Leichlingen, 30.4.06 

Zerbrechende Beziehungen 

Einleitung

(Als Einleitung wurde das Lied "Getting to the point" (ELO) vorgetragen.)

Es gibt bestimmte Sachen, die finde ich total gruselig. 

Und dazu gehört es, wenn Menschen über Jahrzehnte befreundet sind, und diese Freundschaft dann zerbricht und man sich im Streit trennt. 

Ich habe vor kürzerem einige Geschichten dieser Art gehört.
Da hat sich jemand mit seiner Schwester verkracht, - nach meinem Empfinden wegen einer Banalität –, so daß beide jetzt keinen Kontakt mehr miteinander haben. Beides sind Christen.

Oder zwei befreundete Christen, die 2 Jahrzehnte miteinander in einer Gemeinde zusammengearbeitet haben und befreundet waren, können nicht mehr miteinander und der eine geht jetzt in eine andere Gemeinde.  

Den Grund in diesem Fall kenne ich nicht, aber aufgrund der langjährigen Freundschaft scheint mir der Grund irgendwie nicht wichtig. 

Man ist jahrelang miteinander befreundet und dann wegen irgendeiner Sache, zerbricht es. 

Wenn das anderen passiert, dann kann das doch auch mir passieren, oder? 

Irgendeiner – oder beide – muß wohl etwas falsch gemacht haben, damit so eine gewachsene Beziehung zerbricht. 

Und wir sind ja alle nur Menschen. Das heißt, auch wir – auch ich – kann ein Fehler machen, der eine Freundschaft, eine Beziehung zerstört. Und das gilt auch für Beziehungen zu Geschwistern, Eltern und Ehepartner. 

Und das finde ich gruselig. 

Und da ist da natürlich auch noch die Schuldfrage. 

Wie ist das bei Deinen und meinen zerbrochenen Freundschaften und Beziehungen? 

Natürlich ist nicht nur der andere Schuld – wir sind ja selbstkritisch – aber meistens war doch der andere Schuld, oder? Das glauben wir doch, oder? 

Ich möchte nun ein paar Beispiele aus der Bibel für zerbrochene Beziehungen anführen. 

Hierbei muß ich betonen, daß ich das Wort „Beziehung“ nur im allgemeinen Sinne gebrauche, nämlich das zwei Menschen zueinander irgendwie in Beziehung stehen. 

Das Wort „Beziehung“ wird ja heute auch besonders für Beziehungen zwischen Mann und Frau verwendet, aber irgendwie gibt es kein anderes allgemeines Wort dafür, daß Menschen etwas miteinander zu tun haben. 

Also Beziehung ist für die nächsten 20 Minuten der Sammelbegriff für Ehe, Verwandtschaft und Freundschaft. 

Beziehungen, die aus Frust zerbrechen

Kain und Abel

Wir finden ganz am Anfang in der Bibel schon ein Beispiel dafür, wie eine Geschwisterbeziehung zerbricht 1. Mose 4, 1-8; 

1 Adam schlief mit seiner Frau Eva, sie wurde schwanger und brachte einen Sohn zur Welt. «Mit Hilfe des Herrn habe ich einen Sohn geboren!» rief sie aus. Darum nannte sie ihn Kain («Gewinn»). 2 Ihren zweiten Sohn nannte sie Abel («Vergänglichkeit»). Abel wurde ein Hirte, Kain ein Bauer. Die beiden wuchsen heran. 3 Zur Zeit der Ernte opferte Kain dem Herrn von dem Ertrag seines Feldes. 4 Abel schlachtete eines von den ersten Lämmern seiner Herde und brachte die besten Fleischstücke dem Herrn als Opfer dar. Abels Opfer nahm der Herr an, 5 das von Kain aber nicht. Darüber wurde Kain zornig und starrte mit finsterer Miene vor sich hin. 6 «Warum bist du so zornig und blickst so grimmig zu Boden?» fragte ihn der Herr. 7 «Wenn du Gutes im Sinn hast, kannst du doch jedem offen ins Gesicht sehen. Wenn du jedoch Böses planst, dann lauert die Sünde vor deiner Tür. Sie will dich zu Fall bringen, du aber beherrsche sie!» 8 Kain schlug seinem Bruder vor: «Komm, wir gehen zusammen aufs Feld!» Als sie dort ankamen, fiel er über Abel her und schlug ihn tot.  

