Predigt, Leichlingen Kreuzkirche, 10.8.2003

Wohin soll ich gehen?

Einleitung

Heute soll es darum gehen, wie ich erkennen kann, was ich tun soll und wohin ich gehen soll. Als Christ stellt man sich ja hin und wieder die Frage:

Was will Gott eigentlich von mir persönlich?

Ich habe als Kind früher, wenn wir bei meiner Großtante zu Besuch waren, mich manchmal gelangweilt und dann diese Frauenzeitschriften alá „Frau im Spiegel“, „Das goldene Blatt“, usw. gelesen. Und in diesen Ikonen der deutschen Zeitschriftenlandschaft gab es manchmal Artikel über Leute, die als Medium Gottes bezeichnet wurden. An einen Bericht kann ich mich erinnern, wo über eine Frau berichtet wurde, die ihre göttlichen Botschaften über eine Schreibmaschine erhalten hat.
Die ist halt, so wie sie sagte, ab und zu an ihrer Schreibmaschine in Trance gefallen und ihre Finger haben dann alleine irgendetwas getippt, was sie dann als Botschaft Gottes ansah.

Auf den allerersten Blick scheint das ja eine gute Lösung zu sein. Gott gibt uns irgendwie eine Nachricht ganz eindeutig und wir wissen genau, was wir tun müssen.
Heute würde man das nicht mit einer Schreibmaschine machen; vielleicht würde heutzutage einmal am Tag die göttliche E-Mail kommen.

Ich habe auf der Suche nach einer Einleitung mal die Psalmen durchgesehen, ob es da irgendwo ein Beispiel gibt, wo jemand Gott um einen klaren Hinweis bei einer schwierigen Entscheidung bittet. So richtig habe ich da nichts gefunden.

Es gibt auch in der Bibel sonst nur wenig Begebenheiten in der Art, wo jemand fragt, was er tun soll und wo er auf übernatürliche Weise eine genaue Handlungsanweisung von Gott bekommt.
In diesem Fall wäre man ja auch eher ein Angestellter von Gott.
Man bekommt morgens seine Arbeitsanweisung, arbeitet die ab und hat dann Feierabend.
Manch ein Angestellter einer Kirche lebt vielleicht seinen Glauben so: Morgens Beerdigung, mittags Hochzeit, nachmittags zwei Besuche bei alten Damen und abends hat er dann endlich frei.

Möchtet ihr so eine Beziehung zu Gott haben?

Das wäre doch schön einfach. Alles wäre klar geregelt und man wüßte genau, was man zu tun hätte. Solche Religionen haben immer Hochkonjunktur. Klare autoritäre Strukturen, eine Führung an der Spitze, die sagt, was man zu tun hat. Das ist gerade im heutigen Zeitalter der Beliebigkeit gefragt. Das sagt jemand noch, was richtig ist; da stemmt sich jemand gegen den Zeitgeist.

Doch vermittelt die Bibel so einen Glauben?

Wie teilt uns Gott seine Anweisungen mit?

Psalm 25,4.5; „Deine Wege, HERR, tue mir kund, deine Pfade lehre mich! Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich, denn du bist der Gott meines Heils; auf dich harre ich den ganzen Tag.

Wie hört sich das an? Paßt das zu dieser Schreibmaschinengeschichte, die ich am Anfang erwähnt habe? Bedeutet „auf dich harre ich den ganzen Tag“, das der Psalmschreiber den ganzen Tag auf Gottes Befehle gewartet hat, um sie auszuführen?

„Tue mir kund, lehre mich, leite mich“: Da steht nicht: „Diktiere mir, befiehl mir“.

Ein weiteres Psalmwort:

Psalm 32, 8; „Ich will dich unterweisen und dich lehren den Weg, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten.

Gott will hier der Lehrer und der Berater sein, nicht Diktator oder Kommandant.

Einen kurzen Einschub muß ich hier aber schon machen. Natürlich ist Gott allmächtig und verdient Gehorsam. In verschiedenen Bibelstellen (z.B. Hiob 9) ist Gottes Allmacht plastisch beschrieben.

