Das vermessene Ich

Das vermessene Ich? Predigt auf dem Stadtfestgottesdienst

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Einleitung

Ich möchte mich kurz vorstellen: Ich heiße Peter Schütt, bin 51 Jahre alt, verheiratet, und wir haben vier Kinder und ich arbeite als Informatiker in der Software-Entwicklung. Seit 1973 besuche ich das Stadtfest fast ohne Unterbrechungen, anfangs als Kindertrödler, Trödelkäufer und im Zusammenhang mit unserem Gemeindestand. Ich bin also quasi ein Stadtfest-Urgestein und es macht mir immer noch Spaß, hier zu sein.

Ich habe es schon gesagt, ich arbeite in der IT und eine Computerfachzeitschrift hat mich zu dem heutigen Thema inspiriert.

(Ausgedrucktes Titelbild in DinA1 zeigen)

Alles vermessen

„Das vermessene Ich“: Blutdruck, Bewegung, Erbgut, Schlafqualität, Sexfrequenz

Das sind natürlich sehr plakative Überschriften, aber solche Selbstvermessungen sind nicht mehr selten

Die Analyse des eigenen Erbguts ist auch schon möglich, aber das ist dann doch noch ein Sonderfall.

Aber die Messungen, die in den anderen Überschriften aufgeführt sind und die Messgeräte dafür sind doch schon sehr weit verbreitet: Trainingsarmbänder, Schrittzähler, usw.

Es gibt sogar eine Bewegung mit dem Namen „Quantified Self“, die Menschen dabei behilflich sein möchte, sich vollständig selbst zu vermessen und zu tracken. Das sind Gesundheitsdaten, das können aber auch Daten aus dem alltäglichen Leben sein, z.B. wieviel Mails man verschickt hat oder wie oft man auf Facebook seinen Status ändert.

Früher musste man solche Daten mühsam händisch notieren oder vielleicht per Tabellenkalkulation erfassen, aber inzwischen gibt es immer mehr Geräte und Apps, die das automatisieren.

Was hat man früher regelmäßig gemessen? Der Klassiker, das Gewicht. Jeden Morgen ist man kurz auf die Waage gestiegen und wenn man wollte, hat man sich die Werte aufgeschrieben, um zu verfolgen, wie erfolgreich die neue Diät ist.

Heutzutage hat man ein Trainingsarmband oder Fitness-Tracker, wie sie auch genannt werden, das die Herzfrequenz, Blutdruck, die zurückgelegten Schritte, den Kalorienverbrauch misst und den Schlaf analysiert. Wenn man morgens auf die Waage steigt, dann übermittelt die Waage das Gewicht und den Körperfettanteil per Bluetooth an das Smartphone.

Viele finden das gruselig und albern. Im Sketch ist der Begriff „Nabelschau“ gefallen, quasi ein Hobby für Egomanen.

Ich persönlich stehe dieser Datensammlung, es gibt da auch den englischen Begriff „Self-Tracking“, gar nicht so negativ gegenüber.

Es wird an vielen Stellen Daten gesammelt, auch Ihre Daten. Warum funktioniert z.B. Google-Maps so gut? Weil Google die Ortsdaten aller Android-Geräte (dort, wo das nicht abgeschaltet ist), sammelt und anhand der Bewegung die Verkehrslage berechnet und das funktioniert ziemlich gut.

Manche lassen sich von Ihrer Kfz-Versicherung sogar ein Messgerät für das Auto geben, welches den Fahrstil automatisch übermittelt, und bekommen dafür günstigere Beiträge, wenn sie denn ordentlich fahren.

Bei den Trainingsarmbändern gibt es dass vereinzelt auch schon. Die Krankenkasse oder Krankenversicherung zahlt einen Zuschuss zu so einem Fitness-Tracker und bekommt einen Nachlass auf seine Beiträge, wenn die Versicherung aus den Daten entnehmen kann, dass man sich bewegt oder dass die Werte im grünen Bereich sind.

Oder es gibt, wie auch im Sketch schon erwähnt, Portale, wohin diese Gesundheitsdaten automatisch hin hochgeladen werden und man kann dort Auswertungen sehen und auch an Wettbewerben teilnehmen. Vielleicht bekommt man dabei auch Motivation, sich zu bewegen und sich gesund zu verhalten.

Das ist doch gut, oder? Bei mir persönlich hört es an dieser Stelle auf, weil ich nicht weiß, wo die Daten letztendlich landen. Wenn so ein Portal pleite geht und die Daten in der Insolvenzmasse landen, was passiert dann damit? Vielleicht kauft sie ein Versicherungskonzern und erhöht dann Ihre Beiträge, weil Ihre Gesundheitsdaten doch nicht so optimal waren. So einen Erhöhungsgrund würden Sie ja nie erfahren.

Aber ich möchte nun gerne diesen gesellschaftlichen Blick verlassen und auf uns persönlich gucken. Was macht das mit einem Menschen, wenn er sich so selbst vermisst? Ich weiß, manch einer hat jetzt das Wort „Spinnerei“ blinkend vor Augen, aber bleiben Sie bitte mit Ihrer Aufmerksamkeit noch etwas bei uns und lassen Sie uns ein Bisschen darüber nachdenken.

Es scheint mir einen positiven Blick auf dieses „Self-Tracking“, auf dieses Selber-Vermessen, zu geben und einen negativen.

Der positive Blick

Beginnen wir mit dem positiven Blick. Ich finde es einfach vernünftig, über sich Bescheid zu wissen. In der Bibel, und wir sind ja hier in einem Gottesdienst, steht ganz allgemein in Prediger 2, 13.14a; NL
13 Ich stellte fest, dass Weisheit wertvoller ist als Dummheit, genauso wie Licht besser ist als Dunkelheit. 14 Denn der Weise hat Augen im Kopf und kann sehen, der Dummkopf dagegen ist blind und tappt im Dunkeln umher.

Zu erkennen und zu sehen ist natürlich besser, als im Dunkeln umherzulaufen. Wenn ich durch meine Selbstvermessung bemerke, dass ich zu dick bin und meinen Lebensstil ändere, dann ist das ja nicht schlecht. Eine Zeitlang hatte ich einen simplen Schrittzähler, den habe ich dann leider verloren, und auf diese Art und Weise konnte ich abends immer sehen, wieviel Schritte ich am Tag zurückgelegt hatte. Und das hat mich motiviert, mehr zu gehen, und das ist sicherlich positiv. Ich konnte faule wie fleißige Tag klar an den Schrittzahlen erkennen.

Dafür brauche ich natürlich nicht diese detaillierte Vermesserei, aber ein gewisser Wunsch nach Licht über uns selbst wäre schon sinnvoll. Es gibt ja diese Bedenken, zum Arzt gehen, weil man dann Angst hat, dass er etwas Schlimmes findet. Das ist natürlich absurd. Wenn etwas Schlimmes da ist, dann ist das ja nicht weg, wenn man nichts davon weiß.

Das scheint eher ein männliches Problem sein: Ein Kabarettist hat einmal gesagt: Frauen gehen zum Arzt, und Männer warten, bis der Arzt kommt.

Aber zusammengefasst: Es ist grundsätzlich gut, über seine Gesundheit, seinen Körper und über sein Leben Bescheid zu wissen.

Der negative Blick

Man kann diese ganze Vermesserei aber auch negativ sehen. Dazu habe ich auch einen Bibelvers, aber dieser Bibelvers handelt von schlechten Menschen. Davon ist in der Bibel hier und da die Rede, und die Herausforderung ist, so zu leben, dass man möglichst wenig mit den Verhaltensweisen dieser schlechten Menschen gemeinsam hat.

Ich lese nun aus Philipper 3, 19; NL:

Sie enden im Verderben; ihr Gott ist ihr Bauch; sie sind stolz auf Dinge, für die sie sich schämen müssten, und denken an nichts anderes als an das Leben hier auf der Erde.

„Ihr Gott ist ihr Bauch“, das beschreibt so ein bißchen, wenn man das mit dieser Selbstvermessung, Selbstbespiegelung und Ego-Nabelschau auf die Spitze treibt. Nur die eigene Gesundheit und die eigenen Werte sind noch wichtig. Man kann sich schon vorstellen, dass eine übertriebene Beschäftigung mit sich selbst in so eine Egomanie führen kann.

Wenn Sie also Self-Tracking betreiben, dann achten Sie darauf, dass die erfassten Daten Ihnen dienen und nicht, umgekehrt, Ihr Leben nur noch dazu dient, solche Daten zu erfassen.

Der Blick auf die Seele

In der Bibel gibt es auch den Wunsch, über sich selbst Bescheid zu wissen. So ein richtiges Self-Tracking ist es nicht, aber es geht in die Richtung (Psalm 139, 23.24; NL):

23 Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken. 24 Zeige mir, wenn ich auf falschen Wegen gehe und führe mich den Weg zum ewigen Leben.

Es geht hier natürlich nicht um Körperdaten, sondern es geht ums Denken, um Entscheidungen und ums Verhalten. Hier kommt man mit Self-Tracking natürlich an seine Grenzen, weil man sein Denken, seine Entscheidungen und sein Verhalten nicht messen kann.

Was ist denn wichtiger? Wie schwer ich bin oder wie oft ich meine Frau verletzt habe? Haben Sie sich diese Frage schon einmal gestellt?

Mein Gewicht kann ich messen und ich kann versuchen, durch Bewegung, weniger Chips, usw etwas daran zu ändern.

Aber wie gehe ich mit Beziehungsfragen um? Zähle ich die Komplimente, die ich mache, oder pflege ich eine Wie-oft-habe-ich-„Ich liebe Dich“-gesagt-Strichliste?

Interessiert mich das überhaupt? Oder interessiert mich nur, wie andere mich verletzen, wo ich zu kurz komme? Bin ich ein Ich-bin-halt-so-Mensch und mir ist es egal, was andere mit mir erleiden müssen?

Ich persönlich bin leider kein gutes Vorbild, was Fitness angeht. Ich laufe zwar mehr herum als früher, aber ich bin immer noch viel zu schwer. Ich habe mir sogar eine 10er Karte für ein Fitnessstudio gekauft, aber so lange sie zu Hause an der Pinwand hängt, wirkt sie nicht so.

Aber ich möchte mein Herz, mein Verhalten, doch schon reflektieren, um festzustellen, ob ich andere verletze und wie sich meine Entscheidungen auswirken, die man ja oft auch auf andere Auswirkungen haben. Kann ich meine Fehler eingestehen, kann ich um Hilfe bitten, oder bin ich dafür zu stolz? Kann sich mein Leben positiv ändern? Kann ich dazu lernen, und zwar nicht nur Wissen und Fähigkeiten, sondern auch in Bezug auf mein Verhalten und meine Gedanken?

Und wo bekomme ich Maßstäbe und Hilfen dafür?

Wir sind eine christliche Kirche und wir glauben an Jesus Christus und der hat gesagt (Johannes 8, 12; NL):

»Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, braucht nicht im Dunkeln umherzuirren, denn er wird das Licht haben, das zum Leben führt.«

Und das kann ich auch persönlich bezeugen. Wir finden bei Jesus diese Maßstäbe und Hilfen. Er ist ein Vorbild und wer sich an Jesus wendet, der bekommt auch Hilfe und Einsichten auf seinem persönlichen Weg, auch wenn man natürlich immer mal wieder an eigene Grenzen stößt. Aber man ist mit Jesus unterwegs.

Und wenn Sie ein Trainingsarmband oder etwas ähnlich haben - vielleicht hole ich mir auch noch eines, wenn ich eines finde, wo ich meine Daten nirgendwo hochladen muss - und Sie schauen sich Ihre Schritte, Pulsfrequenz oder ähnliches an: Vielleicht erinnern Sie sich dann auch an die beiden Bibelverse von vorhin und machen Sie sie doch zu Ihrem Gebet:

23 Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken. 24 Zeige mir, wenn ich auf falschen Wegen gehe und führe mich den Weg zum ewigen Leben.

Und auch, wenn dieses Self-Tracking überhaupt nicht ihr Dinge, sind Sie natürlich genauso eingeladen, dieses alte Gebet zu Ihrem eigenen zu machen.