Einleitung
Die meisten wissen ja, was mir im vergangenen Monat so widerfahren ist. Es fing mit leichten Beschwerden an und dann habe ich im Sommer des vergangenen Jahres den Urologen aufgesucht.Der erklärte mir, nach mehreren zum Teil eher unangenehmeren Untersuchungen, dass ich an der Prostata operiert werden muss.
Man wirft ja Männern vor, dass sie eher pimpfig sind, was Arztbesuche angeht.
Frauen gehen zum Arzt und Männer warten, bis der Arzt kommt.
Ich persönlich gehe schon relativ regelmäßig zur Vorsorge, aber was die Prostata-OP anging, hatte ich doch etwas Angst. Ich hatte es aufgeschoben, weil diese leichten Beschwerden auch nicht weggingen und habe dann im Januar einen Termin für die OP gemacht und es im Februar durchgezogen.
Probleme alleine
Irgendwie möchte man über manche Erkrankungen gar nicht so gerne sprechen. Ich habe auf der Arbeit auch nur erzählt, dass ich eine OP habe, nicht was für eine. Einzelnen, die nachgefragt haben, habe ich das dann schon erzählt. Ich habe das auch in der Gemeinde nicht allen erzählt, aber eigentlich macht eine Geheimniskrämerei darüber wenig Sinn.
Den einzigen Fall, wo eine Geheimhaltung vielleicht Sinn macht, ist, wenn man einen eher unfreundlichen Arbeitgeber hat und dort die Gefahr besteht, dass er eine Erkrankung gegen einen verwendet. Aber das befürchte ich bei mir persönlich nicht.
Also in der Gemeinde oder im Freundeskreis ist so eine Geheimhaltung wahrscheinlich nicht so gut.
Wir finden ja z.B. in Galater 6, 2; NEÜ
Dazu muss man natürlich mitteilen, an welchen Lasten man trägt. Vielleicht ist das Wort „Lasten“ auch zu fromm. In einer anderen Übersetzung steht sinngemäß (NL):
Es ist auch gefährlich, wenn man alles nur für sich behält, weil man dann in die Falle laufen kann, dass man glaubt, man hätte nur ganz alleine diese Probleme und allen anderen geht es gut. Vielleicht hat man auch Angst vor Leuten, die sehr schnell mit guten Ratschlägen unterwegs sind.
Aber es hilft alleine schon, wenn man merkt, dass auch andere Probleme und Schwierigkeiten haben. Das gilt natürlich auch für nicht-körperliche Geschichten, wie z.B. Depressionen oder Krisen. Der Irrglaube, dass man völlig allein mit seinem Problem ist und dass niemand das Problem verstehen kann und will, kann einen wirklich fertig machen.
Ich finde auch den Vers danach in diesem Zusammenhang interessant. Ich nehme mal eine recht wörtliche Übersetzung (Galater 6, 3; ELB):
Dieses „ich bin etwas“ oder „ich bin jemand“ hat im Altgriechischen die selbe mehrfache Bedeutung wie im Deutschen. Einerseits bedeutet es nur neutral „etwas“ oder „jemand“, andererseits kann es auch, wie hier im Vers, für etwas besonderes oder jemand Besonderen verwendet werden.
Im Zusammenhang mit dem Vers davor kann es einerseits bedeuten, ich habe es nicht nötig, anderen bei ihren Lasten zu helfen, oder ich habe es nicht nötig, meine Lasten mit anderen zu teilen. Ich bekomme alles selber hin.
Beide Denkweisen sind natürlich falsch.
Was bleibt übrig?
Dann kam die OP. Der Eingriff an sich war Routine, aber ich stand vor der Wahl, entweder eine Spinalanästhesie zu nehmen, wo man ab dem Rücken abwärts betäubt und damit gelähmt wird oder eine Vollnarkose zu wählen.
Bei der Vollnarkose gibt es ein winziges Restrisiko, überhaupt nicht mehr aufzuwachen und bei der Spinalanästhesie gibt es das winzige Restrisiko, querschnittsgelähmt zu bleiben. Wahrscheinlich sind diese Risiken aber geringer, als mit dem Auto auf dem Weg zum Krankenhaus zu verunglücken. Ich habe mal nach Zahlen gesucht, aber nichts gefunden.
Ich habe mich für die Spinalanästhesie entschieden, zumal ich dann auch bei der OP zusehen konnte, was eine interessante Erfahrung war. Die Lähmung war ebenso eine interessante Erfahrung, zumal sich die Beine als Gefühl die letzte Position vor der Betäubung gemerkt haben, und als sie dann anders lage, fühlte es sich trotzdem immer noch wie zu Beginn der Lähmung an.