Hier endet der Zerbruch der Beziehung direkt mit Mord, was ja meistens Gott sei Dank sonst nicht der Fall ist. 

Gott nimmt Abels Opfer an und Kains nicht und so ganz eindeutig kann man hier nicht sehen, warum Gott das so gemacht hat. Aber das hängt vielleicht damit zusammen, daß Kain nur irgendwas von seiner Ernte geopfert hat, während Abel das Beste gegeben hat
Letzendlich konnte Gott auch damals schon ins Herz der Menschen gucken und wußte damals schon mehr über Kain, als wir heute hier lesen können.

Aber interessant ist, das Kain deswegen zornig wird und zwar zornig auf seinen Bruder. 

Aber warum? Abel ist wohl kaum „nahnahnahnah“-machend herumgelaufen. 

Nein, Kain hat etwas gemacht, was viele auch noch heute machen:
Man sucht sich eine Zielperson für seinen Ärger, Frust und Zorn und auf die projiziert man das alles. Das macht man insbesondere dann, wenn man entweder selber Schuld ist oder wenn man den wahren Schuldigen nicht greifen oder es ihn nicht gibt.

Kain stand hier vor der Alternative, seine eigene Schuld anzuerkennen oder Gott die Schuld zu geben. Beides befriedigt nicht wirklich, also wird die nächste, erreichbare Person genommen. 

Wir finden so ein Verhalten in der Schule, wo Druck von anderen an Schwächere weitergegeben wird.
Auf manchem Arbeitsplatz ist ja so, daß Mitarbeiter über den Chef frustriert sind, und das per Mobbing an anderen Kollegen auslassen.

Dann kommt dann auch noch Neid dazu, wenn Kollegen besser mit der Arbeit oder besser mit dem Chef klarkommen. 

Wir müssen uns darüber klarwerden, daß viel vom Kain in uns heute immer noch steckt. 

Wie oft lassen wir unseren Ärger, unseren Frust an anderen aus, die eigentlich nichts dafür können. Und oft sind es Familienangehörige, enge Freunde, die das dann ausbaden müssen. 

Wir morden dann nicht, aber manchmal denken wir vielleicht, daß es besser wäre, wenn der andere nicht da wäre. 

Die Sünde lauert auch vor Deiner Tür. Du aber sollst sie beherrschen und das gilt damals wie heute auch in Bezug auf den Umgang mit eigenem Ärger und Frust. 

Ein weiteres Beispiel dafür sind  

David und Saul

David und Saul hatten eine wechselhafte Beziehung zueinander.  

Es fing damit an, daß es Saul nicht besonders gut ging. 

1. Samuel 16, 21-23; 

21 So kam David zu Saul und diente ihm. Und Saul gewann ihn sehr lieb, und er wurde sein Waffenträger. 22 Und Saul sandte zu Isai und ließ ihm sagen: Laß doch David in meinen Dienst treten, denn er hat Gunst gefunden in meinen Augen! 23 Und es geschah, wenn der Geist von Gott über Saul kam, nahm David die Zither und spielte darauf mit seiner Hand. Und Saul fand Erleichterung, und es ging ihm besser, und der böse Geist wich von ihm. 

Anscheinend haben sie sich gut verstanden. 

Sie waren vielleicht so eine Art Freunde, sofern das in einem Verhältnis Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich ist. 

Der Verhältnis der beiden zueinander gerät etwas später aus dem Tritt, als David dann auch noch Sauls Heerführer wird (1. Samuel 18): 

5 Und David zog in den Kampf. Und wohin immer Saul ihn sandte, hatte er Erfolg. Und Saul setzte ihn über die Kriegsleute. Und er war beliebt bei dem ganzen Volk und auch bei den Knechten Sauls1. 6 Und es geschah, als sie heimkamen, als David vom Sieg über den Philister zurückkehrte, zogen die Frauen aus allen Städten Israels zu Gesang und Reigen dem König Saul entgegen mit Tamburinen, mit Jubel und mit Triangeln2. 7 Und die Frauen tanzten, sangen und riefen: Saul hat seine Tausende erschlagen und David seine Zehntausende. 8 Da ergrimmte Saul sehr. Und diese Sache war in seinen Augen böse, und er sagte: Sie haben David Zehntausende gegeben, und mir haben sie nur die Tausende gegeben; es fehlt ihm nur noch das Königtum. 9 Und Saul sah neidisch auf David von jenem Tag an und hinfort. 10 Und es geschah am folgenden Tag, daß ein böser Geist von Gott über Saul kam, und er geriet im Innern des Hauses in Raserei3. David aber spielte die Zither mit seiner Hand, wie er täglich zu tun pflegte, und Saul hatte einen Speer in seiner Hand. 11 Und Saul warf den Speer und dachte: Ich will David an die Wand spießen! Aber David wich ihm zweimal aus.  

