Leichlingen, 10.8.2008

Psalm 137

Einleitung

Psalm 137

1 An den Strömen Babels, da saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten. 2 An die Pappeln dort hängten wir unsere Zithern. 3 Denn die uns gefangen hielten, forderten dort von uns die Worte eines Liedes, und die uns wehklagen machten, forderten Freude: "Singt uns eins der Zionslieder!" 4 Wie sollten wir des HERRN Lied singen auf fremder Erde? 5 Wenn ich dich vergesse, Jerusalem, so werde vergessen meine Rechte! 6 Es klebe meine Zunge an meinem Gaumen, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich Jerusalem nicht zu meiner höchsten Freude erhebe! 7 Gedenke, HERR, den Söhnen Edom den Tag Jerusalems, die da sprachen: Legt bloß, legt bloß - bis auf ihren Grund! 8 Tochter Babel, du Verwüsterin! Glücklich, der dir vergilt dein Tun, das du uns angetan hast. 9 Glücklich, der deine Kinder ergreift und sie am Felsen zerschmettert!

Das ist ein etwas eigenartiger Psalm.

Ich weiß noch, wie dieser Psalm mich früher immer gestört hat, ich konnte den nicht leiden.

„Glücklich, der deine Kinder ergreift und sie am Felsen zerschmettert.“

Nein, diese Aussage finde ich furchtbar und doof.

Aber an diesem Psalm wird eines richtig deutlich:

Psalmen sind niedergeschriebene, persönliche Gebete und Empfindungen und keine Gesetzestexte.

Ich habe früher gedacht, wenn das da so steht, dann kann das richtig sein, auch so zu denken, und gegen diese Vorstellung hatte und habe ich eine große Abneigung.

Auch in der Geschichte wurde ja viel im Namen des Kreuzes gemordet und dazu wurden als Begründungen auch solche Bibelstellen herangezogen.

Versteht mich nicht falsch, ich glaube, daß dieser Psalm historisch authentisch ist, also von jemandem verfaßt wurde, der diese Situation so erlebt hat.

Ob der Verfasser ein Mann, eine Frau oder gar eine Gruppe von Leuten war, wissen wir heute nicht mehr, denn zum Verfasser steht da nichts.

Aber er ist nicht so gemeint, daß wir uns diese Rache- oder gar Haßgedanken als Vorbild nehmen sollen oder müssen; er ist also nicht als Gesetz gemeint.

Ich möchte Euch in die Gedanken das Psalmisten mit hineinnehmen und ich glaube, daß wir uns da wiedererkennen und daß wir einiges daraus lernen können.

Ich möchte mit dem

Weinen

beginnen.

Warum weinten sie?

1 An den Strömen Babels, da saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten.

Dazu muß man wissen, daß zum einen mit Zion die Stadt Jerusalem gemeint ist und daß zum anderen der babylonische König Nebukadnezar im damaligen Israel zwei Deportationen von einem nicht unbeträchtlichen Teil des judäischen Volkes nach Babel durchführte.

Das steht in 2. Könige 24 und 25.

Als erstes wurde der judäische König Jojachin von Nebukadnezar besiegt und es wurden alle Obersten, Soldaten und Metallhandwerker nach Babel deportiert.

Daraufhin Nebukadnezar den Onkel von Jojachin mit Namen Zedekia als König eingesetzt und der hat irgendwann auch wieder gegen Babel aufgemuckt und daraufhin wurde Juda noch einmal von Babel besiegt und bis auf einige, wenige arme Leute wurde der Rest von der judäischen Bevölkerung nach Babylon deportiert.

Der Psalmist war wahrscheinlich bei einer dieser Deportationen dabei, weil seine Sehnsucht nach Jerusalem noch so frisch zu sein scheint.

Dabei ist wichtig zu wissen, daß die Stadt Jerusalem für die Juden damals als etwas besonderes galt.

Sie war das Sinnbild dafür, daß Gott bei ihnen war und die meisten Juden waren auch davon überzeugt, daß Gott es nie zulassen würde, daß Jerusalem in die Hände von Feinden gerät.

Und daher sind die Tränen über Jerusalem nicht vergleichbar mit:

„An der Ostseeküste Polens, da saß ich und weinte, wenn ich an Leichlingen dachte“

sondern die Niederlage und die Einnahme Jerusalems durch die Feinde war ein besonderer Schock, weil sich da auch das Empfinden der Verlassenheit von Gott dazu gesellte.