Der Urologe hat dann meine Prostata ausgeschabt und ich habe dabei auf einem Monitor zugesehen und mich mit ihm dabei unterhalten. Er hat mir ein paar Sachen erklärt und auch meine Fragen beantwortet. Das war ganz interessant. Ich hätte da gerne ein Video davon gehabt, aber das wäre wohl nicht gegangen, ich hatte auch vergessen vorher zu fragen.
Und dann hofft man, dass alles nach der OP alles wieder gut wird. Leider hatte ich am Dienstag danach eine Komplikation, weil sich da unten irgendetwas zu gesetzt hatte. Das tat richtig weh, und deshalb habe ich für mich persönlich die Kategorie „unangenehm“ eingeführt, weil Schmerz jetzt für das Erleben dieses Komplikationstags reserviert ist. Meine Frau fuhr mich ins Krankenhaus und habe dann erst einmal wieder einen Katheder für eine Woche bekommen.
Ich bin zwar guter Dinge, aber noch nicht über den Berg und die Verheilung der Wunde ist auch noch nicht abgeschlossen.
Was ist, wenn Beschwerden übrig bleiben?
Wir finden in der Bibel ja das Beispiel von Paulus in 2. Korinther 12, 7-9; NEÜ:
Andere Übersetzungen schreiben „Pfahl im Fleisch“ oder „quälendes Leiden“. Irgendetwas körperliches wird das gewesen sein und er ist es nicht los geworden. Viele Bibelausleger vermuten ein Augenleiden und schließen das aus Galater 6, 11; NL:
Das ist natürlich möglich, aber irgendwie auch Spekulation. Allerdings war Paulus auf andere angewiesen. Damals gab es keine Brillen und er musste mit Leuten reisen, die ihm halfen und die für ihn schrieben. Dieser Trip „ich schaffe das alles alleine“ war für ihn nicht möglich. Er war gezwungen, im Team zu arbeiten.
Ich bin sicher, dass der Text mit dem Dorn im Fleisch das persönliche Erleben von Paulus beschreibt.
Selbstverständlich muss man Beschwerden nicht pauschal hinnehmen, sondern kann dafür beten und natürlich auch zum Arzt gehen und sich behandeln lassen. Aber machen wir uns nichts vor, es wird nicht pauschal alles von Gott geheilt, ob es nun krankheitsbedingte Gebrechen sind oder auch altersbedingte. Wir tanzen nicht ohne Beschwerden, bis wir 90 sind, durchs Leben. Es kommen auch Tage, die einem nicht gefallen, wie es so markant in Prediger 12, 1 über das Alter heißt.
Aber wie immer auch unsere persönliche Situation ist, sollten wir Gott darum bitten, dass wir persönlich unseren Frieden damit machen können, wie immer auch unsere Beschwerden sind. So hat Paulus das ja auch erlebt.
Neue Kraft
Aber man muss nicht bei den Beschwerden stehen bleiben.
Mir ist zu diesem Thema ein Abschnitt aus Jesaja 40 eingefallen. In diesem Kapitel wird zuerst die Größe Gottes beschrieben und diese Beschreibung endet in folgender Aussage (Jesaja 40, 28; NL):
Und dann kommt die Zusage in Jesaja 40, 29-31; NL, an die ich mich erinnerte:
Diesen Text ist eine Zusage für einen ganz persönlich.
Ich bin sicher, er ist nicht wörtlich allgemeingültig gemeint, denn die Aussage „Sie laufen schnell, ohne zu ermüden“ deckt sich nicht mit meinem Erleben in der Schulzeit, wo ich bei Wettrennen, egal ob Kurz- oder Langstrecke, bis auf ein einziges Mal immer letzter war. Ich bin beim Laufen immer ziemlich schnell ermüdet und ich glaube, dass ist heute immer noch so. Ich renne halt nicht mehr so viel, schließlich habe ich einen Führerschein ;-)
Wir können ja auch nicht wie die Adler fliegen, aber trotzdem ist dieser Bibeltext wahr.
Betrachten wir ihn etwas näher. Anscheinend kann Erschöpfung und Kraftlosigkeit jeden treffen, sogar junge Männer, die als Sinnbild der menschlichen Kraft gesehen werden können. Als junger Mann habe ich rund um unser Haus Lehm geschaufelt, als wir unseren Keller abgedichtet haben. Das würde ich heute in diesem Maße nicht mehr hinbekommen.
