Schubladen

Über Vor- und Nachteile von Schubladen

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Einleitung

(Film von oben zeigen; vielleicht kommentieren; Friseur-Lehrvideo ;-))
Manches und mancher sieht von oben doch etwas anders aus. Man kann natürlich auch von oben nur bis auf die Kopfhaut gucken und nicht in den Kopf hinein. Aber wir haben oft eine gewisse Vorstellung von bestimmten anderen Menschen, wie sie denken, sich überlicherweise verhalten und wie sie sind.

Es hilft uns oft, wenn wir unsere Umwelt für uns selbst ordnen oder kategorisieren können und das machen wir natürlich auch mit den Menschen in unserem Umfeld. Der ist halt so, der ist anders, derjenige hat diese Macke, usw und so können wir unser Verhalten darauf einstellen. Man will ja auch niemanden verletzen oder bei jemandem anecken.

Dinge in Schubladen

Ein Stichwort, das sich dazu aufdrängt, ist die „Schublade“ und da sind wir auch schon bei dem Problem so einer selbstgemachten Ordnung oder Kategorisierung. Nicht umsonst reden wir in diesem Zusammenhang oft von Schubladendenken.

Wenn etwas in einer Schublade ist, dann es da nicht von alleine herausfallen, herausspringen oder sonst irgendwie dort herauskommen. Man muß willentlich die Schublade öffnen, das Teil herausnehmen und bewußt woanders hinlegen.

Viele Menschen haben sich an ein Denken oder an eine Wahrnehmung gewöhnt und möchten sie nicht mehr ändern. Z.B. wenn es um Glauben geht, dann begegnet einem das hin und wieder. Man hat sich eine Zeitlang damit beschäftigt, ist zu einem Schluß gekommen und dann kommt das Thema in eine mentale Schublade. Und wenn dann irgendwann wieder eine mit Jesus Christus ankommt, dann kennt man die passende Schublade und dann hat man das Thema schon durch.

Es ist wirklich Gottes Gnade, daß er es in so einer menschlichen Schublade nicht aushält und dem Menschen eine heilsame Unruhe schenkt, damit diese Schublade nicht geschlossen bleibt.

Auch als Christ hat man solche Schubladen. Vielleicht sind es unterschiedliche Meinungen, vielleicht sind es Dinge, die man eigentlich in Ordnung bringen müßte. Manche dieser Schubladen sind sehr tief und schwergängig.

Mir ist es vor ein paar Jahren passiert, daß mir jemand wieder begegnet ist, dem ich vor über dreißig Jahren übel mitgespielt hatte. Ich hatte da schon lange nicht mehr dran gedacht, aber wie ich diese Person wieder sah, war die Erinnerung wieder da. Ich hatte die Möglichkeit, mit ihm zu sprechen und mich zu entschuldigen und ich war froh darüber. Das war eigentlich nicht nur eine verborgene Schublade, sondern schon mehr eine Leiche im Keller.

Ich möchte dazu ein paar Verse aus 1. Korinther 6, 9-11 (NGÜ) lesen:

9 Muss ich euch daran erinnern, dass die, die Unrecht tun, keinen Anteil am Reich Gottes haben werden, dem Erbe, das Gott für uns bereithält? Macht euch nichts vor: Keiner, der ein unmoralisches Leben führt, Götzen anbetet, die Ehe bricht, homosexuelle Beziehungen (mit Minderjährigen) hat, 10 stiehlt, geldgierig ist, trinkt, Verleumdungen verbreitet oder andere beraubt, wird an Gottes Reich teilhaben. 11 Auch ihr gehörtet zu denen, die so leben und sich so verhalten – zumindest einige von euch. Aber das ist Vergangenheit. Der Schmutz eurer Verfehlungen ist von euch abgewaschen, ihr gehört jetzt zu Gottes heiligem Volk, ihr seid von aller Schuld freigesprochen, und zwar durch den Namen von Jesus Christus, dem Herrn, und durch den Geist unseres Gottes.

