Einleitung
Ich habe vor ein paar Wochen ein neues Akronym kennengelernt.
Dabei kam mir der Gedanke, was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Akronym und einer Abkürzung?
Wisst Ihr das? Ich musste das nachschlagen. Ein Akronym ist ein neues Wort, dass aus einer Abkürzung entsteht, während bei einer Abkürzung die Buchstaben aufgezählt werden. Z.B. ist USA eine Abkürzung, aber NASA ein Akronym, weil man das wie ein neues Wort ausspricht. Eigentlich bedeutet NASA „National Aeronautics and Space Administration“, aber spricht es nicht „N“, „A“, „S“, „A“, sondern NASA.
Ein unnützer Fun-Fact am Anfang, aber egal.
Das Akronym, um das es heute gehen soll, heisst „VUCA“.
Kennt das jemand?
Ich kannte es bis vor zwei Wochen oder so nicht. Ich habe es, glaube ich, in einem Podcast über Gemeindegründung zum ersten Mal gehört, aber sicher bin ich mir nicht.
„VUCA“ steht für „Volatility“, „Uncertainty“, „Complexity“ und „Ambiguity“, natürlich auf Englisch, und beschreibt die hohe Dynamik und Veränderungsgeschwindigkeit der heutigen Zeit.
- Volatility (Volatilität): Die Geschwindigkeit und das Ausmaß, mit dem sich Dinge ändern, sind hoch.
- Uncertainty (Ungewissheit): Es gibt eine hohe Unsicherheit über zukünftige Ereignisse und Entwicklungen.
- Complexity (Komplexität): Die Welt ist immer komplexer und vernetzter geworden.
- Ambiguity (Mehrdeutigkeit): Informationen können mehrdeutig sein, und es gibt häufig verschiedene Interpretationen und Perspektiven.
Diese Aussagen beschreiben ganz gut die heutige Welt, denke ich, und darin liegen auch die Herausforderungen für uns als Christen und für unsere Gemeinde und natürlich auch für die neue Leitung.
In ein neues Land...
Trotzdem glaube ich, dass wir ein Beispiel für VUCA auch der Bibel finden, zumindest teilweise. Ich lese aus 1. Mose 12, 1-5; NLAber diese Zeiten sind heute weitgehend vorbei, insbesondere durch das Engagement von Christen, und für die Predigt heute spielt das Thema keine Rolle.
Es fängt für Abram mit Ungewissheit an. Er wird wohl wahrscheinlich fitter als ein heutiger durchschnittlicher 75-jähriger gewesen sein, da die Leute damals im Schnitt laut Bibel noch älter wurden als heute, aber das ist trotzdem eine Hausnummer, in diesem Alter alles hinter sich zu lassen.
„Verlasse dein Haus, deine Verwandten und deine erweiterte Familie und gehe erst einmal los. Ich werde Dir dann den Weg schon zeigen.“
Ungewisser geht es gar nicht.
Wir wissen doch auch oft nicht, wo das alles so hinführt. Was bringt die Zukunft? Was bewirkt die rasende technische Entwicklung? Was bewirkt der Klimawandel? Wie wirken sich gesellschaftliche Änderungen auf uns als Gemeinde aus?
Ich war vor knapp 20 Jahren auf einem theologischen Grundkurs und den hatten wir mit Methodisten zusammen und bei den Methodisten wird Liturgie und Tradition viel höher als bei uns gehalten. Da hat einer erzählt, dass Leute aus anderen Orten das total toll fänden, dass die Abläufe und Symbole in allen Methodistengemeinden gleich sind. Man findet sich sofort zurecht.
Das gibt es auch in anderen Gemeinden: Hauptsache, es bleibt alles, wie es ist, so schön vertraut. Die selben Lieder wie vor hundert Jahren, usw. In solchen Gemeinden gilt dann so ein Lied wie „Danke für diesen guten Morgen“ als modern, was inzwischen über 60 Jahre alt ist.
Aber funktioniert das auch in einer VUCA-Welt?
Mit Gott
Also Abram war unterwegs ins Ungewisse (1. Mose 12, 6-9; NL):
Interessanterweise kann das hebräische Wort für „anbeten“ auch „ausrufen“ bedeuten, so dass eine andere Übersetzung (NEÜ) hier schreibt:
Er weiß nicht wohin und warum, aber er hält sich an Gott und bezeugt ihn sogar vor den Kanaanitern.
Die Hungersnot
Wie geht es weiter? (1. Mose 12, 10; NL)
Das ist ein Bild für Volatilität. OK, wie schnell das passiert ist, kann man aus dem Text nicht entnehmen, aber die Situation hat sich so sehr verschlimmert, dass er die Zelte abbrach und mit seinem gesamten Hausstand nach Ägypten zog. Ob das die richtige Entscheidung war, kann man heute gar nicht beurteilen. Das Ausmaß der Hungersnot war wohl nicht mehr zu beherrschen, er kam mit der Situation vor Ort anscheinend nicht mehr klar und so zog er weg, ins reiche Ägypten, dort, wo es immer Essen gibt.
