Hebräer 10, 19-31; ELB
Einleitung
Mir geht es von diesem Text eigentlich nur um die Verse 23-25, aber ich möchte kurz ein paar Sätze zu dem Zusammenhang sagen, da dieser Text eher schwierig ist.
Gerade der Vers 26 knallt ja richtig rein. Auf den ersten Blick heißt es doch, wenn ich mit Absicht sündige – das heißt doch „mutwillig, oder? –, dann bin ich verloren. Das kann aber irgendwie nicht sein, denn dann wären wir alle verloren. Wer von denen hier Anwesenden, die zu Jesus gehören, haben seit ihrer Bekehrung noch nie absichtlich gesündigt, so richtig mit Vorsatz? Wer möchte sich melden? Das ist natürlich eine fiese Frage, so wie ich sie formuliere.
Aber machen wir uns doch nichts vor. Wir alle brauchen immer noch Umkehr und Vergebung und manchmal werden wir so sehr verführt, daß wir auch absichtlich etwas verkehrt machen und nicht nur unabsichtlich. Ich verstoße ja meine Kinder auch nicht, wenn sie absichtlich etwas verkehrt machen. Und das machen sie oft genug. Der eine baut ein kompliziertes Lego-Raumschiff und der andere kommt und tritt davor, weil es so schön ist, daß die ganzen Lego-Männchen durch die Gegend fliegen. So ein Verhalten würde ich schon absichtlich oder mutwillig nennen.
Ich bin doch nicht nur dann zum Verzeihen bereit, wenn meinen Kindern unabsichtlich ein Glas herunterfällt, ich bin doch auch dann zum Verzeihen bereit, wenn mein Kind etwas mit Absicht kaputtmacht. Natürlich versuche ich ihm durch geeignete Maßnahmen beizubringen, daß es das in Zukunft nicht mehr tut. Und genauso wird Gott unseren absichtlichen Sünden mit erzieherischen Maßnahmen begegnen, um unser Verhalten zu ändern.
Aber wie ist dieser Text nun zu verstehen?
Der Hebräerbrief ist in erster Linie – wie der Name schon sagt – an Hebräer, an Juden, adressiert. Schauen wir uns die ersten drei Verse an:
Mit „Brüder“ können Christen gemeint sein, aber auch Juden, da der Verfasser wahrscheinlich selber Jude war. Diese Verse gelten unverändert genauso für Judenchristen wie für andere Juden. Diese haben halt noch nicht die Herzen besprengt (neues Herz) und müssen das noch machen, bevor sie in das Heiligtum (Gemeinschaft mit Gott durch Jesus Christus) treten können. Für diese Juden steckt im V. 22 noch die Aufforderung zur Bekehrung.
Kommen wir nun zum „mutwilligen“ Sündigen.
V.29:
Für wen ist denn Jesus in erster Linie gekommen? Für die Juden. Und das Blut des Bundes, das Jesus vergossen hat, hat er für diese Juden vergossen. Für uns auch, aber in erster Linie für die Juden. Und wenn ein Jude diesen Sohn Gottes, Jesus Christus, ablehnt, was für Möglichkeiten bleiben ihm da noch, gerettet zu werden?
V. 26:
Wenn man Jesus mutwillig ablehnt, dann gibt es keine Möglichkeit zur Rettung.
Ich habe nun etwas gemacht, was man eigentlich nicht macht, nämlich einen schwierigen Text mit ein paar Sätzen zack-zack abzuhandeln. Selbstverständlich müßte man hier noch mehr drüber nachdenken, aber das würde uns vom Thema wegführen.
Ich möchte nun die Verse 23-25 hier herauslösen und nacheinander mit Euch betrachten:
Verbindlichkeit Jesus gebenüber
Warum soll man
bei Jesus bleiben? Warum ist man nicht „flexibler“? Man hat eine
Zeitlang eine „christliche“ Phase und dann macht man wieder etwas
anderes. Viele scheinen ja so zu leben. Man geht eine Zeitlang in
eine Gemeinde und findet das mit Jesus auch gut und dann kommt man
nicht mehr und denkt auch nicht mehr so an Jesus.
Und ich möchte in diesem folgenden Abschnitt auch nur solche
betrachten, die sich ganz von Jesus abgewandt und nicht nur die
Gemeinde gewechselt haben.
Es gibt zu diesem Thema ja einige kernige Sprüche wie: „Sei ganz Sein, oder laß es ganz sein.“ oder: „Ein halber Christ ist ein ganzer Unsinn.“
Im Prinzip sind solche Aussagen ja richtig. Da steckt die Aussage von Jesus aus Lukas 14, 28 dahinter, wo darauf hingewiesen wird, das man vorher die Kosten überschlagen soll, bevor man Jesus nachfolgt. Man kann ja schon Spott dafür ernten, wenn man mit Jesus beginnt, und dann doch nach kürzerer Zeit wieder abspringt.