Aber es geht hier wohl nicht in erster Linie um Körperkraft. Und es geht auch nicht darum, dass man über seine Grenzen hinausgehen soll. Wenn man körperlich erschöpft ist oder auch wenn man z.B. einen Burnout hat, dann muss man sich erholen. Dann muss man pausieren und man muss auch Änderungen im Leben vornehmen, so dass man sich nicht selbst immer wieder überfordert.
Das scheint mir offensichtlich, aber man muss sich hin und wieder für sich selbst immer mal wieder darüber klar werden.
Wie soll man jetzt diesen Bibeltext verstehen? Es besteht hier natürlich die Gefahr, dass man hier auf die Plattitüden-Schiene kommt, so in dem Sinne: „Du musst nur genug auf Gott vertrauen, dann läuft alles und Du wirst immer Power haben.“ Das kann dann sogar dazu führen, dass man den Erschöpften vorwirft, sie würden nicht genug glauben. In diese Richtung wollen wir gar nicht. Hiobs Freunde haben uns schon vorgemacht, dass das der falsche Denkansatz ist.
Trotzdem ist dieser Bibeltext sehr wichtig.
Zu Anfang können in Vers 28 feststellen, dass Gott niemals müde oder matt wird. Und diese Kraft möchte er den Erschöpften und Kraftlosen geben. Dabei sind mir einige Punkte aufgefallen:
- Es geht nicht um Dauerpower. Sondern es wird immer Phasen des Laufens und des Stehens geben, des Handelns und des Wartens. Sonst müsste man nur einmal das hier alles richtig verstehen und glauben und man würde wie ein Duracell-Häschen bis zum Ende der Lebensbatterie durchpowern.
- Es hängt natürlich mit dem zusammen, was Gott für eine Person möchte. Die auf den HERRN warten, gewinnen neue Kraft.\end">bible"> Manchmal muss man darauf warten zu verstehen, was Gott will. Und manchmal muss man auch auf seine Kraft warten.
Das Bild vom Adler kann auch bedeuten, dass Gott uns an seiner Perspektive von oben ein Stück teilhaben lassen will, damit wir nicht einfach mit neuer Kraft das alte weitermachen, sondern neue Wege und Perspektiven erkennen können, die wir dann mit neuer Kraft beschreiten können.
- Wir müssen uns natürlich auch immer wieder bewusst machen, wo wir mit unserem eingefahrenen Denken Gott im Weg stehen. Wir haben vorhin gehört, dass es wichtig ist, seine Probleme mit anderen zu teilen. Paulus musste lernen, dass er durch sein körperliches Gebrechen auf andere Menschen angewiesen ist.
Wenn wir als Einzelkämpfer glauben, alles irgendwie hinzubekommen, dann wird uns sicherlich irgendwann die Kraft ausgehen, denn laut Bibel ist das nicht der richtige Weg für einen Christen.
Zusammenfassung
Ich fasse zusammen.
- Wir haben zuerst betrachtet, dass es nicht so schlau, Probleme und Sorgen für sich zu behalten. So wie Jesus Christus sich das vorstellt, ist es am Besten Lasten zu teilen und miteinander zu tragen. Dann gerät man nicht in die Falle zu glauben, dass nur man selbst diese Lasten hat.
- Weiterhin haben wir gesehen, dass es eine falsche Überheblichkeit ist, einerseits zu glauben, die Lasten der anderen gehen einen nichts an und zum anderen zu glauben, die eigenen Lasten gehen die anderen nichts an.
- Was ist mit den Beschwerden, die man nicht mehr los wird? Paulus hatte einen schmerzhaften Dorn im Fleisch und wir können nur vermuten, was das war. Aber er musste lernen, dass er auf andere angewiesen war, die ihm halfen und mit denen er zusammen unterwegs war. Alleine alles schaffen zu wollen ist ein Irrweg.
- Wir haben kurz betrachtet, dass Gott nie ermüdet und nie matt wird und dass er diese Kraft auch weitergeben will.
- Dabei geht es ganz grundsätzlich nicht um Dauerpower, sondern man hat immer Zeiten des Laufens und Zeiten des Stehens, Zeiten des Handelns und Zeiten des Wartens.
- Das Gewinnen neuer Kraft basiert auf dem Warten auf Gott. Und manchmal kann sich das Warten ziehen, bis man versteht, was Gott will und bis er die Kraft gibt.
- Und er kann auch eine neue Perspektive von oben schenken, so dass man besser versteht, wohin es mit der neuen Kraft geht und warum.
- Zu guter Letzt müssen wir unsere eingefahrenen Denkweisen immer mal wieder hinterfragen. Wie z.B. Paulus lernen musste, auf andere angewiesen und im Team unterwegs zu sein, so werden auch wir nie genug Kraft bekommen, um alles als Einzelkämpfer durchziehen zu können.