Hier ist die Gemeinde in Korinth beschrieben worden, wie viele von ihnen neu in Jesus geworden sind. Und das hat mich schon immer sehr beeindruckt, wie Menschen in Jesus heil und neu werden können.

Aber Menschen, die so gelebt haben, wie es hier beschrieben ist, haben sicherlich noch oft Ungeklärtes in ihren Schubladen liegen, und sie haben höchstwahrscheinlich auch nicht immer alles mit den Menschen bereinigen können, die sie geschädigt oder verletzt haben.

Ich weiß nicht, wie es bei Dir ist, ob und was Du noch in Deinen Schubladen hast. Vielleicht hast Du auch noch Leichen im Keller, an die Du Dich ganz selten nur erinnerst. Bei manchen nicht so richtig geklärten Dingen in meinem Leben bin ich mir nicht sicher, ob und wie ich etwas unternehmen muß, aber ich bin sicher, daß Jesus behutsam Menschen, Dich und mich, dahinführt, Angelegenheiten zu bereinigen und das manches sicherlich lange dauern kann. Und es macht frei, wenn man solche Dinge vor den Menschen bekennen kann, die man geschädigt oder verletzt hat.

Menschen in Schubladen

Aber so wie wir es am Anfang gehört haben, landet nicht nur Unbewältigtes in unseren Schubladen, sondern auch andere Menschen. Vielleicht ordnen wir sie nach ihrer Kleidung, nach ihrem Beruf oder ihrer Herkunft. In der Schule, zumindest habe ich es so in Erinnerung, war es oft die Kleidung, die die Zugehörigkeit zu einer Gruppe mitbestimmte. Da war die Uni für mich eine Befreiung, weil dort die Kleidung, das Aussehen keine Rolle mehr spielte. Wir waren ein bunter Haufen. Bei der juristischen Fakultät war das wahrscheinlich anders, aber da zog es mich nicht hin.

Auch in Gemeinden kann es leider solche Schubladen geben. Oft versucht man sich dadurch vor schlechten Erfahrungen zu schützen. Wenn man Meinungen oder auch Menschen vorschnell be- oder gar verurteilt, dann ist man in der Schubladenfalle gefangen. Jeder Mensch hat eine gründliche Auseinandersetzung mit seiner Person verdient.

Beispiel: Josef von Arimatäa

Ich möchte mit euch einmal einen Mann betrachten, der vielleicht in so einer Schublade landen könnte (Johannes 19, 38; NGÜ): Nun ging Josef, ein Mann aus Arimatäa, zu Pilatus und bat ihn, den Leichnam Jesu vom Kreuz abnehmen zu dürfen. Josef war ein Jünger Jesu – allerdings nur heimlich, weil er sich vor den ´führenden` Juden fürchtete. Als er von Pilatus die Erlaubnis erhalten hatte, ging er ´zum Hinrichtungsplatz` und nahm den Leichnam Jesu ab.

Josef war ein heimlicher Jünger. Das klingt nicht wirklich gut sondern irgendwie feige. Vielleicht denken wir dabei auch an so eine Bibelstelle wie die aus Matthäus 10, 32.33 (NGÜ):

32 Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. 33 Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.

„Heimlich“ und „vor den Menschen bekennen“ widerspricht sich ja, oder? Was ist das für ein Christ?

Ich übertreibe natürlich, und ich glaube nicht wirklich, daß irgendein Anwesender hier so über einen Christen in einer Verfolgungssituation richten würde.

Aber schauen wir uns diesen Josef noch etwas an. Er wird in allen Evangelien erwähnt und jedes Evangelium sieht ihn aus einer etwas anderen Perspektive:

Matthäus 27, 57-60 (NGÜ)

57 Als es Abend wurde, kam Josef, ein reicher Mann, der aus Arimatäa stammte und ein Jünger Jesu war. 58 Er ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Pilatus ordnete an, der Tote solle Josef überlassen werden. 59 Da nahm Josef den Leichnam, wickelte ihn in ein reines Leinentuch 60 und legte ihn in das noch unbenutzte Grab, das er für sich selbst in einen Felsen hatte hauen lassen. Bevor er fortging, wälzte er einen großen Stein vor den Eingang des Grabes.