Ich weiß nicht, ob wir die Trauer des Psalmisten wirklich so nachvollziehen können, wie er sie damals empfunden hat, aber um die nachfolgenden Hauptgedanken des Psalmisten nachvollziehen zu können, müssen wir nicht unbedingt genau diese Trauer nachvollziehen.

Warum weinen wir?

Als ich über das Weinen nachdachte, da fiel mir ein altes Lied von den Black Fööss ein „Indianer kriesche nit“, ihr kennt es vielleicht.

So richtig singen kann ich es nicht, deswegen les' ich mal den Text des Refrains in Hochdeutsch vor, weil mein Kölsch auch nicht so sicher ist:

ich möch so jän ens kriesche
doch kriesche darf mer nit
schon als kleine Jung wed dir jesach
Indianer kriesche nit
ich möch so jän ens kriesche
weil et mer manchmol danoh is
Mädcher dürfe kriesche
Indianer dürfe dat nit
Mädcher dürfe kriesche
Indianer dürfe dat nit

Wieviel Gefühle Männer zeigen sollen, darüber findet ja alle paar Jahre ein neuer gesellschaftlicher Diskurs statt.

Früher galt das eher als verpönt, daß Männer Gefühle zeigen, so wie es in diesem Lied, welches aus den 70ern stammt, ja auch beschrieben wird.

Dann schien so der sanfte, gefühlvolle Mann aufzukommen, der seine Gefühle so richtig zeigt.

Dazu habe ich mal den bösen Spruch gehört, daß Frauen gefühlvolle Männer ganz toll finden, aber durchbrennen tun sie lieber mit dem Kickboxer von nebenan.

In letzter Zeit scheint die Tendenz eher wieder dahin zu gehen, daß Männer wieder hart werden sollen.
Bücher so nach dem Motto „Weck den Macho in dir“ verkaufen sich ganz gut.

Frauen haben es da leichter, denn Mädchen dürfen weinen und Indianer dürfen das nicht.

Aber ich habe es auch schon erlebt, daß in einer relativ heftigen Diskussion über ein Thema Tränen bewußt oder unbewußt als Waffe eingesetzt wurden, denn wenn jemand weint, dann ist der andere ja prinzipiell in einer ungünstigen Position, denn er hat ja jemanden zum Weinen gebracht.

Aber das ist natürlich auch nur ein böses Vorurteil, daß das eine spezielle Waffe der Frauen ist.

Letzendlich ist die ganze Diskussion, wie das mit den Tränen bei Männern und Frauen ist, für uns heute nicht so wichtig, aber es tunt etwas die Aufmerksamkeit, wenn man sich darüber ausläßt.

Wichtig ist für uns heute, daß wir manchmal Grund zum Weinen haben, egal ob wir es im Verborgenen oder – möglichst selten – öffentlich tun.

In einem anderen Psalm, in Psalm 126, 5.6 steht:

Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten.

Er geht weinend hin und trägt des Samen zum Säen. Er kommt heim mit Jubel und trägt seine Garben.

Das ist sicherlich nicht so gemeint, daß die Bauern heulend auf ihrem Traktor sitzen, sondern das ist natürlich schon sinnbildlich gemeint.

Wenn wir eine Ausbildung machen, dann legen wir die Saat für unsere spätere berufliche Laufbahn.

Wenn wir Kinder bekommen, wenn wir sie erziehen, dann legen wir mit jeder Entscheidung wieder ein Stück Saat, daß im Leben der Kinder später irgendetwas bewirken wird.

Wenn wir die Bibel lesen, wenn wir beten und wenn wir mit Jesus Entscheidungen für unser Leben treffen, dann wird auch hier eine Saat gelegt, die in unserem späteren Leben etwas bewirkt.

Und manchmal ist das Leben einfach ätzend:
Dann sind wir überfordert, dann haben wir vielleicht Schicksalsschläge zu erleiden und es ist uns zum Weinen.

Ich habe alte Männer am Grab ihrer Frauen weinen sehen und einer von denen kam nicht darüber hinweg und folgte seiner Frau ein paar Monate später nach.

Wir haben keine Fairness zu erwarten, was Schicksalsschläge angeht.
Wir werden das Leben niemals als fair empfinden können und das treibt uns manchmal die Tränen in die Augen.

Aber wir können auf Gottes Liebe vertrauen.

Ihr kennt das finstere Tal aus Psalm 23 und wenn man zu Jesus Christus gehört, dann können die Täler genauso finster bei anderen Menschen sein, durch die man durch muß, aber sein Stecken und sein Stab trösten dich dann. Jesus Christus ist da.

