Einleitung
Heute beginnt unsere Kampagne, ab heute beschäftigen wir uns intensiv mit dem Philipperbrief.
Viele von Euch werden den Philipperbrief schon einmal gelesen haben, aber trotzdem erwarte ich, dass wir Neues lernen und erkennen und auch Altes wieder neu erkennen.
Wie ist dieser Brief entstanden? Paulus hat ihn unter Mitarbeit von Timotheus im Gefängnis geschrieben. In der Begrüßung stehen beide, aber ansonsten ist er in der Ich-Form geschrieben. Vielleicht hat Paulus ihn auch diktiert - wir wissen das z.B. vom Römerbrief - und Timotheus und er haben sich mit dem Schreiber auch über den Inhalt ausgetauscht. Oder sie haben auch einen ihrer Freunde noch einmal darübergucken lassen, quasi ein Review. Vielleicht auch nicht, aber ich würde das tun. Ich mache das ja schon, wenn ich eine E-Mail zu einem schwierigen Thema, vielleicht auch zu einer schwierigen Person, schreibe. Dann bitte ich einen Kollegen, einmal kurz darüber zu gucken, ob ich mich richtig ausdrücke, ob 'rüberkommt, was ich sagen möchte und manchmal auch, ob ich höflich genug bin.
Und für so einen Brief, der vor der Gemeinde vorgelesen und vielleicht auch an andere Gemeinden weitergegeben wird, da würde ich erst recht jemanden noch einmal kontrolllesen lassen.
Und wie ist dieser Brief eigentlich zum ersten Mal gelesen worden?
Die Gemeinde wurde zusammengerufen und der Brief wurde vorgelesen, wahrscheinlich in einem Stück.
Ich habe mal ein paar Verse laut gelesen, die Zeit gestoppt und hochgerechnet. Es dauert ungefähr 15 Minuten, den Philipperbrief vorzulesen.
Da ist jetzt nicht so viel, der Römerbrief würde mindestens viermal so lange dauern.
Dieser Philipperbrief muss die Gemeinde sehr beeindruckt haben. Ansonsten wäre er wohl nicht erhalten geblieben.
Aber was hat die Gemeinde nach dem Vorlesen gemacht? War es sakral, alle waren still, die Orgel fing an zu spielen und alle verließen mit gesengtem Kopf die Kathedrale? Das alles gab es damals noch nicht, ich weiß.
Oder die Philipper haben stumm zugehört und als im vierten Kapitel die beiden Frauen „Evodia“ und „Syntyche“ aufgefordert wurden, ihre Meinungsverschiedenheiten beizulegen, haben sich alle zu ihnen umgedreht und sie angestarrt.
Das glaube ich nicht. So wie diese Gemeinde im Brief beschrieben ist, war sie so nicht; sie hat sich mit dem Brief intensiv auseinander gesetzt.
Sie haben diskutiert: Wie kann Paulus solche tröstenden Worte aus dem Gefängnis schreiben? Er fordert sie auf, sich zu freuen, aber man kann sich doch nicht freuen, wenn man im Knast ist.
Vielleicht hatten die Gemeinde damals in den Wochen nach Ankunft des Briefes auch eine Philipper-Kampagne wie wir. Diejenigen, die schreiben konnten, fertigten eine Abschrift an und dann haben sie sich in Kleingruppen hin und her in den Häusern getroffen und sich über den Brief ausgetauscht und diskutiert.
Und das lief nicht wie ein Literaturkreis ab, sondern da ging um das praktische Leben.
Sie lasen so Sätze wie z.B. „Geht so miteinander um, wie Christus es Euch vorgelebt hat.“ Das geht bei manchen Leuten einfach nicht, sagen die Einen und schon ist man mittem im Leben.
Oder eine andere Aussage aus dem Brief: „Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn“, erlebt ihr das auch so, wie kommt man da hin? Was ist denn überhaupt wichtig in meinem Leben?