Hierbei ist es wichtig zu beachten, daß David nichts anderes als seine Arbeit gemacht hat.
Er hat eigentlich alles richtig gemacht. Rein objektiv gab es für Saul überhaupt nichts an David auszusetzen. Die hätten sich eigentlich top verstehen müssen.

David hat auch später, als er vor Saul fliehen mußte, nie die Hand gegen Saul erhoben, auch als er die Gelegenheit dazu hatte. 

Saul war von Neid und vor Angst um sein Königtum zerfressen. Er fühlte sich von David bedroht, obwohl David ihn nie bedroht hat.
David hat ihn überholt. Saul war vorher der König, der Retter Israels, und dann kommt einer, der es besser kann, einer mit Zukunft, während Saul keine richtige Zukunft als König mehr hatte und Saul wußte das insgeheim und war deswegen frustriert.

Das ist sicherlich kein seltener Grund, warum Beziehungen insbesondere Freundschaften in die Brüche gehen. 

Z.B. hat es der Kollege auf der Arbeit einfach besser drauf. Der lernt schneller und kommt dadurch einfach besser vorwärts. Auch wenn der Typ super nett ist, kann allein diese Tatsache eine gewisse Abneigung gegen ihn erzeugen. 

Ebenso kann das eine Belastung für eine Freundschaft sein, wenn einer immer Erfolg hat und der andere nicht. Wenn dann noch wie bei David und Saul eine Konkurrenzsituation vorhanden ist, dann ist die Situation noch schwieriger. 

Als Kind habe ich gerne Fußball gespielt und ich habe sehr viel mit zwei Freunden aus der Nachbarschaft gespielt. Ich war der älteste von uns dreien und ich war daher anfangs klar der Beste im Fußball. Einer der anderen beiden hatte aber mehr Talent als ich – er hat auch nachher lange im Verein gespielt – schneller besser als ich und hatte mich irgendwann eingeholt und überholt.
Ich war 11 oder so, als ich mit einem Stich im Herzen vor mir selber anerkennen mußte, daß er nun besser als ich war, obwohl er anderthalb Jahre jünger war.
Er selber hat sich da nicht falsch verhalten und er hat das auch gar nicht so gemerkt. Und unsere Freundschaft ist dadurch auch nicht zerbrochen.

Das war alleine mein Problem. 

Vielleicht war so ein Denken kindisch, aber ich kann mir gut vorstellen, daß man so ein Frustgefühl auch als Erwachsener haben kann.  

Und wenn eine Beziehung, eine Freundschaft nicht stabil ist oder wenn man selber keine stabile Persönlichkeit ist, dann kann so etwas auch zum Bruch einer Freundschaft führen. 

Bei Saul wurde es sogar zu einem Privatkrieg gegen David.
Und das Absurde ist, daß es letztendlich nichts geändert hat.

Ein Gegenbeispiel zu Saul ist sein Sohn Jonatan. 

Auch er hat sich mit David gut verstanden (1. Samuel 18): 

1 Und es geschah, als er aufgehört hatte, mit Saul zu reden, verband sich die Seele Jonatans mit der Seele Davids; und Jonatan gewann ihn lieb wie seine eigene Seele. 2 Und Saul nahm ihn an jenem Tag zu sich und ließ ihn nicht wieder in das Haus seines Vaters zurückkehren. 3 Und Jonatan und David schlossen einen Bund, weil er ihn liebhatte wie seine eigene Seele. 4 Und Jonatan zog das Oberkleid aus, das er anhatte, und gab es David, und seinen Waffenrock und sogar sein Schwert, seinen Bogen und seinen Gürtel. 

Sie wurden direkt enge Freunde. Ihr kennt das vielleicht: Manchmal trifft man einen Fremden und man ist direkt auf einer Wellenlänge und versteht sich direkt. 