Und irgendwann wird Freude folgen, denn „die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten“, so wie es Jesus auch in der Bergpredigt sagt (Matth. 5, 4):

Glückselig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.

Aber dazu muß man natürlich den Tröster auch kennen und das ist der Heilige Geist, den Jesus uns geschickt hat.
Ein alleiniges „Das wird schon wieder“ hilft meistens nicht, aber durch Jesus Christus können wir Trost und Freude nach der Trauer, nach dem Weinen, bekommen.

Vielleicht dauert das lange, denn z.B. die deportierten Juden in Babel waren mehrere Generationen dort, bis sie zurück durften, aber Geduld ist auch etwas, was wir mit Jesu Hilfe lernen dürfen.

Oft genug treibt uns unser Weinen ja auch wieder zurück zu Jesus, wenn es uns lange Zeit zu gut ging und Jesus in unserem Leben etwas in den Hintergrund treten mußte.

Wir wären jedenfalls nicht die selben Menschen, wenn wir nicht auch Zeiten des Weinens hätten durchmachen müssen.

Übrigens hat auch Jesus Christus geweint.

In Lukas 19, 41 weint er über Jerusalem, weil er voraussieht, daß die Stadt zerstört werden wird, und er kann nichts daran ändern, weil die Stadt nicht auf Gott hören will.

Daran kann man sehen, daß Jesus uns sehr gut versteht, wenn uns zum Weinen ist und wir nichts an den Gründen daran ändern können.

Es gibt noch einen weiteren Vers, der als der kürzeste Vers der Bibel bekannt ist (Joh. 11, 35):

Jesus weinte.

Die Kürze dieses Verses hängt natürlich auch von der Übersetzung ab.

Hier weint er, weil sein Freund Lazarus gestorben ist.

Und so geht es uns ja manchmal auch, daß wir weinen müssen, weil andere ein Unglück erleben müssen. So steht es in Römer 12, 15;

Freut euch mit den sich Freuenden, weint mit den Weinenden.

Mitgefühl ist eine wichtige christliche Tugend und sie ist auch meistens dann angebracht, wenn man als Mensch eher „selbst schuld“ sagen würde.

Natürlich muß der Betreffende bei selbstverschuldeten Wein-Gründen auch daran arbeiten, aber trotzdem ist unser Mitgefühl immer angebracht.

Auch die Israeliten, die in dem Psalm weinen, waren an ihrem Unglück selber schuld, denn Gott hat diese Deportationen nur deshalb zugelassen, weil sie sich von Gott abgewandt hatten.

Aber das ist hier nicht wichtig.

Wichtig ist, daß sie Weinen und daß sie ihre Tränen zu Gott bringen.

Kommen wir zum nächsten Punkt:

Geforderte Freude

Ich lese noch einmal vom Predigttext V. 2-4;

2 An die Pappeln dort hängten wir unsere Zithern. 3 Denn die uns gefangen hielten, forderten dort von uns die Worte eines Liedes, und die uns wehklagen machten, forderten Freude: "Singt uns eins der Zionslieder!" 4 Wie sollten wir des HERRN Lied singen auf fremder Erde?

Die Deportierten haben ihre Zithern in die Pappeln gehängt, weil sie keine Lieder über Jerusalem singen wollten.

Vielleicht war es Schikane der Machthaber, vielleicht waren sie einfach nur neugierig auf die Lieder der Juden, das geht aus dem Text nicht eindeutig hervor.

Uns kann es genauso gehen:

Wir hängen keine Zithern mehr in Pappeln, aber wir hängen vielleicht unsere Freude an die Gaderobe, weil uns einfach nicht nach Freude ist.

Es gibt ja dieses alte Kirchenlied, das zu einer alten Tanzmelodie gedichtet wurde:

„In Dir ist Freude, in allem Leide“

Es ist sicherlich nicht leicht, so etwas zu singen, wenn man gerade in allem Leide steht, wenn einem nur zum Weinen ist.

Und dann haben wir dann ein Problem, wenn jemand Rechenschaft über unsere Hoffnung auf Jesus fordert (1. Petrus 3, 15).

Da gibt es sicherlich auch Zeiten, wo wir niemandem etwas erzählen möchten.

Ich habe lange überlegt und gesucht, wie man denn im Weinen Rechenschaft über die Hoffnung auf Jesus abgeben kann und ich glaube, da gibt es keine einfache Antwort.