Aber die Psalmstellen beziehen sich darauf, wenn man eine Beziehung zu Gott hat. Man bekommt heute diese Beziehung nicht automatisch, sondern nur in Jesus Christus.

Gott als Vater will, daß wir lernen und verstehen, warum Gottes Wille das Beste für unser Leben ist. Er will keine Marionetten, Angestellte oder Befehlsempfänger haben.

Er will, das wir lernen und verstehen und das beinhaltet auch, daß wir ihm vertrauen, denn man muß seinem Lehrer vertrauen, daß er einem beibringt, was gut und richtig für einen ist.

Gottes Wege, Gottes Pfade, Gottes Wahrheit zu lernen, das ist Gottes Ziel mit uns.

Aber Gott als Berater, was heißt das denn noch?

Trifft ein Berater die Entscheidungen? Trifft der Lehrer die Entscheidungen?

Nein, die Entscheidungen muß man selber treffen. Und hier geht es wirklich um Entscheidungen und nicht nur um die Wahl, Befehle zu befolgen oder zu verweigern.

Und in vielen Menschen scheint die Angst vor Entscheidungen tief verwurzelt zu sein. Die haben dann lieber einen Menschen, der einem sagt, was man tun soll. Das ist ja auch viel einfacher. Schließlich kann man dann auch die Illusion haben, daß man an Fehlentscheidungen dann auch nicht so richtig schuld ist. („Ich habe nur getan, was man mir sagt.“)

Zusammenfassend noch folgenden Vers:

Psalm 37, 3-6; „Vertraue auf den Herrn und tue Gutes; wohne im Lande und weide dich an Treue; habe deine Lust am Herrn: so wird er dir geben die Bitten deines Herzens. Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn! Und er wird handeln; und er wird deine Gerechtigkeit hervorkommen lassen wie das Licht, und dein Recht wie den Mittag.

Wenn man die richtige Einstellung hat, Vertrauen auf Gott, und man wirklich nach Gottes Willen leben möchte, dann ist das alles nicht so schwer. Dann kann man auch Entscheidungen treffen und auch dann darauf hoffen, daß Gott handelt und einem hilft und auch vor schweren Fehlentscheidungen bewahrt.

Römer 8, 28; „Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz berufen sind.

Wenn wir uns diesen Satz verinnerlichen, dann wird das Leben doch direkt viel entspannter.



Nun möchte ich die Frage ansprechen:

Gibt Gott auch klare Befehle?

1. Mose 12, 1-4a;
Und der HERR sprach zu Abram: Gehe aus deinem Lande und aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause, in das Land, das ich dir zeigen werde. Und ich will dich zu einer großen Nation machen und dich segnen, und ich will deinen Namen groß machen; und du sollst ein Segen sein! Und ich will segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde ich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde! Und Abram ging hin, wie der HERR zu ihm geredet hatte, und Lot ging mit.

Dies ist ein klarer Befehl und Abram hat ihn befolgt. Das scheint dem vorhin gesagten so ein bißchen zu widersprechen. Es gibt in der Bibel schon einige Beispiele, wo Gott Befehle gibt und der Mensch vor die Wahl gestellt zu sein scheint: „Friß oder stirb.“

Als junger Christ hatte ich immer Angst davor, in die Mission zu müssen, generell aus der Leichlinger Gemeinde weg zu müssen. Ich dachte dann immer, was mache ich nur, wenn Gott mir sagt: „Geh jetzt nach Afrika und mach Dir keine Sorgen, ich werde dich versorgen.“
In verschiedenen christlichen Büchern wurde das immer so beschrieben und die waren dann auch alle gehorsam und wurden dann auch alle toll gesegnet.

Ich war 1989 beim ersten LoveEurope-Einsatz von OM mit dabei und das lief so ab, daß es erst eine gemeinsame Konferenz in Offenburg gab und dann die Leute auf verschiedene Standorte in Europa verteilt wurden und dort mit lokalen Gemeinden zusammen evangelistische Einsätze und Veranstaltungen durchführten.
Bei der Anmeldung mußte man dann 3 mögliche Orte angeben, wo man hinkommen will und es waren nur zwei mögliche deutsche Orte angegeben: Düsseldorf und Berlin.
Ich hatte eine solche Angst vor der Mission, so daß ich Düsseldorf als erstes und Berlin als zweites angegeben habe (das dritte weiß ich nicht mehr) und ich habe noch extra dabei geschrieben, „ich will nach Düsseldorf“.