Aber so geht es uns doch auch. Was nimmt das alles für Ausmaße an? Reicht das Geld in Zukunft? Alles wird doch immer teurer. Und der Krieg! Kommt der vielleicht irgendwann einmal zu uns? Dieses Ausmaß der Veränderung kann einem schon Angst machen. Andere haben Angst vor Einwanderung. Wieder andere möchten am Liebsten die Zeit zu den 90ern zurückdrehen. Da war alles irgendwie noch einfacher, zumindest in unserer Erinnerung.
Und dazu scheinen diese Veränderungen rattenschnell vonstatten zu gehen.
Umgang mit der Gefahr
Abram sieht Gefahren und trifft eine Entscheidung:
Für mich persönlich hört sich das nicht richtig an. Es ist auch ein bisschen feige, wenn man ehrlich ist und ich glaube, er hat es nicht bis zum Ende durchdacht.
Aber er war noch nie in so einer Lage und es ist eine sehr komplizierte Situation.
Er braucht Essen, für seine Leute und für sich. Aber er hat Angst. Die Ägypter waren anscheinend in einer Position, wo sie machen konnten, was sie wollten. Ob seine Angst begründet war oder es sich nur um Vorurteile gegenüber den Ägyptern handelte, wissen wir nicht. Laut Bibel war Abram vorher noch nie in Ägypten und nun muss er sich mit einen ihm fremden Kulturkreis befassen und wie soll er sich verhalten?
Wenn es komplex wird, helfen natürlich Vorurteile, weil sie zu einfachen Lösungen führen.
Das geht uns ja oft genug auch so. Wird es zu kompliziert, dann suchen wir nach einfachen Erklärungen.
Wie geht es nun weiter?
Ja, vor über viertausend Jahren war es mit der Gleichberechtigung noch nicht so weit her. Aber in seiner, nach heutigen Maßstäben natürlich etwas gestörten, Perspektive, von wegen Harem uns so, verhielt sich der Pharao fair. Er gibt Abram für seine vermeintliche Schwester viele wertvolle Geschenke.
Diese Situation ist jetzt richtig komplex, aber trotz dieser absurden Entscheidung in einer überfordernden Situation greift Gott ein. Und da ist Gott damals wie heute derselbe.
Interessant ist, das nirgendwo steht, dass er die Geschenke zurückgeben musste und im nächsten Kapitel beschrieben ist, dass Abram sehr reich war.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob die ursprüngliche Befürchtung von Abram begründet war. Hätte der Pharao ihn wirklich ermorden lassen, wenn er nicht gelogen hätte? Auf mich wirkt dieser Pharao nicht so, aber man weiß es natürlich nicht.
Gott hat Abram nicht im Stich gelassen, obwohl seine Entscheidung sicherlich fragwürdig war.
In Johannes 16, 33; NL sagt Jesus Christus:
In anderen Übersetzungen steht „habt ihr Angst“, „werdet bedrängt“, „wird man Druck auf Euch ausüben“, usw. Aber Jesus hat die Welt überwunden.
Und wie bei Abram gilt das nicht nur, wenn man alles richtig macht, sondern auch, wenn man unter Druck suboptimale oder gar falsche Entscheidungen trifft. In Jesus Christus können wir Frieden haben.
Die Trennung
Im nächsten Kapitel hat Abram ein Luxusproblem. Er und sein Neffe haben so viel Nutztiere, dass sie nicht mehr zusammenbleiben können. Es gab schlicht nicht genug Platz für die Herden von beiden. Die Elberfelder Bibel übersetzt das so schön (1. Mose 13, 6; ELB):
So ein Problem hätte ich manchmal auch gerne ;-)
Das führt aber zu einer Trennung von seinem Neffen, was sicherlich nicht so toll war. Abram ist dabei aber sehr gelassen, so dass er Lot die Entscheidung überlässt. Das finde ich sehr anständig.
Interessant ist dabei die Entscheidungsfindung von Lot (1. Mose 13, 10-13; NL):
Hier haben wir so ein bisschen die oben genannte Mehrdeutigkeit (Ambiguity) über dieses Land, dass sich Lot auswählt. „Wie der Garten des Herrn“, das ist ja 'mal ein Attribut. Da kann man verstehen, dass sich Lot dieses Land auswählt.
Er hat die Wahl und er muss ja nicht nur für sich selbst entscheiden und sondern für seinen ganzen Hausstand. Und „wie der Garten des HERRN“ ist dabei sicherlich sehr verlockend.
Andererseits waren die Bewohner Sodoms sehr böse und sündigten schwer gegen Gott. Hätte er lieber Abstand halten sollen? Andererseits, er muss ja gar nicht in der Stadt wohnen, er kann ja weiter in Zelten sein Leben führen.
Wir wissen, dass Lot nacher nach Sodom gezogen ist und dort ein Haus hatte. Das wird in 1. Mose 14 so ein bisschen nebenbei erwähnt, als ein Krieg zwischen diversen Königen in der Gegend beschrieben wird (1. Mose 14, 11.12; NL):
Ich vermute, dass Lot seine Herden zu Geld gemacht hat und sich so ein gutes Leben mit einem schönen Haus in der Stadt leistete, denn nur so kann ich es mir erklären, dass die fremden Soldaten seinen gesamten Besitz erbeuteten.
Viehherden hätten die fremden Soldaten wohl kaum komplett mitgenommen. Ich gebe zu, es ist ein bisschen Kombination und Spekulation, aber es scheint mir doch sehr wahrscheinlich.
Da fragt man sich doch, inwieweit die Entscheidung für das Land, das wie der Garten des Herrn war, sinnvoll ist.
Wir wissen ja, dass nachher in 1. Mose 19 Sodom zerstört wurde. Lot wurde mit seiner Frau und seinen Töchtern noch gerettet, wobei Lots Frau die Flucht nicht überlebt hat. Und sein ganzer Besitz war auch futsch, was übrigens dafür spricht, dass er keine riesigen Herden mehr auf dem Land vor der Stadt hatte.
Im Rückblick kann man als Bibelleser leicht Lots Entscheidung für das Jordantal bei Sodom und Gomorra negativ beurteilen. Im Rückblick kann man Entscheidungen übrigens immer leicht beurteilen.
Er hatte viel Vieh, einen großen Hausstand und das Land war wie der Garten des Herrn. Das war für ihn die wichtige Information. Ob die Leute in Sodom böse waren, hat ihn anscheinend nicht interessiert. Dann stellte er später wohl fest, dass er lieber in der Stadt wohnen will, was die erste Information unwichtig macht und die zweite Information, die er erst anscheinend nicht ernstgenommen hatte, ihm das Leben sehr schwer machte.
Mir fällt es auch schwer, Lot hier irgendwelche falschen Motive zu unterstellen. Man neigt ja manchmal dazu, jemanden, dessen Leben irgendwie scheitert, solche falschen Motive zuzuschreiben. „Der hatte doch von Anfang ein ganz falsches Mindset.“
Aber wenn Du mittendrin bist, musst Du Entscheidungen treffen und die können sich im nachhinein als ungünstig herausstellen.
Der Weg
In Johannes 14, 2-6; NL benutzt Jesus Christus das Bild vom Weg:
Wir müssen wissen, wo wir grundsätzlich hinwollen, das ist dieser Blick für die Ewigkeit, den wir nie verlieren dürfen.
Der Begriff „Weg“ hat im griechischen eine ähnliche Doppeldeutigkeit wie im Deutschen, nämlich einerseits den pyhsischen Weg zum Begehen und Befahren und den Weg im übertragenen Sinne, auf dem man z.B. mit seinem Leben unterwegs ist.
Der christliche Glaube wird in der Apostelgeschichte (z.B. Apostelgeschichte 9, 2) häufig als „Weg“ bezeichnet. Wir sind durch und mit Jesus Christus auf dem richtigen, ewigen Weg zum Haus seines Vaters. Und wir sind hier auf Erden auch mit ihm unterwegs, in einer Welt mit ungewissen, sich schnell ändernden und komplizierten Begebenheiten.
Und dafür haben wir die Bibel als Hilfe und Wegweisung (Psalm 119, 105; NL):
Zusammenfassung
Ich fasse zusammen:
- Volatility (Volatilität): Abram wurde von einer Hungersnot in einem so großen Ausmaß überrascht, dass er keinen anderen Weg sah, als wieder alles hinter sich zu lassen. Auch wir erleben Krisen und Veränderungen in einem Ausmaß, was uns oft überfordert: Klimawandel, Krieg, Inflation, die rasante technische Entwicklung, und noch mehr
- Uncertainty (Ungewissheit): Abram musste seine vertraute Welt verlassen und ins Ungewisse ziehen. Wir wissen auch nicht, was auf uns zu kommt, aber so wie Abram an den neuen Orten Gott angebetet und ausgerufen hat, können wir das auch tun.
- Complexity (Komplexität): Abram hatte Angst und hat in einer komplexen Situation in einer ihm fremden Gesellschaft eine fragwürdige Entscheidung getroffen. Trotzdem hat sich Gott zu ihm gestellt und ihn aus der Situation gerettet. Gott ist heute derselbe wie damals und wir können auch auf ihn vertrauen, wenn ihr Entscheidungen treffen müssen.
- Ambiguity (Mehrdeutigkeit): Es gab für Lot verschiedene Informationen und Perspektiven auf das Land bei Sodom und er hat diese Informationen für sich falsch interpretiert und die falsche Entscheidung getroffen. Aber das kann man erst im nachhinein beurteilen. Gott rettete ihn trotzdem.
- Wir sind auf dem Weg: Mit Jesus auf den Weg in die Wohnungen, die Gott für uns vorbereitet und hier auf Erden auch, auch wenn wir hier nicht immer sehen, wo es hingeht. Aber mit der Bibel als Leuchte für unsere nächsten Schritte kann es funktionieren.