Das hätte doch sein können, dass das in der Gemeinde in Philippi so abgegangen ist, nach dem sie den Brief bekommen haben, oder? Das würde ich mir für unsere Gemeinde wünschen.
Und nun schauen wir uns den Anfang vom Philipperbrief einmal an. Beginnen wir mit der Begrüßung (Philipper 1, 1.2; NL):
Begrüßung
Ich habe ja schon erwähnt, dass der Brief in Ich-Form geschrieben ist, aber Timotheus hat offensichtlich mit daran geschrieben.
Und er richtet sich an alle Gläubigen in Philippi. Och nee, damit schmoren wir wieder im eigenen Saft, oder? Wenn wir das anderen erzählen, dann halten die uns für weltfremd.
Da haben ja heute alle Christen Angst vor, Angst davor, dass andere sie für weltfremd halten.
Ich verstehe diese Angst auch, da ich früher selber so gedacht hatte. Als ich 1986 z.B. in der Gemeinde hier an einem Gemeindeausflug teilgenommen hatte, hatte jemand aus der Gemeinde, der damals im Management einer Computerfirma arbeitete, die Einsammlung des Unkostenbeitrags übernommen.
Ich wollte mit Euroscheck zahlen und fragte als weltgewandter Student diesen weltfremden Christen, ob er weiß, wie das mit dem Euroscheck funktioniert.
Der Christ aus dem Management lächelte und erklärte mir, dass er oft mit Euroschecks zu tun hat. Natürlich wusste er, wie das funktioniert.
Jeder macht sich so gut zum Affen, wie er kann, habe ich damals wieder 'mal gelernt. Das ist ja eine Lektion im Leben, die man immer wieder neu lernen kann.
Wir sind natürlich nicht weltfremd. Wir haben genauso einen Job, oder suchen ein Job, oder sind in der Ausbildung oder genießen die Rente wie andere auch.
Christen sind sogar oft weniger weltfremd als „Welt-Menschen“, weil wir uns mit Vergebung auseinandersetzen und wie sie helfen kann, Beziehungen in Ordnung zu bringen. Dadurch, dass wir unsere Sünden bekennen, reflektieren wir mehr über unser Denken und Tun. Häufig wissen wir genau, wie die Welt funktioniert.
Das muss man natürlich vom Durchschnitt her sehen, es gibt natürlich auch Christen, die völlig schmerzbefreit sind. Und es gibt auch Leute, die sich Christen nennen und völlig schmerzbefreit sind.
Aber kommen wir zu dem „weltfremd“ zurück. Als Hauptproblem sehe ich die Sprache. Luther hat damals die Bibel in normale gesprochene Sprache übersetzt. Es gab kein Bibeldeutsch. Im Gegenteil, durch die Bibel wurde die deutsche Sprache auch etwas vereinheitlich, so dass man sich durch die Lutherbibel besser verstanden hat.
Und so soll der Philipperbrief auch sein. Er ist in erster Linie an die Gemeinde in Philippi geschrieben, aber interessierte Außenstehende verstehen das Meiste natürlich auch und können Gewinn daraus ziehen.
Nur darf die Sprache kein Hindernis sein. Ihr kennt ja die Jägersprache, die Normalbürger kaum verstehen. Neben dem Ursprung in präziser Naturbeobachtung hat sie auch ihren Ursprung in der bewussten Abgrenzung des adeligen Jägers zum gemeinen Volk.
Wir brauchen keine Christensprache, deutsch reicht. Das ist allerdings auch schon viel besser geworden. Vor dreißig Jahren war die Wortwahl im Gottesdienst z.T. noch eine ganz andere. Ich würde auch deswegen, wenn ich öffentlich Bibeltexte vorlese, nur noch eine Bibelübersetzung nehmen, die im heutigen Deutsch in korrektem Satzbau ist.
Die Begrüßung geht noch weiter: Wir wünschen Euch Gnade und Frieden von Gott.