Die haben mich dann auch nach Düsseldorf geschickt und es war eine sehr schöne Zeit und die Zusammenarbeit mit den Leuten aus aller Welt hat mir zum ersten Mal den Blick für einen möglichen Einsatz in der Mission geöffnet.

Ich habe ja später an einigen missionarische Einsätzen in Osteuropa teilgenommen, die meisten im ehemaligen Jugoslawien, und ich habe ernsthaft überlegt, nach meinem Studium eine Zeit, vielleicht ein Jahr, in die Mission nach Kroatien oder Bosnien zu gehen.
Irgendwie habe ich es verpaßt und dann hatte ich meine erste Arbeitsstelle und dann war es erstmal für mich persönlich vorbei mit der Mission.

Gott hat mir die Mission quasi vorgestellt und auch wenn ich letztendlich nicht in die Mission gegangen bin, habe ich doch einen Blick dafür bekommen und es in Betracht gezogen.
Ich denke, wenn Gott weitere Gelegenheiten, Begegnungen, offene Türen mir in den Weg gestellt hätte, wäre ich wahrscheinlich in die Mission gegangen.
Heute denke ich, daß das für mich wahrscheinlich nichts gewesen wäre. Ich denke, daß Gott mich bei meinen Entscheidungen geleitet hat, er hat gehandelt.

Worauf ich hinauswill: Wenn Gott einem persönlich so einen schwerwiegenden Befehl wie dem Abram gibt, dann wird einen auch dahin führen, daß man ein persönliches Ja dazu findet.

Im obengenannten Vers bekommt Abram einen großen Segen versprochen und vielleicht hat ihm auch das geholfen, ein Ja dazu zu finden.

Im Leben Abrahams gibt es ja noch ein weiteres Beispiel dieser Art:

1. Mose 22,2.3; „Und er sprach: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast, den Isaak, und ziehe hin in das Land Morija, und opfere ihn daselbst als Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir sagen werde. Und Abraham stand des Morgens früh auf und sattelte seinen Esel und nahm mit sich zwei von seinen Knaben und Isaak, seinen Sohn; und er spaltete Holz zum Brandopfer und machte sich auf und zog hin an den Ort, den Gott ihm gesagt hatte.

Ist so ein Befehl möglich? Ich denke, dieser Befehl an sich ist ein einmaliger Sonderfall in der Bibel. Es gab die Bibel, auch das alte Testament, ja noch nicht. Und im alten Testament steht ja später drin, daß Gott es streng verboten hat, Kinder zu opfern.

Aber was hat Abraham hier gedacht?

Heb 11,17-19; „Durch Glauben hat Abraham, als er versucht wurde, den Isaak geopfert, und der, welcher die Verheißungen empfangen hatte, brachte den Eingeborenen dar, über welchen gesagt worden war: "In Isaak soll dein Same genannt werden"; indem er urteilte, daß Gott auch aus den Toten zu erwecken vermöge, von woher er ihn auch im Gleichnis empfing.

Abraham hatte von Gott die Verheißung, das Isaak Nachkommen bringen wird. Also schloß er daraus, daß Gott ihn dann wohl von den Toten erwecken wird.

Dies ist sicherlich ein Extremfall, der sich so nicht wiederholt hat und wiederholen wird. Schließlich ist dieser Vorgang ja auch ein Bild auf das einzigartige Opfer von Jesus hin, der als einziger Sohn von Gott dann auch wirklich geopfert wurde.
Abraham wird ja von Gott noch in letzter Minute zurückgerufen und gibt einen Stellvertreter, einen Widder, als Opfer für Isaak.

Abraham hat einen Befehl empfangen, hat geprüft („er urteilte“), vertraut und war dann gehorsam. Also handelt es sich auch hier nicht einfach um blinden Gehorsam.



Es gibt auch den bekannten Fall, wo Gott jemanden dazu zwingt, einen Befehl zu befolgen, nämlich Jona.

Jona will nicht und läuft weg und Gott verhindert seine Flucht und zwingt ihm 3 Tage Nachdenken im Bauch eines großen Fisches auf. Danach ist Jona gehorsam.

Ich denke, da können wir ganz verwegen daraus herleiten, daß, wenn irgendeine unserer falschen Entscheidungen so gravierende Auswirkungen wie Jonas Entscheidung hätte, dann Gott so massiv eingreifen wird, so daß wir das alles nochmal überdenken und unsere Entscheidung korrigieren können.

Wir können doch auf Gott vertrauen, daß er handeln wird, wenn es nötig ist.



Ich möchte zu diesem Thema noch einen Punkt ansprechen:

„Gott hat mir gezeigt“

Diese Aussage hört man ja hin und wieder.

Extrem wird es ja, wenn jemand sagt: „Gott hat mir gezeigt, daß das meine Frau wird.“ und die Frau zu ganz anderen Ergebnissen kommt. ;-)

Es ist ganz interessant, mal ganz allgemein über die Aussage „Gott hat mir gezeigt“ etwas nachzudenken.

Apostelgeschichte 16,9-10; „Und es erschien dem Paulus in der Nacht ein Gesicht: Ein gewisser macedonischer Mann stand da und bat ihn und sprach: Komm herüber nach Macedonien und hilf uns! Als er aber das Gesicht gesehen hatte, suchten wir alsbald nach Macedonien abzureisen, indem wir schlossen, daß der Herr uns gerufen habe, ihnen das Evangelium zu verkündigen.

Zu dieser Begebenheit paßt wohl die Aussage „Gott hat mir gezeigt“.

Hier steht das Wort „schlossen“ und daraus schließe ich, daß sie darüber gesprochen, vielleicht diskutiert, haben, was dieses Gesicht wohl bedeutet.
In dem Bibelvers hätte ja auch stehen können: „ Als er aber das Gesicht gesehen hatte, suchten wir alsbald nach Macedonien abzureisen.“ Punkt. Aber Gott war es wichtig zu erwähnen, daß sie zu einem Schluß gekommen sind.

Was wird heute mit der Aussage „Gott hat mir gezeigt“ ausgesagt?

Benutzen wir es als Prüfungstotschläger?
Wie kannst Du wagen zu hinterfragen, was Gott mir persönlich klar gemacht? Das hat Gott mir persönlich gesagt und da hast Du nichts dran herumzudeuteln. Ende der Diskussion.

Ist das richtig so? Oder steckt da ganz tief drin eine Unsicherheit; vielleicht weiß ich es ja doch nicht so genau, aber da Gott Zweifler nicht mag, muß ich jetzt die klare Gewißheit demonstrieren!

Aber es ist richtig, über die Dinge, von denen man glaubt, daß Gott sie einem klargemacht hat, mit anderen darüber zu sprechen. Wir sollen alles prüfen - auch persönlich klar gemachte Dinge - und das Gute behalten.

Es ist aber auch so, daß nach der Prüfung und dem Austausch mit anderen die eigentliche Entscheidung wir selber treffen und verantworten müssen.
Und daher müssen wir andererseits auch Entscheidungen akzeptieren, die andere treffen, denn wir müssen die nicht verantworten: (Römer 14,4;)

„Wer bist du, der du den Hausknecht eines anderen richtest? Er steht oder fällt seinem eigenen Herrn. Er wird aber aufrecht gehalten werden, denn der Herr vermag ihn aufrecht zu halten.

Es gibt also einen Punkt, wo unsere Verantwortung gegenüber anderen zu Ende ist.

Zusammenfassung

Die richtige Vorgehensweise ist es, wenn man als Christ sein Leben dem Herrn anbefiehlt, ihm vertraut, und dann nach bestem Wissen und Gewissen entscheidet.

Zum Schluß noch einmal das Psalmwort:

Psalm 37, 3-6; „Vertraue auf den Herrn und tue Gutes; wohne im Lande und weide dich an Treue; habe deine Lust am Herrn: so wird er dir geben die Bitten deines Herzens. Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn! Und er wird handeln; und er wird deine Gerechtigkeit hervorkommen lassen wie das Licht, und dein Recht wie den Mittag.

AMEN