Nun hätte Jonatan eigentlich dasselbe Problem wie Saul haben müssen, denn er war ja als Thronfolger vorgesehen. Aber da David von Gott als nächster König eingesetzt werden soll, hätte Jonatan David eigentlich auch hassen müssen. 

Aber Jonatan war seine Freundschaft mit David wichtiger als seine Karriere. Er setzt sich immer für David ein und nimmt ihn vor seinem Vater in Schutz. 

Auch nachdem David vor Saul schon lange auf der Flucht war, hielt Jonatan zu ihm (1. Samuel 23 ): 

16 Da machte sich Jonatan, der Sohn Sauls, auf und ging zu David nach Horescha und stärkte seine Hand in Gott. 17 Und er sagte zu ihm: Fürchte dich nicht! Denn die Hand meines Vaters Saul wird dich nicht finden. Du wirst König über Israel werden, und ich werde der Zweite nach dir sein. Und auch mein Vater Saul hat erkannt, daß es so ist. 18 Und beide schlossen einen Bund vor dem HERRN. David blieb in Horescha, Jonatan aber kehrte nach Hause zurück. 

Jonatan war in der selben Situation wie sein Vater, aber er verhält sich entgegengesetzt. 

Er weiß, daß Gott David sowieso als König vorgesehen hat und er will nicht seine Freundschaft mit David zerstören.
Vielleicht hatte Jonatan insgeheim auch mal eine Zeitlang einen Stich im Herzen, weil er nicht König werden wird, aber er stand weiter zu seinem Freund David, was ja auch objektiv betrachtet richtig war, denn David war an der Situation nicht schuld.

Wichtig ist dabei auch, daß wir in dieser Hinsicht auch auf einander achten (Hebräer 12, 15;): 

 und seht darauf, dass nicht jemand Gottes Gnade versäume; dass nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachse und Unfrieden anrichte und viele durch sie unrein werden;

Durch die eigene Bitterkeit können Beziehungen zerbrechen. 

Beziehungszerbruch durch Meinungsverschiedenheiten

Apostelgeschichte 15, 35-41; 

35 Paulus aber und Barnabas verweilten in Antiochia und lehrten und verkündigten mit noch vielen anderen das Wort des Herrn. 36 Nach einigen Tagen aber sprach Paulus zu Barnabas: Laß uns nun zurückkehren und die Brüder besuchen in jeder Stadt, in der wir das Wort des Herrn verkündigt haben, und sehen, wie es ihnen geht. 37 Barnabas aber wollte auch Johannes mit dem Beinamen Markus mitnehmen. 38 Paulus aber hielt es für richtig, den nicht mitzunehmen, der aus Pamphylien von ihnen gewichen und nicht mit ihnen gegangen war zu dem Werk. 39 Es entstand nun eine Erbitterung, so daß sie sich voneinander trennten und Barnabas den Markus mitnahm und nach Zypern segelte. 40 Paulus aber wählte sich Silas und zog aus, von den Brüdern der Gnade Gottes befohlen. 41 Er durchzog aber Syrien und Zilizien und stärkte die Gemeinden. 

Die zwei haben sehr viel miteinander erlebt und sind durch dick und dünn gegangen. 

Und dann entstand eine Erbitterung, so daß sie sich voneinander trennten.

Man kann hier natürlich darüber sprechen, wer recht hat und wer Schuld ist. 

Und irgendwie ist das ja auch interessant.  

Aber viel wichtiger finde ich die Tatsache, daß sie sich trennen. 

Nun ist diese Situation auch schwieriger, als jetzt wie vorhin beschrieben bei David und Saul. 

Hier geht es nicht um unbewältigte Frustgefühle, hier geht es darum, was sinnvoll für das Reich Gottes ist und darüber sind sie sich nicht einig. Genauer gesagt geht es um die Frage, ob eine Person als Mitarbeiter geeignet ist oder nicht. 

Man kann natürlich hier ganz fromm deuten, daß Gott für diesen Streit gesorgt hat, damit Paulus und Barnabas sich trennen, um halt als Multiplikatoren wieder neue Leute anzuleiten. 

Da ist sicherlich etwas wahres dran, aber das finde ich ein bißchen einfach, das hätte man auch ohne Erbitterung hinbekommen und sie trennten sich wegen der Erbitterung. 