Das hört sich schon weltfremd an, aber es ist elementar. „Gnade“ bedeutet, dass meine Sünden mir vergeben sind, weg sind, sie werden nie mehr irgendwo angerechnet. Und „Frieden“ heißt, dass ich mit Gott - und damit auch mit mir selbst - im Reinen bin.
Das ist doch toll.
Habe ich jetzt die richtigen Worte gefunden, dass auch Gemeindefremde das verstehen? Oder war das noch zu fromm ausgedrückt? Wie würdet ihr es ausdrücken?
Wenn wir es nicht schaffen, diese tollen Dinge, die wir mit Jesus haben, in die Welt, in unserem Umfeld, zu bringen, dann werden wir in falscher Weise dieser Welt fremd.
Dank und Gebet
Gehen wir weiter im Text, man kann ja heute nicht nur über die Begrüßung sprechen (Philipper 1, 3-11; NL):
Der erste Satz ist schon der Hammer: „Jedes Mal, wenn ich an euch denke, danke ich meinem Gott.“
Eure Gemeinde ist toll, nichts anderes sagt das aus. Paulus ist Gott für diese Gemeinde in Philippi dankbar.
Ich habe der ersten Einheit unserer Kampagne auch diese Überschrift gegeben: „Die Gemeinde ist toll!“ Vielleicht ist diese Überschrift nicht exakt genug, „Die Gemeinde“ kann auch allumfassend weltweit gemeint sein, aber Paulus schrieb konkret an die Philipper: „Eure Gemeinde ist toll!“ Das wäre noch eine etwas bessere Überschrift gewesen, denke ich heute. Oder „Unsere Gemeinde ist toll!“, wenn wir es aus unserer Perspektive sehen.
Wie sehen wir unsere Gemeinde denn persönlich? Haben wir schon einmal Arbeitskollegen oder Nachbarn angesprochen, mit den Worten „Unsere Gemeinde ist Klasse, komm' doch 'mal mit zum Gottesdienst?“
Oder hätten wir Bedenken, wenn derjenige mitkommt? Hängen die Bedenken vielleicht vom Prediger ab, der an dem Sonntag dran ist?
Vielleicht denken wir ja schon, dass unsere Gemeinde toll ist, aber im Gottesdienst wird diese Klasse nicht so richtig ausgedrückt. Der Gottesdienst ist halt nicht so voll, wie er früher einmal war.
Aber halten wir uns nicht beim Gottesdienst auf.
Die Haltung von Paulus sollte uns eher beschäftigen. „Ich bete immer für euch und tue es mit frohem Herzen“, schreibt er hier.
Diese grundsätzlich positive Haltung beeindruckt mich hier. Wir Deutschen neigen ja eher dazu, genau das Positive wie das Negative zu sehen und betonen dabei oft mehr noch das Negative.
In der Gemeinde war sicherlich nicht alles toll, er gibt ja später Hinweise, worauf die Philipper achten sollen, was sie ändern sollen, usw, aber grundsätzlich sieht er die Gemeinde positiv.
Und diese Haltung würde ich mir für uns alle hier auch wünschen. Es geht nicht darum, Probleme zu verdrängen oder zu vertuschen, wir müssen uns denen natürlich stellen. Und wir müssen auch neue Strategien und eine Vision für die Zukunft entwickeln.
Aber ich finde es wichtig, dass alle, die mitmachen, diese Gemeinde toll finden, lieb haben, ein Herz für die Gemeinde haben und dass wir auf dieser Grundlage gemeinsam unterwegs sind. Dann sind Meinungsverschiedenheiten nicht so ein Problem, sondern nur ein Ausdruck der unterschiedlichen Erkenntnis und man kann miteinander in Frieden darüber sprechen und vielleicht auch manchmal miteinander um das richtige Ergebnis ringen.
Denn, so steht es in Vers 5, wir haben uns vom ersten Tag an gemeinsam für die gute Botschaft eingesetzt. Und nur das ist die Existenzberechtigung für unsere Gemeinde.
Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Text, ist die Sehnsucht von Paulus, die Gemeinde in Philippi wieder zu sehen. Hier wird die Beziehung angesprochen.
Wir leben in einer Zeit, wo immer mehr Leute mit sich selbst zufrieden sind, Stichwort „Cocooning“. Das ist eine Tendenz, die ich bei mir selber auch sehe, und die noch durch die elektronische Kommunikation über soziale Netzwerke verstärkt wird.
Manch ein Christ schaut sich sonntags eine Fernsehpredigt an und ist damit zufrieden. Warum noch Gemeinde, wenn man alles online bekommt, was man braucht.
Freuen wir uns, wenn wir uns sehen?
Dafür hat ja auch Paulus schon gebetet: „Ich bete darum, dass eure Liebe zueinander noch tiefer wird und dass sie an Erkenntnis und Einsicht zunimmt.“
Das ist schon eine wichtige Grundlage für die Gemeinde. Sonst mutieren wir irgendwann zu einem Verein zur Wortverbreitung, der mehr oder weniger gut verwaltet wird, aber wir sind keine Gemeinde mehr.
Aber Gott hat mit uns sein gutes Werk begonnen, mit Dir und mir persönlich und mit unserer Gemeinde und ich hoffe darauf, dass es weiter geht.
So ein bisschen Angst kann man schon bekommen, wenn man mitbekommt, dass Gemeinden in unserem Bund auch sterben und zugemacht werden. Ich habe mir das Landesverbandsheft angesehen und dort berichten auch einige Gemeinde aus ihrer Situation. Eine Gemeinde hat ein Durchschnittsalter von 73 Jahren, einige andere über 60. So ist es bei uns noch nicht und wird es auch hoffentlich nie sein.
Glauben wir daran, dass Gott auch mit unserer Gemeinde weitermacht und beten wir dafür?
Leistungsdruck ist natürlich auch der falsche Weg. Am Schluss unseres Abschnitts steht, dass Jesus Christus die Frucht bewirkt, die unser Leben und auch unsere Gemeinde bringt.
Er schenkt das Wollen und Vollbringen. Wenn wir nur aus uns selbst immer reinklotzen, wird uns das auf Dauer aufreiben.
Jesus muss uns in positiver Weise antreiben und begeistern. Lasst uns auch dafür beten, dass wir offen für seinen Geist, seine Sicht und sein Werk sind.
Zusammenfassung
Ich komme zum Schluss:
- Paulus hat den Brief nicht alleine geschrieben; mindestens Timotheus hat sich dran beteiligt.
- Der Brief hat die Gemeinde wahrscheinlich sehr beeindruckt, so dass er erhalten blieb. Vielleicht haben sie nach dem Brief auch eine Art Kampagne gemacht und sich hin und her in den Häusern darüber ausgetauscht.
- Der Brief ist zwar zuerst an die Gemeinde gerichtet, aber auch Gemeindefremde können davon profitieren. Wichtig ist, dass keine spezielle Christensprache Hindernisse aufbaut. Und wir brauchen auch keine Angst davor zu haben, dass man uns für weltfremd hält.
- In der Begrüßung steht direkt der Wunsch nach Gnade und Frieden für die Adressaten. Das ist toll.
- Und unsere Gemeinde ist auch toll. Lasst uns eine grundsätzlich positive Sicht auf unsere Gemeinde haben, ohne dabei die Probleme und Herausforderungen zu verdrängen.
- Paulus betet für die Gemeinde mit frohem Herzen. Das könnte doch vorbildlich für uns sein.
- Und dann betet er für die Vertiefung der Beziehung zueinander. Denn auch das macht Gemeinde aus, sonst sind wir nur ein Verein zur Wortverbreitung.
- Und Gott hat sein gutes Werk in dir und mir begonnen und wird es zum Ziel bringen und das gilt auch für unsere Gemeinde. Lassen wir uns von Jesus in positiver Weise antreiben und begeistern.