Aber wie bekommt man es hin, dran zu bleiben, bei Jesus zu bleiben?
Ich habe mich oft gefragt, wieso ich heute noch zu Jesus gehöre und so viele andere nicht. Ich bin sicherlich nicht besser wie die anderen. Nach vielem Überlegen bin ich zu dem Schluß gekommen, daß es einfach nur Gottes Gnade ist, daß ich heute noch immer zu ihm gehören darf. Und in dem Vers steht ja auch, daß er treu ist und das habe ich erlebt.
Tja, wenn er treu ist, wo sind dann all die vielen, die sich wieder abgewandt haben?
Ich glaube, daß man die Antwort auf diese Frage nur mit einem Paradoxon formulieren kann: Die, die von Jesus weggegangen sind, sind daran selbst schuld. Die, die bei Jesus bleiben, können das aber nicht als ihre Leistung ansehen, daß sie bei Jesus geblieben sind.
Menschlich gesehen würde man sagen: OK, man kann sich entscheiden, ob man bei Jesus bleiben will oder nicht. Aus menschlicher Sicht ist das auch richtig. Aber in Echt ist es doch so, daß wir nur dabei bleiben, weil Jesus es uns schenkt. Er ist der Herr über unser Leben und sorgt dafür, daß wir im Himmel ankommen.
Mit vielen Worten habe ich nun versucht zu erklären, daß ich keine richtige Antwort darauf habe, warum so viele Jesus wieder verlassen.
Vielleicht gehörten sie nie richtig dazu.
Vielleicht war es wie im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld (Matthäus 13, 3): Das Herz war noch nicht neu, sondern steinig, so daß Gottes Wort keine Wurzeln schlagen konnte. Oder sie waren nie wirklich bereit, ihr ganzes Leben Jesus zu geben, so daß sie die Sorgen behalten haben und deswegen konnten sie nie wirklich zu einem Jesus mit Leben durchbrechen und sind irgendwann wieder weg.
Vielleicht haben sie auch nie wirklich verstanden, was es heißt, ins Heiligtum in die direkte Gemeinschaft mit Gott gehen zu dürfen. Vielleicht haben sie nie erlebt, wie das eigene Herz vom bösen Gewissen gereinigt wurde.
Das Problem ist übrigens nicht neu. In 2. Timotheus 4,10; schreibt Paulus:
Andere übersetzen „Welt“ hier mit „diesen Zeitlauf“. Ihm gefiel das Leben mit Jesus anscheinend nicht mehr und deshalb lebte er jetzt wohl lieber so wie vorher.
Das erinnerte mich an den Science-Fiction-Film „Matrix“, erster Teil. Für die, die diesem Film nicht kennen: Der handelt davon, daß Maschinen die Menschen in kleinen Zellen als Energiequelle halten, ihnen aber vorgaukeln, sie würden in einer normalen Welt leben. Die Menschen sind voll verkabelt und alle Sinneseindrücke, die so ein Mensch zu haben glaubt, sind in Wirklichkeit von den Maschinen eingegeben. Das heißt, daß alle Genüsse wie z.B. gutes Essen und sonstiges nur von den Maschinen vorgegaukelt sind. Die Menschen, die diesem System – Matrix genannt – entkommen sind, leben zwar in der wahren Welt, müssen aber immer auf der Flucht vor den Maschinen sein, in Entbehrung leben und müssen daher auch den Genüssen der Matrix entsagen.
Einer erträgt das nicht mehr und will wieder in die Matrix hinein. Er will wieder voll verkabelt werden, die von den Maschinen vorgegaukelten Genüsse wieder genießen und die Wahrheit vergessen.
Vielleicht ging es diesem Demas so ähnlich. Zur Zeit von Paulus bedeutete Glauben häufig auch Verfolgung, Flucht und Anfeindungen. Vielleicht wollte Demas das nicht mehr. Er wollte wohl lieber normal unter normalen Menschen leben und das mit Jesus, die Wahrheit, vergessen. Das scheint auch häufig bequemer und einfacher.
Ich kann hier noch endlos weiterspekulieren, warum Menschen sich von Jesus abwenden; ich werde sicherlich keine entgültige Antwort finden.
Aber ich weiß
aus eigenem Erleben, daß sich das Leben mit Jesus lohnt. Und man
kann die Gemeinschaft mit ihm wirklich erleben.
Man darf auch nicht vergessen: Wenn Jesus wirklich der Weg, die
Wahrheit und das Leben ist, wie es in der Bibel steht, dann ist das
Leben ohne Jesus nicht alles, sondern in Jesus gibt es noch viel
mehr.