Er war reich und er gibt für Jesus das Grab, das er für sich selbst in einen Felsen hatte hauen lassen. Wir sind oft so drauf, daß wir das geben, was wir übrig haben. Das wäre dann so, als hätte der reiche Mann Josef noch irgendwo ein Grundstück an einem Berg mit einer kleinen Höhle übrig. Nein, er gibt das Grab, was er für sich selbst gekauft und vorgesehen hatte, und für sich selbst sieht man ja oft das Beste vor. Und das gibt er für Jesus.

Markus 15, 42-46 (NGÜ)

42 Es wurde nun schon Abend, und es war Rüsttag, der Tag vor dem Sabbat, ´sodass die Zeit drängte`. 43 Da fasste sich Josef aus Arimatäa ein Herz, ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. (Josef war ein angesehenes Mitglied des Hohen Rates, und er war einer von denen, die auf das Kommen des Reiches Gottes warteten.) 44 Pilatus war überrascht zu hören, dass Jesus schon tot sei. Er ließ den Hauptmann rufen und fragte ihn, ob Jesus wirklich bereits gestorben sei. 45 Als der Hauptmann es ihm bestätigte, überließ er Josef den Leichnam. 46 Josef kaufte ein Leinentuch, nahm Jesus vom Kreuz ab und wickelte ihn in das Tuch. Dann legte er ihn in ein Grab, das in einen Fels gehauen war, und wälzte einen Stein vor den Eingang des Grabes.

Er war also nicht nur reich, sondern auch ein angesehenes Mitglied des Hohen Rates. Er wartete wirklich auf den Messias. Dann faßte er sich ein Herz, er sprang über seinen Schatten, und bat um den Leichnam Jesu. Und er stiftete nicht nur seine eigene Grabstätte, sondern er kaufte auch das Leinentuch.

Lukas 23, 50-52

50 Unter den Mitgliedern des Hohen Rates war ein Mann von edler und gerechter Gesinnung, 51 der den Beschlüssen und dem Vorgehen der übrigen Ratsmitglieder nicht zugestimmt hatte. Er stammte aus Arimatäa, einer Stadt in Judäa, und wartete auf das Kommen des Reiches Gottes. 52 Josef – so hieß dieser Mann – ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu.

Er war von edler und gerechter Gesinnung. Das ist mal ein Lob. Ich hoffe, das wird man über mich auch einmal sagen können. Und er war zwar ein heimlicher Jünger, aber er war trotzdem kein Mitläufer. Er hat aus seinem Glauben Taten folgen lassen und sich bei seinen Entscheidungen von seinem Glauben leiten lassen.

 
Wenn man die vier Stellen zusammensieht und dabei noch beachtet, daß die Bitte um Jesu Leichnam schon fast ein Bekenntnis war, dann bekommt man ein anderes Bild von diesem Menschen. Er wirkt nicht mehr feige, sondern er ist ein mutiger, vorbildlicher Christ.

Ich glaube, das kann uns bei Menschen in unserem Umfeld auch so gehen, wenn wir ihn nicht nur mit unserem Tunnelblick ansehen. Ein Blick von Oben hilft nicht unbedingt, aber vielleicht müssen wir nur die Augen öffnen, um jemanden aus unsere Schublade herauslassen zu können.

Dazu noch ein Bibeltext:

Matthäus 7, 1-5

1 »Verurteilt niemand, damit auch ihr nicht verurteilt werdet. 2 Denn so, wie ihr über andere urteilt, werdet ihr selbst beurteilt werden, und mit dem Maß, das ihr bei anderen anlegt, werdet ihr selbst gemessen werden. 3 Wie kommt es, dass du den Splitter im Auge deines Bruders siehst, aber den Balken in deinem eigenen Auge nicht bemerkst? 4 Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: ›Halt still! Ich will dir den Splitter aus dem Auge ziehen‹ – und dabei sitzt ein Balken in deinem eigenen Auge? 5 Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge; dann wirst du klar sehen und kannst den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehen.«