Ich glaube nicht, daß das hier nur Rechthaberei ist, was natürlich auch zum Zerbruch einer Freundschaft führen kann. 

Aber unterschiedliche Meinungen kann man nicht immer vereinen.
Was macht man dann?

Hier schien die Entscheidungsfindung so abzulaufen, daß die Leiter, Paulus und Barnabas, entscheiden wollten. Was die anderen im Team meinten, wird hier nicht erwähnt. 

Mehrheitsentscheidung geht hier nicht, weil es nur zwei sind.
Aber ich glaube, wenn es drei gewesen wären, hätte sich der dritte hier trotzdem getrennt.

Sie waren sich anscheinend beide so sicher. 

Hätte man sich einigen können? Vielleicht Markus nur die halbe Strecke mitnehmen?
Vielleicht hätte man Markus einige Stationen der Reise auf Probe mitnehmen können.

Hätten Paulus und Barnabas sich wenigstens nicht ohne Erbitterung voneinander trennen können, getreu dem Motto, daß man Sachfragen von persönlichen Beziehungen trennt? 

Hier kann man aber sehen, daß auch scheinbar perfekte Christen wie Paulus und Barnabas versagen. 

Aber anscheinend war der Bruch nicht endgültig. 

Im Kolosserbrief, den Paulus später aus dem Gefängnis schreibt, wird Barnabas indirekt erwähnt. 

Und außerdem taucht Markus, um den es ja im Streit ging in den Briefen mehrfach wieder auf und wird von Paulus positiv erwähnt.
Also auch da scheint später alles wieder in Ordnung gekommen zu sein.

 

Eine Sache fiel mir noch bei diesem Streit auf: Sie haben sich nicht wegen einer Lehrfrage zerstritten. 

Ich habe auch kein Beispiel im neuen Testament gefunden, wo sich Christen wegen einer Lehrfrage zerstritten und getrennt haben. 

In Apostelgeschichte 15 entstand die Frage, ob gläubige Heiden das jüdische Gesetz einhalten müssen. Es wurde erst viel im kleinen Rahmen darüber diskutiert und als die Frage vor Ort nicht gelöst werden konnte, wurde es an die Apostel in Jerusalem herangetragen. 

Auch dort war man sich erst nicht einig, aber nach längerer Diskussion einigte man sich schließlich. 

Wie lief das ab? 

Paulus und Barnabas waren unterwegs: 

1 Und einige kamen von Judäa herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr nicht beschnitten worden seid nach der Weise Moses, so könnt ihr nicht errettet werden. 2 Als nun ein Zwiespalt entstand und ein nicht geringer Wortwechsel zwischen ihnen und Paulus und Barnabas, ordneten sie an, daß Paulus und Barnabas und einige andere von ihnen zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen sollten wegen dieser Streitfrage.

Der Konflikt konnte vor Ort nicht gelöst werden, also: 

4 Als sie aber nach Jerusalem gekommen waren, wurden sie von der Gemeinde und den Aposteln und Ältesten aufgenommen, und sie verkündeten alles, was Gott mit ihnen getan hatte. 5 Einige aber von denen aus der Sekte der Pharisäer, die gläubig waren, traten auf und sagten: Man muß sie beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz Moses zu halten. 6 Die Apostel aber und die Ältesten versammelten sich, um diese Angelegenheit zu besehen. 7 Als aber viel Wortwechsel entstanden war, ...

Die Ältesten und die Apostel versammelten sich, um diese Angelegenheit zu besehen und es führt zu vielem Wortwechsel.

Danach hält Petrus eine kurze Rede, wo er seinen Standpunkt deutlich macht.

Direkt nach dieser Rede steht etwas sehr interessantes.

12 Die ganze Menge aber schwieg und hörte Barnabas und Paulus zu, die erzählten, wie viele Zeichen und Wunder Gott unter den Nationen durch sie getan habe.

„Die ganze Menge“ heißt ja, daß die Gemeinde auch irgendwie eingebunden war, aber man kann mit mehreren hundert Leuten auch nur schwer diskutieren.

Entschieden wurde dann folgendes:

22 Dann schien es den Aposteln und den Ältesten samt der ganzen Gemeinde gut, Männer aus ihrer Mitte zu erwählen und sie mit Paulus und Barnabas nach Antiochia zu senden: Judas mit dem Beinamen Barnabas und Silas, führende Männer unter den Brüdern.