Für mich
persönlich erscheint es mir undenkbar, Jesus wieder zu
verlassen.
Kommen wir zum
nächsten Punkt:
Verbindlichkeit zueinander
Hier ist beschrieben, wie unser Gemeindeleben aussehen soll.
- aufeinander achthaben
- uns zur Liebe und zu guten Werken motivieren
- unser Zusammenkommen nicht versäumen
- einander ermuntern
Die zentrale
Aussage ist hierbei, daß wir unser Zusammenkommen nicht versäumen
sollen.
Klar, wenn wir nicht zusammen sind, können wir nicht aufeinander
achthaben und uns ermuntern. Über Telefon oder Internet kann das
nicht wirklich funktionieren.
Doch wie sieht das aus: „aufeinander achthaben“?
Auf manch einen wirkt so ein Begriff vielleicht eher negativ, im Sinne von überwachen. Es gibt auch in 1. Petrus 4, 15 eine Aufzählung, was Christen alles nicht tun sollen und als letzter Punkt wird gesagt, daß ein Christ sich nicht in fremde Sachen einmischen soll. Das scheint ja dieses „aufeinander achthaben“ zu beinhalten, oder?
Dieser scheinbaren Widerspruch löst sich so auf, daß man auf die Acht hat, die einem nicht fremd sind und damit sind es keine fremden Sachen mehr.
Auch die Aussagen „zur Liebe und zu guten Werken motivieren“ und „einander ermuntern“ passen nur zu Leuten, die einander nicht fremd sind. Man muß befreundet sein, um diese Dinge zu leben. Man lebt es sich gegenseitig vor, man lernt voneinander, man hilft einander.
Und Freundschaft basiert natürlich auf Gemeinschaft. Ich will jetzt nicht so pauschal sagen, wir müßten mehr Zeit miteinander verbringen. Das ist eine individuelle Sache, wann man sich wie mit wem trifft. Es kann natürlich auch nicht jeder in der Gemeinde mit jedem befreundet sein. Gerade in größeren Gemeinden geht das nicht. Deshalb hatten wir uns ja auch für das Zellgruppenprinzip (Hauskreise) entschieden, damit für jeden ein überschaubares Umfeld vorhanden ist. Und dort soll das gegenseitige Vorleben und Ermuntern praktiziert werden.
Aber auch der Gottesdienst spielt eine zentrale Rolle. Dort wird zentrale Lehre für die ganze Gemeinde vermittelt und gemeinsam Gott erlebt. Auch das gesamtgemeindliche Gemeinschaftsergebnis ist wichtig: Einmal die Woche sollten wir hier alle zusammen sein.
Doch wie verbindlich sind wir gegebenüber unserem Hauskreis und unserer Gemeinde?
Wir leben ja in einer Event-getriebenen Gesellschaft. Nicht mehr die regelmäßige Gruppe ist gefragt, sondern das besondere Ereignis, das Event und vielleicht noch das Projekt, mit dem zeitlich begrenzt auf das Event hingearbeitet wird.
Man fragt heutzutage immer mehr: Wenn ich irgendwo hingehe, was bringt mir das? Man hat eine persönliche Rangfolge von Veranstaltungen und Events und regelmäßige Veranstaltungen wie Gottesdienst, Hauskreis sind halt nichts besonderes und stehen daher eher weiter unten auf der Rangliste. Hauskreis und Gottesdienst sind ja immer wieder, da kann man ja auch mal fehlen.
Sicherlich ist es nicht richtig, hier ein Gesetz aufzustellen. Der Besuch ist ja keine „christliche Pflicht“. Natürlich fehlt man, wenn man im Urlaub ist oder wenn man zu besonderen Festen irgendwo eingeladen ist. Und es natürlich auch keine Sünde, sich mal eine andere Gemeinde anzuschauen.
Aber, wie ist unsere grundsätzliche Haltung, wenn wir in den Gottesdienst oder in den Hauskreis kommen?
Dieser alte Politiker-Spruch von – ich glaube, es war Georg Washington – „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern frage dich, was du für dein Land tun kannst“ trifft das Problem nicht so ganz. Es geht nicht um irgendeinen abstrakten Dienst für die Gesamtgemeinde, sondern es geht um die anderen Menschen hier.
Allein mit der Einstellung „Gebt mir“ hierhin zu kommen, ist falsch. Denn dann muß man zwangsläufig irgendwann sich eine andere Gemeinde suchen. Da ist es vielleicht noch toller, die Lobpreismusiker spielen noch besser ;-) und da kann man noch mehr bekommen. Dazu kommt dann immer wieder der Reiz des Neuen.