Zum einen ist da das Problem, daß ein anderer das eigene Weinen u.U. gar nicht nachvollziehen kann.

In Sprüche 14, 10 steht:

Das Herz allein kennt sein Leid, und auch in seine Freude kann sich kein Fremder mengen.

Und da ist natürlich was dran.

Leid und Freude ist ein sehr subjektives Empfinden und z.B. wie schlimm man Schicksalsschläge empfindet, kann ein anderer vielleicht gar nicht richtig nachempfinden.

Ähnlich ist das mit den deportierten Juden.

Die Machthaber konnten vielleicht gar nicht verstehen, warum die Juden so an Jerusalem hingen und haben es jetzt gar nicht als Schikane gemeint, als sie die Juden aufforderten, einige Lieder zu singen. Ansonsten hätten sie sie vielleicht sogar zum Singen gezwungen.

Nun hatten diese Juden wenig Interesse daran, was die Babylonier über sie und ihren Glauben dachten, ganz im Gegensatz zu uns heute: Wir möchten schon, daß andere unseren Jesus Christus kennenlernen.

Der richtige Weg ist wohl, in seinem Leid zu Jesus zu gehen, daß so auch weiter zu sagen, wenn jemand danach fragt.
Viel mehr fällt mir dazu nicht ein.

Die Angst vor dem Vergessen

5 Wenn ich dich vergesse, Jerusalem, so werde vergessen meine Rechte! 6 Es klebe meine Zunge an meinem Gaumen, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich Jerusalem nicht zu meiner höchsten Freude erhebe!

Ich glaube, daß der Psalmist hier eine gewisse Angst verspürt und zwar die Angst davor zu vergessen, was Jerusalem ihm mal bedeutet hat.

Je nach dem, wie lange er schon in Babylon war und sich dort an die Umgebung gewöhnt hat, verblaßt natürlich auch die Erinnerung an früher.

Ich glaube, das kann uns auch so gehen, denn Jerusalem ist ja u.a. ein Sinnbild für die Begegnung mit Gott.

Wir leben unsern Alltag, sind eingebunden in viele Pflichten und Gewohnheiten und die Erinnerungen an die vielen Erlebnisse mit Gott fangen an zu verblassen, weil ja irgendwie alles ganz gut läuft.

Ja früher, da hat man ja missionarische Einsätze gemacht, hat tolle Sachen mit Gott erlebt, aber heute hat man ja Familie, einen Beruf und die Zeit ist dafür nicht mehr so da und es gibt ja auch Jüngere, die mehr Zeit haben.

Oder es läuft vieles schief und meine Gebete werden irgendwie nicht erhöht und warum ändert Jesus nichts und man wurschtelt irgendwie herum und bringt seine Sorgen immer seltener zu Jesus.

Oder man liest nicht mehr so viel in der Bibel, weil die Zeit irgendwie knapper geworden ist, man hat jetzt mehr zu tun und irgendwie weiß man doch auch schon vieles, so daß es nicht mehr so oft nötig ist, in der Bibel zu lesen.

Wenn Du Dich in meiner Beschreibung irgendwie wiederfindest, dann solltest Du Dir die Angst dieses Psalmisten zu eigen machen.

Wenn ich Jesus Christus vergesse, dann vergesse ich das wichtigste in meinem Leben.

Wenn nicht Jesus das wichtigste in meinem Leben ist, dann hat doch alles keinen Sinn mehr, und das will ich nicht vergessen.

Kommen wir zum letzten Punkt dieses Psalms:

Rache

7 Gedenke, HERR, den Söhnen Edom den Tag Jerusalems, die da sprachen: Legt bloß, legt bloß - bis auf ihren Grund! 8 Tochter Babel, du Verwüsterin! Glücklich, der dir vergilt dein Tun, das du uns angetan hast. 9 Glücklich, der deine Kinder ergreift und sie am Felsen zerschmettert!

Diese letzten drei Verse sind die schwierigsten dieses Psalms.

Die bisherigen kann noch problemlos mit unseren christlichen Ethik überein bekommen, aber diese?

Das ist doch furchtbar, was sich der Psalmist da wünscht.

Ich möchte mal aus 2. Könige 25, 6.7 lesen, was passierte, nach dem der judäische König Zedekia den Krieg gegen Babylon verloren hat:

6 Die Chaldäer aber nahmen den König gefangen und führten ihn hinauf zum König von Babel nach Ribla, und sie sprachen das Urteil über ihn. 7 Und sie erschlugen die Söhne Zedekias vor seinen Augen und blendeten Zedekia die Augen und legten ihn in Ketten und führten ihn nach Babel.