Mit dieser Entscheidung war auch die Gemeinde einverstanden und dadurch auch irgendwie mit eingebunden.

Diesen Leute wurde ein Brief mitgegeben, der so begann:

23 Und sie schrieben und sandten durch ihre Hand: "Die Apostel und die Ältesten, eure Brüder, an die Brüder aus den Nationen zu Antiochia und in Syrien und Zilizien ihren Gruß.

Also der Ablauf der Entscheidungsfindung war folgender:

Und am Ende sind alle zufrieden.

Es hätte bei so einer Frage auch zu Bruch kommen können.

Zumindest ist es in nach-neutestamentlicher Zeit öfter einmal in Gemeinden wegen Lehrfragen zum Bruch gekommen.

Mit dieser Vorgehensweise hat man natürlich kein Generalrezept, um Brüche zu vermeiden, aber es ist schon die richtige Vorgehensweise.

Interessant bei dieser Geschichte ist auch, das die Apostel bei der Entscheidungsfindung keine Sonderrolle haben, sondern mit den Ältesten zusammengearbeitet haben.

Also haben die Ältesten auch heute durchaus die Autorität, so etwas für eine Gemeinde zu entscheiden.

Aber natürlich ist das heute auch in der Hinsicht schwieriger, daß es viel mehr Einflüsse von außen gibt, viel mehr in der christlichen Szene bekannte, begnadete Lehrer, die sich aber trotzdem in manchen Punkten widersprechen. Und man selbst hat natürlich verschiedenen Informationsquellen.

Letztendlich muß man sich selbst mit der Bibel beschäftigen und zu einem Schluß kommen.

Und vielleicht kann es dann auch einmal wie bei Paulus und Barnabas zu einer Trennung kommen, wenn man sich über Dinge, die das Reich Gottes betreffen nicht einigen kann, hoffentlich dann aber nicht in Erbitterung.

Ich möchte zum Abschluß noch einige Beispiele betrachten, wie man nach Bruch wieder in Ordnung kommen kann.

Ich fange mit dem am seltendsten funktionierenden Rezept an:

Ich glaube nicht, daß die Zeit alle Wunden heilt, aber manche, wahrscheinlich wenige, Wunden schon.

Bei den Brüdern Jakob und Esau half, glaube ich, zum Großteil die lange Zeit. 

Als der Vater von beiden, Isaak, Esau seinen Segen geben wollte, hat Jakob mit Hilfe seiner Mutter herumgetrickst, sich als Esau verkleidet und den Segen an Esau Stelle entgegengenommen. 

Man muß dazu sagen, daß der Segen enorm wichtig war, weil Isaak ein Gottesmann war. 

41 Und Esau war dem Jakob feind wegen des Segens, mit dem sein Vater ihn gesegnet hatte; und Esau sagte in seinem Herzen: Es nahen die Tage der Trauer um meinen Vater, dann werde ich meinen Bruder Jakob erschlagen. 

Hier könnte man schon von einem Bruch der Bruderbeziehung reden. 

Jakob flieht dann und nach über 14 Jahren sehen sie sich wieder: 

1 Und Jakob erhob seine Augen und sah: und siehe, Esau kam und mit ihm vierhundert Mann. Da verteilte er die Kinder auf Lea und auf Rahel und auf die beiden Mägde; 2 und er stellte die Mägde und ihre Kinder vornan und Lea und ihre Kinder dahinter und Rahel und Josef zuletzt. 3 Er selbst aber ging vor ihnen her und warf sich siebenmal zur Erde nieder, bis er nahe an seinen Bruder herangekommen war. 4 Esau aber lief ihm entgegen, umarmte ihn und fiel ihm um den Hals und küßte ihn; und sie weinten.  

Anscheinend hat Esau seinen Frieden mit der Angelegenheit von damals gemacht. 

Kannst Du Deinen Frieden mit Angelegenheiten von früher machen? 

Oft kann man das nämlich nicht, aber Esau schien es hier zu können. 

Es kommt auch heute eher selten vor, daß man alte Zwistigkeiten nicht nur verdrängt sondern wirklich hinter sich lassen kann.  

 

Eine weitere eher selten sinnvolle Methode ist das  

Prüfen

Im alten Testament gibt es die Geschichte von Joseph und seinen Brüdern. 

Joseph macht sich ja bei seinen Brüdern durch sein Verhalten sehr unbeliebt und wird deswegen von seinen Brüdern an Händler nach Ägypten verkauft. 

Durch tiefe Täler muß Joseph in der Sklaverei gehen – er sitzt eine Zeit zu Unrecht im Gefängnis –, bis er dann zum Stellvertreter des Pharaohs in Ägypten wird. 

Dann sieht er seine Brüder wieder. 

Joseph will wissen, ob seine Brüder noch so sind wie früher und er prüft sie, indem er sich nicht zu erkennen gibt und sie in eine Situation bringt, wo sie zeigen müssen, ob sie bereit dazu sind, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen. 

Ich glaube Joseph, hatte ihnen ihre Tat schon vor dem Wiedersehen vergeben, aber er wollte wissen, was mit ihnen ist; er wollte wissen, ob sich die Brüder geändert haben. 

Manchmal brauchen wir irgendwie einen Beweis der Änderung, falls uns jemand etwas Schlimmes angetan hat. 

Man kann das auch irgendwie verstehen, den Joseph hat mit den tiefsten Vertrauensbruch erlebt, den man sich nur vorstellen kann. 

Ich kann mir gut vorstellen, daß man nur schwer jemandem vergeben kann, der das Vertrauen schwer mißbraucht hat. 

Vergebung ist natürlich dann Vergebung, wenn es ohne Vorbedingung ist.
Aber im praktischen Zusammenleben kann manchmal so ein Bruch nur dann wieder hergestellt werden, wenn die Änderung des Täters wirklich prüfbar und dauerhaft ist.

Dazu muß man nicht unbedingt so ein Spielchen wie Joseph damals veranstalten, das ergibt sich aus dem praktischen Zusammenleben. 

Das sollten wir uns dann besonders vor Augen halten, wenn wir die Täter waren, die den Vertrauensmißbrauch begangen haben. 

Bewältigen

Die wichtigste Art, einen Beziehungsbruch zu behandeln, ist die Bewältigung. 

Absalom und David

Dazu möchte ich eine Episode von David und zwei seiner Söhne betrachten: Amnon und Absalom. 

Amnon hat seine Halbschwester Tamar, welche Absaloms Schwester war, vergewaltigt. 

Zwei Jahre später plante und vollzog Absalom die Rache dafür an Amnon und brachte ihn um (2. Samuel 13, 37-39): 

37 Absalom aber war geflohen und ging zu Talmai, dem Sohn Ammihuds, dem König von Geschur. Und David trauerte um seinen Sohn Amnon alle Tage. 38 Absalom aber war geflohen und nach Geschur gegangen. Dort blieb er drei Jahre. 39 Seine Flucht hielt den König David davon ab, gegen Absalom auszuziehen; vielmehr tröstete er sich über Amnon, daß er tot war.  

Nun wollte sich David eigentlich wieder mit Absalom versöhnen, aber er wußte wohl nicht so richtig wie.
Darauf veranstaltet Joab, der Hauptmann Davids, so eine Art Theaterstück, womit er David überzeugt, Absalom zurückkehren zu lassen.

21 Und der König sagte zu Joab: Siehe doch, ich tue diese deine Sache. So geh nun hin, laß den Jungen, den Absalom, zurückkehren! 22 Da fiel Joab auf sein Angesicht zur Erde und warf sich nieder und segnete den König. Und Joab sagte: Heute erkennt dein Knecht, daß ich Gunst gefunden habe in deinen Augen, mein Herr und König, da der König das Wort seines Knechtes getan hat. 23 Und Joab machte sich auf und ging nach Geschur und brachte Absalom nach Jerusalem zurück. 24 Aber der König sagte: Er soll sich zu seinem Haus wenden, mein Angesicht soll er nicht sehen. Da wandte sich Absalom zu seinem Haus, und das Angesicht des Königs sah er nicht. 

David drückt sich hier um die richtige Bewältigung des Problems. 

Entweder er verbannt ihn als Verbrecher oder er holt ihn zurück und vergibt ihm. 

So geht es uns doch manchmal auch, oder? 

Ja, ja, ich vergebe dir, ich bin Christ, aber innerlich kocht man nur, wenn denjenigen nur sieht.
Oder: Ich vergebe dir, aber – unausgesprochen – will ich nichts mehr mit dir zu tun haben.

Zu einer richtigen Bewältigung gehört – aus Opfersicht – das richtige Anerkenntnis des Schmerzes, den man erduldete und andererseits eine vollständige Vergebung. 

Und aus Tätersicht gehört dazu ein vollständiges Schuldanerkenntnis, vor Gott und sich selber. 

Und so geht es weiter: 

28 Und Absalom wohnte in Jerusalem zwei volle Jahre und hatte das Angesicht des Königs noch nicht gesehen. 29 Da sandte Absalom zu Joab, um ihn zum König zu schicken, aber er wollte nicht zu ihm kommen. Und er sandte noch ein zweites Mal, aber er wollte wieder nicht kommen. 30 Da sagte er zu seinen Knechten: Seht, das Feld Joabs ist an meiner Seite. Er hat dort Gerste. Geht hin und steckt es in Brand! Und die Knechte Absaloms steckten das Feld in Brand. 31 Da machte Joab sich auf und kam zu Absalom ins Haus und sagte zu ihm: Warum haben deine Knechte das Feld, das mir gehört, in Brand gesteckt? 32 Und Absalom sagte zu Joab: Siehe, ich hatte zu dir geschickt und dir sagen lassen: Komm her, ich will dich zum König schicken, um ihm zu sagen: Wozu bin ich von Geschur hergekommen? Besser wäre es für mich, ich wäre noch dort. Jetzt aber will ich das Angesicht des Königs sehen. Und wenn es an mir eine Schuld gibt, dann soll er mich töten. 33 Da begab sich Joab zum König und berichtete es ihm. Und er rief Absalom. Der kam zum König und warf sich vor ihm nieder und fiel auf sein Angesicht zur Erde nieder vor dem König, und der König küßte Absalom. 

Versöhnung ist lebensnotwendig.  

Diese Ungewißheit, dieses Ungeklärte zwischen Vater und Sohn, zwischen zwei Freunden, kann einen bekloppt machen. Absalom lechzte nach Klärung und Versöhnung. 

Manchmal ist es auch eine Form der Rache, wenn man sich nicht versöhnen will.
Der vermeintliche Täter sucht Vergebung und man gewährt sie im nicht.

Wie wichtig Versöhnung ist, zeigt auch Matthäus 5, 23.24 

23 Wenn du nun deine Gabe darbringst zu dem Altar und dich dort erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat,24 so laß deine Gabe dort vor dem Altar und geh vorher hin, versöhne dich mit deinem Bruder; und dann komm und bring deine Gabe dar! 

Leider war die Versöhnung von David und Absalom nicht von Dauer, da Absaloms Machtgier größer als sein Wunsch nach Frieden mit seinem Vater war. 

 

Ein letztes Beispiel noch 

Jesus und Petrus

Petrus hat ja seinen Freund und Herrn Jesus dreimal verleugnet „ich kenne ihn nicht“, als es etwas bedrohlich für ihn aussah. 

Wie ist Jesus damit nun umgegangen? 

In Johannes 21 findet ein letztes Gespräch von Jesus mit Petrus statt: 

15 Als sie nun gefrühstückt hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht er zu ihm: Weide meine Lämmer! 16 Wieder spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht er zu ihm: Hüte meine Schafe! 17 Er spricht zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, daß er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb? und sprach zu ihm: Herr, du weißt alles; du erkennst, daß ich dich lieb habe. Jesus spricht zu ihm: Weide meine Schafe! 

Jesus hatte ihm mit Sicherheit vorher vergeben. 

Aber er gibt ihm die Möglichkeit, sein dreimaliges Verleugnen durch ein dreimaliges Bekenntnis wieder auszugleichen. 

Ich denke, daß Jesus das nicht gebraucht hat, um Petrus zu vergeben, aber Petrus hat es sicherlich weiter geholfen, seine Beziehung zu Jesus wieder ins Reine zu bekommen. 

Und hieraus lernen wir eine wichtige Lektion: 

Jesus findet immer den richtigen Weg zur Versöhnung, weil er uns genau kennt. 

Bei allen notwendigen Gesprächen und Bewältigungen ist das wichtigste, den Beziehungsbruch zu Jesus zu bringen, daß er Versöhnung bewirkt. 

Denn wenn Jesus es geschafft, Versöhnung mit Gott zu bewirken, dann wird er wohl erst recht Versöhnung unter Menschen bewirken können. 

AMEN