Hier geht es um Verurteilen, aber die Botschaft dieses Textes paßt auch sehr gut auf unser Thema. Auf unser Thema hin ausgelegt könnte sich der Text so anhören:

„Steckt niemanden in eine Schublade, damit auch ihr nicht da landet. Denn so, wie ihr über andere urteilt, werdet ihr selbst beurteilt werden, und mit dem Maß, das ihr bei anderen anlegt, werdet ihr selbst gemessen werden. Wie kommt es, daß du die Macken beim anderen siehst, aber deine eigenen ignorierst? Wie kannst du zum anderen sagen: Du benimmst dich unmöglich! während auch andere bei dir die Augen verdrehen? Arbeite erst an dir selbst, bevor du andere kritisierst.

Das entspricht der Botschaft des Bibeltextes, oder?

Wir selbst in einer Schublade

Und damit kommen wir zu dem Punkt, wann uns das Schubladendenken am Meisten stört, nämlich, wenn wir selbst bei anderen in einer Schublade zu sein scheinen.

Man kann machen, was man will, das Urteil der anderen steht eh schon fest. Das kann man in der Schule erleben. Ich hatte z.B. immer eine miese Handschrift und egal, ob ich mich bemüht hatte oder nicht, die Lehrer waren immer der Meinung, meine Schrift wäre unleserlich. Evt. Bemühungen meinerseits waren völlig ohne Wirkung. Nun hat mich das persönlich jetzt nicht so belastet, aber ihr könnt euch vorstellen, daß ich irgendwann keine Zeit mehr in die Optimierung meiner Handschrift gesteckt habe. Ein Schreibmaschinenkurs auf der Volkshochschule war mein persönlicher Ausweg.

Über solche schulischen Erlebnisse kann man vielleicht irgendwann einmal lachen, aber wenn man bei anderen Menschen in der Schublade steckt, dann kann einen das schon sehr belasten.

„Der ist halt so und wird sich auch nie ändern.“ Es hat doch jeder das Recht, sich zu verändern.

Ein Beispiel dazu aus Epheser 4, 15; (NGÜ)

Stattdessen sollen wir in einem Geist der Liebe an der Wahrheit festhalten, damit wir im Glauben wachsen und in jeder Hinsicht mehr und mehr dem ähnlich werden, der das Haupt ist, Christus.

„Im Glauben wachsen“: Wachstum bedeutet Veränderung. Wenn man Kinder hat, bemerkt man häufig die vergehenden Jahre nur dadurch, daß die Kinder größer werden. Sie wachsen und verändern sich, und wie sie sich verändern!

Und auch wir, die wir zu Jesus Christus gehören und keine Kinder mehr sind, sollen wachsen, zu Jesus hin. Und trauen wir es auch anderen zu. Entlassen wir sie aus unseren Schubladen.

Schön ist es in der Schublade

Andererseits fühlen wir uns in einer Schublade manchmal auch sehr wohl, bewußt oder unbewußt. Denn es hat auch Vorteile.

Z.B., wenn man als schwierig gilt, nehmen die Leute oft mehr Rücksicht. Im Umfeld von solchen Leuten, hört man häufig so Geflüster wie: „Komm, jetzt sag' nichts, sonst gibt es wieder Ärger. Der ist halt ein bißchen schwierig.“ Und manchmal bekommt man auch einen Tritt ab.

Ich hatte mal einen Onkel, der jetzt schon lange tot ist, der ist in seiner beruflichen Zeit auf der ganzen Welt herumgereist und war auch paarmal zur Zeit der Apartheit in Südafrika. Er erzählte davon und schimpfte über die „doofen Schwarzen“. Also ich das nicht so hinnehmen und etwas dazu sagen wollte, spürte ich einen Schmerz am Schienbein und den warnenden Blick meiner Mutter, denn sie kannte diesen Onkel schon sehr lange.

Oft ist einem Menschen der Aufenthalt in einer Schublade gar nicht selbst bewußt. So nimmt der schwierige Mensch sich selbst üblicherweise nicht als schwierig war, denn wer ist schon gerne schwierig? Wie sehen uns die anderen? Haben sie Probleme mit uns? Wollen uns dem stellen? Wie sehen andere das Zusammenleben oder die Zusammenarbeit mit uns? Sind wir beleidigt, wenn man uns die ehrliche Meinung sagt?

Es gibt ja die Redensart, daß der Bote der schlechten Nachricht erschossen wird und da ist leider etwas dran. Auch ich mag keine Kritik. Ich persönlich versuche da immer so mit umzugehen, daß ich mich nur einen Tag darüber ärgere, und dann objektiv darüber nachdenke. Wenn die Kritik nicht sehr weit unter die Oberfläche geht, dauert es auch nicht ganz so lange. Aber nach dem Tag muß der Ärger auch vorbei sein. Vielleicht gibt es da auch bessere Wege, mit Kritik umzugehen. Manch einer bricht dann vielleicht in Lobpreis aus und dankt Gott, daß er Kritik erfahren hat, die ihn weiterbringen kann. Doch so weit bin ich noch nicht, ich muß da wohl noch etwas wachsen.

Aber weil der Bote oft erschossen wird, ist auch der umgekehrte Weg häufig sehr schwer. Es bilden sich dann bestimmte, soziale Strukturen um so eine Zielperson drumherum. Das sind Grüppchen, die über Themen mit der Überschrift sprechen „Das müßte man ihm ja eigentlich 'mal sagen.“ Ob das passiert? Keine Ahnung, aber ich bin es leider häufig nicht, der etwas sagt. Hierbei können natürlich Strukturen wie Hauskreise helfen, so daß man durch engeren Kontakt eher bereit ist, andere sachlich und in Liebe zu kritisieren und auch solche Kritik anzunehmen.

Dann gibt es den bewußten Aufenthalt in der Schublade.

Es gibt so bestimmte Aussagen, wo ich sehr hellhörig werde; z.B. „Ich bin halt so!“ oder „Ich ändere mich nicht mehr!“ und als Steigerung dazu: „Man muß mich halt so nehmen, wie ich bin!“

Wenn sich solche Aussagen auf Hobbies, Interessen oder neutral gesehen auf die Persönlichkeit beziehen, so wie mancher eher fröhlich, ein anderer eher melancholisch, ein weiterer eher ein Einzelgänger ist, dann kann man solche Aussagen akzeptieren.

Wenn solche Aussagen aber z.B. unsensible Verletzen durch Worte beinhalten, eine selbstbezogene, egoistische Lebensweise, Tratschsucht, Desinteresse gegenüber dem Nächsten und was euch sonst noch alles einfällt, dann muß man solchen Aussagen widersprechen.

Betrachten wir dazu noch einmal den Vers von gerade (Epheser 4, 15; (NGÜ))

Stattdessen sollen wir in einem Geist der Liebe an der Wahrheit festhalten, damit wir im Glauben wachsen und in jeder Hinsicht mehr und mehr dem ähnlich werden, der das Haupt ist, Christus.

Paßt das, was wir nicht ändern wollen, zu dem Geist der Liebe und zur Wahrheit? Wie ähnlich ist es Jesus?

Es geht nicht darum, irgendwie Druck aufzubauen, sondern es geht darum, für sich selbst ein Bewußtsein dafür zu bekommen, wo es dran ist, persönlich zu wachsen. Wo verletzt man andere Menschen? Wo mache ich anderen das Zusammenleben oder die Zusammenarbeit schwer? Wo muß sich etwas ändern?

Denn so eine Aussage wie „Man muß mich halt so nehmen, wie ich bin!“ die stimmt nicht. Muß man nicht. Stellen wir uns einmal vor, so jemand wird alt. Hat er keine Familie, kann das im Alter sehr einsam werden. Wer möchte freiwillig mit einem schwierigen, alten Menschen zu tun haben? Vielleicht schenkt Gott Gnade, so daß jemand ihn aufs Herz gelegt bekommt und sich um ihn kümmert, aber rein menschlich hat da niemand Bock drauf.

Und auch wenn man eine Familie hat: Vielleicht hören sich die Enkel gerne Geschichten von früher an und oft sind Kinder gegenüber schwierigen Menschen viel geduldiger und bewirken manchmal sogar Veränderungen in schwierigen, alten Menschen. Aber wenn man schwierig ist, verkracht man sich mit der Zeit mit übrigen Freunden und Verwandten, bis nur noch ein harter Kern zurückbleibt, der dann vielleicht sogar besonders leidet.

Mein Urgroßvater war so einer. Je älter er wurde, mit desto weniger Nachbarn hatte er Kontakt. Mein Vater, der bei seinen Großeltern aufgewachsen ist, dürfte mit immer mehr Leuten nicht mehr sprechen.

Ich persönlich möchte nicht in dieser Weise alt werden. Ich möchte auch im hohen Alter noch mit Kritik umgehen können. Ich möchte auch im Alter noch weiter zu Jesus hinwachsen können und ich möchte später auch am Tisch etwas erzählen können, ohne daß jemand einen Tritt vors Schienbein bekommt.

Beten wir zu Jesus, daß wir in so einer Weise alt werden.

Wie sieht Gott uns?

Es gibt den Spruch: „Gott sieht alles!“ und das stimmt. Es gibt dazu ja diesen uralten Kinderwitz, wo der Pfarrer an seinen Apfelbaum, wo dauernd Äpfel von Kindern geklaut wurden, ein Schild mit diesem Spruch „Gott sieht alles“ hingehängt hat. Darunter stand dann am nächsten Tag: „Ja, aber er petzt nicht!“

Beides stimmt. Er sieht alle unsere Schwächen und Stärken, aber in Liebe. Und er stellt uns dabei nicht bloß. Was wir ihm anvertrauen, bleibt bei ihm. Wir machen uns zwar durch unsere Schwächen vor anderen Menschen selber oft genug zum Affen, aber auf Gott können wir uns verlassen.

Ein Beispiel für diese Sensibilität Gottes ist Johannes 21, 15-17 (NGÜ): 15 Als sie gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus: »Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als irgendein anderer hier?« Petrus gab ihm zur Antwort: »Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.« Darauf sagte Jesus zu ihm: »Sorge für meine Lämmer!« 16 Jesus fragte ihn ein zweites Mal: »Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?« Petrus antwortete: »Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.« Da sagte Jesus zu ihm: »Hüte meine Schafe!« 17 Jesus fragte ihn ein drittes Mal: »Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?« Petrus wurde traurig, weil Jesus ihn nun schon zum dritten Mal fragte: »Hast du mich lieb?« »Herr, du weißt alles«, erwiderte er. »Du weißt, dass ich dich lieb habe.« Darauf sagte Jesus zu ihm: »Sorge für meine Schafe!

Petrus hatte Jesus dreimal verleugnet, dreimal hatte er gesagt: „Jesus, kenne ich nicht.“ Und darunter hatte er nachher gelitten. Es war auch schwer, denn sein Leben war in diesen Situationen in Gefahr. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte.

In Lukas 22, 62 wird beschrieben, wie Petrus sich nach diesem dreimaligen Verleugnen gefühlt hat (NGÜ):

Und er ging hinaus und weinte in bitterer Verzweiflung.

Jesus bietet ihm nun dreimal die Gelegenheit, seine Liebe zu ihm zu bekennen. Ich glaube nicht, daß das eine tiefe geistliche Bedeutung hat, sondern ich glaube, daß Petrus das einfach brauchte, um sein Versagen zu verarbeiten. Er hat es wohl nicht direkt verstanden, aber es hat ihn verändert. Er hat Jesu Auftrag sehr ernstgenommen, und wir können in der Apostelgeschichte nachlesen, was aus Petrus geworden ist.

Jesus sieht Petrus nicht in einer Schublade, sondern er hilft Petrus daraus. Er möchte nicht, daß Petrus in einer Versagerschublade bleibt und er möchte auch nicht, daß wir da sind.

Wir werden immer wieder versagen, vor Gott und auch vor Menschen, aber Jesus steht zu uns und er hilft uns weiter. Er ist mit uns auf dem Weg.

Zusammenfassung