Das letzte, was Zedekia also sah, war, wie seine Söhne ermordet wurden.

Weiterhin wurden laut 2. Könige 25, 18-21 noch 10 weitere Männer und 60 Bürger aus Jerusalem in die babylonische Stadt Ribla gebracht und dort auch umgebracht.
Ob die Familien mit umgebracht wurden, steht da nicht.

Die Babylonier haben die deportierten Völker üblicherweise einigermaßen gut behandelt, waren aber im Krieg selbst nach dem Sieg nicht zimperlich.

Vielleicht hat der Psalmist die ermordeten Söhne des Königs vor Augen, als er sich das Unheil für die babylonischen Kinder wünscht.

Ich will kein Verständnis für die Rachegedanken des Psalmisten wecken, sondern ich möchte nur nachvollziehbar machen, warum der Psalmist überhaupt auf solche Gedanken kommen kann.

Ebenso ist es mit dem Land Edom. Mit dem hatte Israel und Juda immer wieder Ärger und auch hier sind Rachegedanken nachvollziehbar.

Geht es uns manchmal auch so? Auge um Auge, Zahn um Zahn?

Es ist doch ungerecht, wenn der Täter so davonkommt, oder?

Sie haben unsere Kinder ermordet, also sollen auch deren Kinder umkommen.

Wir finden in Römer 12 einen bekannten Abschnitt, der sich intensiv mit dieser Problematik auseinandersetzt.

17 Vergeltet niemand Böses mit Bösem; seid bedacht auf das, was ehrbar ist vor allen Menschen! 18 Wenn möglich, soviel an euch ist, lebt mit allen Menschen in Frieden! 19 Rächt euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes! Denn es steht geschrieben: "Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr." 20 "Wenn nun deinen Feind hungert, so speise ihn; wenn ihn dürstet, so gib ihm zu trinken! Denn wenn du das tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln." 21 Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten!

Allein, daß es diesen Abschnitt gibt, zeigt, daß auch Christen Rachegedanken haben können, denn sonst hätte Paulus hier gar nichts darüber schreiben müssen.

So viel an uns ist, sollen wir mit allen Menschen in Frieden leben, also auch mit unseren Feinden.

Das ist schon ein Hammer.

Selbst Rache zu suchen, ist mit Sicherheit falsch.

In manchen Action-Filmen mutiert ja die arme, unschuldige Hauptperson zum einsamen Rächer und führt eine „gerechte“ Rache durch und das Publikum sagt am Ende dann: „Jawoll, denen hat er es gezeigt“.

Bei diesen pseudo-gerechten Rachefeldzügen bleiben bloß nie Unschuldige auf der Strecke, während bei in der Realität ausgeübter Rache fast immer Unschuldige mit darunter leiden, denn der Zorn des Menschen wirkt nicht Gottes Gerechtigkeit (Jakobus 1, 20).

Rache ist immer Gottes Sache, er kann sie so durchführen, daß keine Unschuldigen mit auf der Strecke bleiben und er weiß auch, was angemessen ist.

Ein Thema, daß hier in jedem Fall dazu gehört und was ich daher nicht ausblenden möchte, ist die Vergebung.

Wir Christen haben ja prinzipiell die Pflicht zu vergeben.

Aber gilt das immer?

Ich lese aus Lukas 17, 3.4

3 Habt acht auf euch selbst: Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht, und wenn er es bereut, so vergib ihm! 4 Und wenn er siebenmal am Tag an dir sündigt und siebenmal zu dir umkehrt und spricht: Ich bereue es; so sollst du ihm vergeben.

Hier ist die Pflicht zur Vergebung an die Bereitschaft des Täters geknüpft, daß er um Vergebung bittet, auf Deutsch: Daß er sich entschuldigt.

Es gibt Bibelstellen, wo diese Entschuldigung des Täters nicht explizit erwähnt ist:
Das Vater-Unser z.B.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Wie ist das nun mit der Vergebung?

Ich glaube, das Problem bei dieser Frage ist häufig, daß wir oft von einer sehr theoretischen Ebene aus über Vergebung sprechen.

Praktisch heißt Vergebung doch, daß das Opfer dem Täter die Hand gibt und sagt:
„Vergessen wir, was war und laß uns neu anfangen.“

Das geht doch eigentlich kaum, wenn der Täter kein Schuldbewußtsein hat.

