut«, sagte der Ammoniter Nahasch, »ich werde mich mit euch verbünden, aber nur unter einer Bedingung. Ich werde jedem Einzelnen von euch das rechte Auge ausstechen als Schande für ganz Israel!« 3 »Gib uns sieben Tage, um Boten in alle Gebiete Israels auszuschicken!«, antworteten die Ältesten von Jabesch. »Wenn keiner uns zur Hilfe kommt, nehmen wir deine Bedingung an.«

Die Stimmung in Jabesch war jetzt sicherlich nicht so gut (V.4-7)

4 Als die Boten nach Gibea, in die Heimatstadt Sauls, kamen und den Leuten dort von ihrer schwierigen Lage berichteten, brachen alle in Tränen aus. 5 Saul kam gerade mit seinen Rindern vom Feld heim und fragte: »Was ist los? Warum weinen alle?« Sie erzählten ihm, was die Boten aus Jabesch berichtet hatten. 6 Als Saul diese Worte hörte, kam der Geist Gottes über ihn und er wurde sehr zornig. 7 Er nahm zwei Rinder, schnitt sie in Stücke und befahl den Boten, sie mit folgender Botschaft durch ganz Israel zu tragen: »So wird es den Rindern eines jeden ergehen, der sich weigert, Saul und Samuel in die Schlacht zu folgen!« Da fiel der Schrecken des Herrn auf das Volk und sämtliche Männer strömten auf einmal herbei.

Man kann jetzt über die Vorgehensweise im Detail sicherlich streiten, aber der Geist Gottes kam über ihn, er wurde sehr zornig und er hat gehandelt. Der Text geht so weiter, dass die Ammoniter besiegt werden, weil Saul gezielt und überlegt handelt, mit seinem Zorn.

Es gibt ein interessantes Zitat von Papst Gregor dem Großen aus dem 6 Jhd (das habe ich von dem Kabarettisten Georg Schramm):

Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht.

Es geht nicht um blinde Wut, „denn die Wut ist die unbeherrschte Schwester des Zorns.“ Auch ein Zitat, ich weiß aber nicht, von wem.

Ein anderes Beispiel für produktiven Zorn ist Elihu (Hiob 32, 2), ein junger Mann, dessen Zorn ihn dazu bringt, Hiob sachlich zu widersprechen und zu argumentieren. Und er sagt gute Sachen und seine Reden werden im Gegensatz zu den anderen drei Freunden Hiobs nachher nicht von Gott verurteilt.

Jesu Zorn

Wir finden auch bei Jesus Christus Zorn. Die meisten denken hier vielleicht an die Tempelreinigung, aber dort wird Zorn gar nicht erwähnt, nur Eifer, aber kein Zorn.

Zwei Stellen habe ich gefunden, wo Jesus zornig und ... war. Zornig und erschüttert war er über die Hartherzigkeit der Priester, die nicht wollten, dass er am Sabbath im Tempel heilt (Markus 3, 5).

Und er war voll Zorn und auch voll Schmerz vor Lazarus' Grab, weil die Menschen ihm nicht geglaubt haben, dass Lazarus' wieder lebendig wird. Er hatte es angekündigt und sie haben ihm nicht geglaubt.

Und in beiden Fällen hat er danach gehandelt und geheilt bzw Lazarus sogar wieder auferweckt.

 
Aber leider ist menschlicher Zorn häufig nicht so produktiv und hat nicht selten eher negative Folgen.

Dummer Zorn

Unter dummen Zorn würde ich z.B. den Zorn einordnen, der durch verletzten Stolz entsteht.

Verletzter Stolz

Zwei Beispiele dazu aus der Bibel.

Es gab einmal einen mächtigen Heerführer mit Namen Naaman von dem Reich Aram, der hatte Aussatz (so etwas ähnliches wie Lepra). Und man hat ihm gesagt, dass er in Israel Hilfe finden könnte und über Umwege landete er dann beim Propheten Elisa (2. Könige 5, 9-12; NL):

9 Also zog Naaman mit seinen Pferden und Streitwagen zu Elisas Haus und wartete vor der Tür. 10 Elisa ließ ihm durch einen Diener ausrichten: »Geh und wasche dich sieben Mal im Jordan. Dann wird deine Haut wieder gesund und du wirst geheilt sein.« 11 Da ging Naaman ärgerlich fort. »Ich hatte angenommen, dass er persönlich zu mir kommt!«, sagte er. »Ich hatte erwartet, dass er die Hand über die aussätzige Haut ausstrecken, den Namen des Herrn, seines Gottes, anrufen und mich heilen würde! 12 Sind der Abana und der Parpar in Damaskus denn nicht besser als alle Flüsse Israels? Warum kann ich mich nicht in ihnen waschen und geheilt werden?« Und er drehte sich um und ging zornig fort.

Weiß der nicht, wer ich bin? Ich bin wichtig und so lass ich mich nicht behandeln.

13 Seine Begleiter aber redeten ihm gut zu. »Herr«, sprachen sie zu ihm, »wenn der Prophet etwas Großes von dir verlangt hätte, hättest du es dann nicht getan? Wie viel eher solltest du ihm gehorchen, wenn er dich nur auffordert: `Bade dich, damit du wieder gesund wirst!´«

Er lässt sich überzeugen, überwindet seinen Zorn, badet im Jordan und wird geheilt. Sein Zorn hätte fast seine Heilung verhindert. Aber hier gab es ein Happy-End.

Ein anderes Beispiel ohne Happy-End steht in 1.Könige 21. Da geht es um König Ahab (1.Könige 21,1-4; NL)

Ganz nah bei dem Palast König Ahabs von Samaria in Jesreel lag ein Weinberg, der einem Mann namens Nabot gehörte. 2 Da sagte Ahab zu Nabot: »Dein Weinberg liegt so nah bei meinem Palast; überlass ihn mir, damit ich einen Gemüsegarten daraus machen kann. Ich werde dir dafür einen besseren Weinberg geben, oder wenn du willst, werde ich ihn dir auch bezahlen.« 3 Doch Nabot antwortete: »Der Herr bewahre mich davor, dir das Erbe zu geben, das ich von meinen Vorfahren übernommen habe.« 4 Voller Zorn und Ärger darüber, dass Nabot aus Jesreel gesagt hatte: `Ich will dir das Erbe meiner Vorfahren nicht geben´, ging Ahab in seinen Palast. Er legte sich ins Bett, drehte sein Gesicht zur Wand und wollte auch nichts mehr essen.

Er erzählt es seiner Frau Isebel und die läßt Nabot ermorden, damit Ahab diesen Weinberg bekommt.

Zorn aus verletztem Stolz heraus kann richtig üble Taten nach sich ziehen, da sollten wir uns vor hüten.

Verbitterung

Ein verwandtes negatives Gefühl ist die Verbitterung, es ist nicht dasselbe wie verletzter Stolz aber irgendwie ähnlich.

Im Psalm 73 beschäftigt sich der Psalmist damit, warum es Gottlosen so gut geht (Psalm 73, 12.13; NL):

12 Schau dir diese gottlosen Menschen an - während ihr Reichtum wächst, führen sie ein angenehmes und sorgloses Leben. 13 War es denn völlig umsonst, dass ich mein Herz rein hielt und kein Unrecht beging?

Warum geht es denen so gut und ich habe so viele Probleme? Das ist doch unfair.

Doch als er die Perspektive wechselt, kommt er aus der Nummer heraus (Psalm 73, 21-25; NL):

21 Da erkannte ich, wie verbittert ich war und welcher Zorn in mir aufstieg, als ich all dies sah. 22 Wie dumm und unwissend bin ich gewesen - ich muss dir wie ein unvernünftiges Tier erschienen sein. 23 Doch ich gehöre noch immer zu dir, du hältst meine rechte Hand. 24 Du wirst mich nach deinem Rat leiten und mich schließlich in Ehren aufnehmen. 25 Wen habe ich im Himmel außer dir? Du bist mir wichtiger als alles andere auf der Erde.

Ich glaube, dass man zu so einer persönlichen Erkenntnis, wie der Psalmist auch, selber kommen muss, zu diesem Perspektivwechsel, zu diesem neuen Blick auf Gott.


Wie ich hier an diesem Punkt der Vorbereitung war, habe ich mich gefragt, welche Rolle Verbitterung bei den vielen Demonstrationen spielt. Verbitterung über die Ohnmacht gegen über den Mächtigen, „den zeigen wir es jetzt!“

Man neigt natürlich dazu, bei Demos, die man vom Thema her richtig findet, sachliche Gründe zu unterstellen und bei den andern eher Motive wie Hass, Verbitterung, usw. Ich weiß es nicht, man kann den Leuten ja auch nur von den Kopf gucken.

Unbeherrschter Zorn

Man hat aber, zumindest durch die Medien, hin und wieder den Eindruck, dass der Zorn auf der Straße zugenommen hat und immer unbeherrschter wird.

Manchmal macht man im Zorn ja auch Dinge, die man später bereuen könnte.

Ein Beispiel aus 1. Samuel 20. Jonatan streitet sich mit seinem Vater Saul über David und im Höhepunkt des Streits passiert das (1. Samuel 20, 32.33; NL):

32 »Aber was hat er getan?«, wollte Jonatan von seinem Vater wissen. »Warum soll er getötet werden?« 33 Da schleuderte Saul seinen Speer nach Jonatan, um ihn damit zu durchbohren. Nun erkannte Jonatan, dass sein Vater fest entschlossen war, David zu töten.

Ich glaube, Saul hätte das bereut, wenn er seinen Sohn getroffen hätte.

In den Sprüchen findet man auch einige Weisheiten dazu:

Sprüche 12,16; NL

Ein Narr ist jähzornig, der Kluge aber bleibt ruhig, wenn er beschimpft wird.

Sprüche 14,29; NL

Wer seinen Zorn zügelt, besitzt viel Verstand; wer aber jähzornig ist, begeht große Dummheiten.

Sprüche 29,11; NL

Ein Narr lässt seinem Zorn freien Lauf, aber ein Weiser hält ihn zurück.
Dass muss man, glaube ich, nicht nicht groß kommentieren.

Selbstgerechter Zorn

Manchmal ist unser Zorn auch etwas selbstgerecht. Wir haben ja meistens mehr Geduld mit uns selbst als mit anderen, wenn man mal ehrlich ist.

Es gibt ein schönes Beispiel dazu in 2. Samuel 12. David hatte vorher sich mit einer Frau namens Bathseba eingelassen, aber diese Frau war mit einem seiner Soldaten namens Uria verheiratet und als sie von David schwanger wurde, hat er Uria ermorden lassen und Bathseba schnell geheiratet, damit diese Affäre nicht ans Licht kam.

Der Prophet Nathan erzählt diese Geschichte als Gleichnis nach und David merkt das nicht und wurde sehr zornig über diesen Mann aus dem Gleichnis (2. Samuel 12, 5; NL):

»So wahr der Herr lebt«, schwor er, »wer so etwas tut, verdient den Tod!

Du bist der Mann, musste ihm Nathan dann sagen. Ich glaube nicht, dass es so selten ist, dass wir unseren eigenen Zorn selbst verdienen.

Mehr Mitleid mit den Schwachheiten von anderen kann schon dazu beitragen, dass wir uns selber weniger anklagen müssten.

Umgang mit Zorn

Wie geht man nun mit Zorn um? Man muss das Gefühl schon ernstnehmen, denn Sprüche 30,33; NL:

Wie das Schlagen von Sahne Butter hervorbringt und ein Schlag auf die Nase zu Nasenbluten führt, so endet Zorn in Streit.

Das ist leider nicht selten so.

Wir finden aber in der einige Weisheiten in der Bibel, die uns helfen, besser mit Zorn umzugehen.

Prediger 7, 9; NL

Sei nicht aufbrausend in deinem Zorn, denn der Ärger ist ein Freund der Dummköpfe.

Das hatten wir ja schon; man muss sich selber beherrschen, sonst sagt oder macht man dumme Sachen.

Sprüche 19, 11; NL

Menschen mit Verstand zügeln ihren Zorn; sie erwerben Achtung, wenn sie über Unrecht hinwegsehen.

Es hilft, wenn man nicht nur auf seinem Recht beharrt, sondern auch Fehler verzeihen kann.

Und Sprüche 15, 1; NL

Eine freundliche Antwort besänftigt den Zorn, kränkende Worte erregen ihn.
Und man kann das alles in folgender recht bekannter Bibelstelle zusammenfassen (Epheser 4, 26.27; NL):

»Sündigt nicht, wenn ihr zornig seid«, und lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.

Gebt dem Teufel keine Möglichkeit, durch den Zorn Macht über euch zu gewinnen!

Und ein paar Verse weiter (Epheser 4, 31.32; NL):

31 Befreit euch von Bitterkeit und Wut, von Ärger, harten Worten und übler Nachrede sowie jeder Art von Bosheit. 32 Seid stattdessen freundlich und mitfühlend zueinander und vergebt euch gegenseitig, wie auch Gott euch durch Christus vergeben hat.

Denn, und das dürfen wir nie vergessen, wenn wir über Zorn nachdenken (Jakobus 1, 20; NL):

menschlicher Zorn kann niemals etwas hervorbringen, das in Gottes Augen gerecht ist.

Ich möchte das Thema „Umgang mit Zorn“ mit einer meiner Lieblingsstellen beschließen (Römer 12, 18-21; NL):

18 Tragt euren Teil dazu bei, mit anderen in Frieden zu leben, so weit es möglich ist! 19 Liebe Freunde, rächt euch niemals selbst, sondern überlasst die Rache dem Zorn Gottes. Denn es steht geschrieben: »Ich allein will Rache nehmen; ich will das Unrecht vergelten«, spricht der Herr. 20 Handelt stattdessen so, wie es in der Schrift heißt: »Wenn dein Feind hungrig ist, gib ihm zu essen. Wenn er durstig ist, gib ihm zu trinken, und er wird beschämt darüber sein, was er dir angetan hat.« 21 Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute!

Zusammenfassung

Ich fasse zusammen.