Diese Einstellung bringt verschiedenen Typen von Christen hervor:
Das sind zum einen die
Auto-Christen.
Sie fahren jeden Sonntag 1 Stunde oder mehr auf der Autobahn, um zu
der Gemeinde zu kommen, die ihnen paßt. Dann gibt es da vielleicht
noch einen Hauskreis, zu dem man dann auch einmal die Woche die
selbe Strecke abreißen muß. Extreme Varianten dieser Christen sind
die Fernfahrer-Christen, denen kein Weg zu weit ist.
Allerdings sind meistens solche Leute dieser fernen Gemeinde schon
irgendwie treu und legen daher auch eine gewisse Verbindlichkeit an
den Tag.
Als nächstes gibt es die
U-Boot-Christen.
Die fahren anscheinend überhaupt nicht so gerne mit dem Auto und
kommen daher nur hin- und wieder zu besonderen Veranstaltungen in
die Gemeinde. Hierbei sind natürlich nicht die gemeint, die aus
gesundheitlichen oder sonstigen trifftigen Gründen nicht regelmäßig
kommen können.
Diese U-Boot-Christen sind ihrer Gemeinde insoweit treu, daß sie
meistens nirgendwo hingehen, und wenn, dann halt in ihre
Gemeinde.
Weiterhin gibt es die
Fernseh-Christen.
Die schauen sich alles an, konsumieren und kritisieren manchmal
oder oft. Und darauf beschränkt sich ihr Gemeindeleben und ihr
Christsein. Mehr fällt mir zu denen nicht
ein.
Dann gibt es die
Saison- oder Heuschrecken-Christen.
Die befinden sich auf der Wanderschaft und bleiben eine gewisse
Zeit in einer Gemeinde, bringen sich da manchmal auch ein, um dann
weiter zur nächsten Gemeinde zu ziehen. Meistens sind es Leute, die
gravierende Probleme haben und überall Hilfe suchen. Da sie aber
die Hilfe bei Menschen suchen, finden sie keine wirkliche Hilfe und
sind von den Menschen irgendwann enttäuscht. Dann ziehen sie
weiter, zur nächsten Gemeinde.
Dann gibt es noch die
Schmetterlings-Christen.
Das sind Leute, die in erster Linie Event-getrieben handeln.
Nominell sind sie Mitglied irgendwo, sind aber fast immer woanders.
Die Schmetterlings-Christen sind eine Weiterentwicklung der
Fernseh-Christen: Nur gucken, wo es was interessantes gibt.
Für Jugendliche und junge Erwachsene ist so ein Verhalten fast
normal, weil man in dem Alter besonders viel erleben will. Das ist
dann nicht schlimm, wenn man dann bei aller Reiserei in der eigenen
Gemeinde verbindlich verwurzelt ist.
Na, habt ihr euch
wiedererkannt? ;-)
Ich gebe zu, daß diese Klassifizierungen sehr vereinfachen und auf
den Einzelfall bezogen unfair sein können.
Aber wie ist es richtig? Wie lebt man als Christ verbindlich in richtiger Weise der Gemeinde gegenüber?
Kommen wir noch einmal zu unseren Versen zurück:
Der zentrale Punkt scheint hier das Zusammenkommen zu sein. Es ist wirklich elementar, zum Gottesdienst verbindlich zu kommen. Setzen wir den Gottesdienst auf unserer persönlichen Rangfolge doch möglichst weit nach oben. Dort könnt ihr dann mit euren Freunden in der Gemeinde sprechen, man kann über die Predigt reflektieren, man bekommt mit, was andere so in der Woche erlebt haben und kann – wenn Bedarf ist – seine Hilfe anbieten und auch Hilfe empfangen. Natürlich muß jeder dazu bereit sein, das Gegenseitige ist hier wichtig.
Wenn es übrigens
Kritikpunkte an der Gottesdienstgestaltung gibt, dann kann man
darübersprechen und wir sind da auch im Leitungskreis an diesem
Thema dran.
Aber die – ich überzeichne jetzt etwas – Egotrip-Einstellung, der
Gottesdienst bringt mir nichts, ich geh woanders hin, halte ich für
falsch.
Des weiteren ist es wichtig, daß wir einen kleineren Rahmen haben, in dem wir uns treffen. Jedes Gemeindemitglied sollte zu einem Hauskreis/Zellgruppe verbindlich gehören. Und dort kann man in besonderer Weise
- aufeinander achthaben
- sich gegenseitig zur Liebe und zu guten Werken motivieren
- einander ermuntern
Verbindlicher Christ und verbindliches Gemeindemitglied zu sein, das gehört zusammen und das sollte unser Ziel sein.
AMEN