Ich behaupte, die Pflicht zur Vergebung gilt nur dann, wenn der Täter um Vergebung bittet.

Wann vergibt Gott einem Menschen seine Schuld?

Immer, oder nur, wenn der Mensch seine Schuld bekennt?

Verlangt Gott von uns mehr, als er selbst bereit ist zu tun?

Ich habe mehrfach gelesen, wie Mißbrauchsopfer in christlichen Familien – das gibt es leider auch – von Verwandten und Gemeindegliedern dazu gedrängt wurden, zu vergeben, obwohl der Täter überhaupt kein Schuldbewußtsein hatte.
Diese stille Pseudo-Vergebung sollte wohl auch eher zur Vertuschung als zur Bereinigung dienen.

Kann man in so einem Fall vom Opfer Vergebung erwarten?

Der Psalmist hat vielleicht miterlebt, wie die Babylonier seine Landsleute und vielleicht auch Kinder ermordet haben und deswegen wünscht er ihnen die Pest an den Hals und diesen Wunsch drückt er im Gebet aus.
Je nach dem, was er erlebt hat, kann man irgendwo diese Gedanken nachvollziehen, auch wenn ich sie falsch finde.

Der richtige Weg ist, diesen Haß und diese Rachegedanken nicht auszuleben, sondern zu Gott zu bringen.

Mit Jesus kann man irgendwann frei davon werden, dann Rache und Haß macht natürlich einen selbst auch unfrei, aber dieses Arbeiten daran hat nichts mit der Vergebung gegenüber dem Täter zu tun.

Ich bin sicher, daß es für ein christliches Opfer, z.B. eines Mißbrauchs,  keine Pflicht ist, einem Täter, der keinerlei Schuldbewußtsein hat, die Hand reichen zu müssen zu sagen: „Vergessen wir, was war und laß uns neu anfangen.“
Gott macht das auch nicht und er verlangt von uns nichts, was er nicht auch selber tun würde.

Es reicht, wenn das Opfer keine Rache ausübt und Frieden mit ihm hält, was bei solchen Taten wohl auf ein Aus-dem-Weg-Gehen hinausläuft.

Manche Opfer finden Frieden darüber, daß sie dem Täter vergeben können, auch wenn der Täter kein Schuldbewußtsein zeigt, aber man kann das nicht als christliche Pflicht sehen, das wird der Bibel nicht gerecht.

Außerdem gibt es eine „christliche“ Rache, nämlich, daß man dafür betet, daß Gott den Täter von seiner Schuld überführt, der Täter dann unter seiner Schuld leidet und er dann seine Schuld bei Gott und auch bei dem Opfer bekennt.

So eine Rache kann aber nur Gott zur Vollendung bringen.

Vergessen wir dabei nicht, daß wir auch oft an anderen schuldig werden und bitten wir für ein realistisches Schuldbewußtsein, damit wir um Vergebung bitten und uns ändern können.

Zusammenfassung

Wir haben über das Weinen nachgedacht und daß das Leben manchmal zum Weinen ist.

Aber aus unserem Weinen kann die Saat für den Jubel entstehen und Jesus Christus versteht uns, denn er hat auch geweint, und er ist immer bei uns und für uns, auch wenn das Leben mal ganz besonders ätzend ist.

Gerade wenn wir eine weinende Lebensphase haben, ist es schwierig für uns, Rechenschaft über die Hoffnung in uns abzugeben.
Trotzdem können wir auch eine solche Phase mit Jesu Hilfe durchstehen und können das mit Jesu Hilfe auch anderen vermitteln.

Wir dürfen auch nie vergessen, was wir mit Jesus erlebt haben, und wenn wir den Eindruck haben, daß unsere Begegnungen mit Gott nur in der Vergangenheit stattfanden, dann sollten wir uns wieder neu Jesus zuwenden.

Rache ist für einen Christen tabu, denn Gott kann das viel besser.

Wir haben manchmal Rachegedanken oder empfinden Haß und wir sollten damit zu Jesus gehen, wie der Psalmist. Schütten wir alle diese Gedanken vor ihm aus und er hilft uns damit umzugehen und auch frei davon zu werden.

Wir sollen bereit zu vergeben, wenn der Täter uns um Vergebung bittet, bis zu 7-mal-70-mal:

„Vergessen wir, was war und laß uns neu anfangen.“

Alles, was darüber hinausgeht, ist ein Geschenk Gottes und keine christliche Pflicht.

AMEN

Segen: Psalm 124, 8

Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht.