Einleitung
Wann habt Ihr zuletzt einen Straßenprediger gesehen? Also z.B. jemanden, der auf einer Kiste steht und in die Fußgängerzone predigt. Manch einer steht vielleicht auf dem Sockel eines Denkmals, damit man ihn besser sieht, ein anderer steht einfach so mit der Bibel in der Hand und predigt mit lauter Stimme.
Ich bin nicht oft in einer Fußgängerzone, aber ich glaube, ich habe schon lange keinen Straßenprediger mehr gesehen.
Bei YouTube habe ich einige gefunden. Es gibt z.B. ein kleines Missionswerk in Deutschland, dass Straßenprediger durch ganz Deutschland schickt und zu einigen Predigern gibt es auch Videos.
Ich habe in ein paar Videos hineingeguckt und ich muss sagen, ich habe den Mut dieser Leute bewundert. Da war zum Beispiel jemand, der hat in der Fußgängerzone in Hannover mit Bibel in der Hand und mit lauter Stimme klar von Jesus gepredigt. Er hat nicht herumgeschrieben, aber laut gesprochen.
Allerdings ist so gut wie keiner stehen geblieben.
Ich glaube, es lag unter anderem daran, dass er viel kanaanäisch gesprochen hat und dazu muss man wissen, dass das heutige Kanaanäisch nicht dasselbe ist, was wir Älteren aus unserer Jugend kennen.
Früher war Kanaanäisch, wenn man in der Sprache alter Bibelübersetzungen gesprochen hat. Zum Beispiel den bekannten Vers Johannes 3, 16 aus einer alten Luther-Übersetzung von 1892:
„Also hat Gott die Welt geliebet, dass er seinen eingeborenen Sohn gab“
„Also“ ist hier verwirrend, „geliebet“ ist eine unnötig verwirrende grammatikalische Form und „eingeborenen“? War Jesus ein Schwarzer?
Und das ist noch ein harmloses Beispiel. Inzwischen bin ich der Meinung, man sollte Bibeln in alter Sprache lieber nicht für das Vortragen von Bibeltexten verwenden, weil das für diesen brandaktuellen Bibelvers nur künstliche Barrieren aufbaut.
Die Bibel ist heute und wird auch morgen noch brandaktuell sein, aber wir haben in der Vergangenheit oft eine Übersetzung verwendet, die diese Aktualität in Zweifel zieht: Veraltetes Deutsch, veralteter Inhalt, ich weiß, das ist ein Trugschluss, aber können wir Leuten verdenken, dass sie ihn ziehen?
Solches Kanaanäisch hat der vorhin erwähnte Straßenprediger nicht verwendet, er hat schon heutiges Deutsch gesprochen.
Aber er hat in seiner Predigt sehr oft Kenntnisse der Bibel vorrausgesetzt, die vielen Menschen heute ja sehr unbekannt sind, z.B. „Wir sind in diesem Licht, aber wir wandeln nicht in diesem Licht, so haben wir keine Gemeinschaft mit ihm“, so in diesem Stil war diese Predigt und das ist wahrscheinlich auch ein Grund dafür, das kaum einer stehen geblieben ist.
Ich glaube, dieses Kanaanäisch ist nicht so schlimm wie das alte, aber an den meisten gemeindefremden Menschen geht es trotzdem vorbei, und das sind ja die, die man in einer Fußgängerzone ansprechen will.
Andererseits ist es leicht, ein Video zu Hause vor dem Bildschirm zu kritisieren. Dieser Prediger ist da draußen und traut sich was und das bewundere ich in jedem Fall.
Mir fiel noch ein anderer Straßenprediger ein. Manch einer von Euch kann sich vielleicht an Sonjas und meine Hochzeit erinnern. Der Prediger damals ist zwar von Beruf Erzieher, ist aber oft auch als Straßenprediger unterwegs.
Und in München gibt es ab und zu eine Konferenz der Straßenprediger, kein Witz. Und ich habe auch ein Video von ihm gefunden. Und bei ihm sind Leute stehen geblieben. Da gerade Oktoberfest war, wählte er als Einstieg die vierbeinigen und zweibeinigen Rindviecher. Die vierbeinigen hören auf zu Saufen, wenn sie genug haben, auch wenn noch Wasser da ist, die zweibeinigen saufen immer weiter, bis es oben wieder rauskommt. Das ist irgendwie ein gelungener Einstieg.
Warum erzähle ich überhaupt von Straßenpredigern?
Ich möchte mit Euch heute das erste Auftreten von einem Straßenprediger im neuen Testament betrachten, von Johannes dem Täufer.
Ich lese Matthäus 3, 1-12; NL:
Johannes als Person
Irgendwie wirkt er hier wie ein klassischer Straßenprediger, fast wie so eine Karikatur, wie man sie vielleicht aus dem Fernsehen kennt.
Aber wer war Johannes? Wir wissen nicht viel über ihn.
Er war mit Jesus verwandt (vielleicht ein Cousin zweiten Grades, wenn Maria und Elisabeth Cousinen waren), ein halbes Jahr älter als Jesus, sein Vater war Priester und damit hat er wahrscheinlich auch Bildung und eine gute Erziehung genossen. Er war stark im Geist (laut Lukas 1, 80), was immer das auch genau heißt. Die Übersetzung „Hoffnung für alle“ schreibt an der Stelle, „er wurde zu einem verständigen und klugen Mann“, ähnlich übersetzt „Die gute Nachricht“.
Ich glaube nicht, dass das Wort „Geist“ hier einfach das Gleiche wie „Verstand“ bedeutet, aber er war sicherlich ein kluger und verständiger Mensch.
Und er war auch, laut Lukas 1, 15, vom Mutterleib an mit Heiligen Geist erfüllt. Er hatte also damals schon diese besondere Beziehung zu Gott, die man eigentlich erst durch Jesu Tod am Kreuz haben konnte.
Was Johannes bis zum Beginn seiner Predigertätigkeit mit Ende Zwanzig gemacht hat, wissen wir nicht, vielleicht hat er bei seinem Vater eine Art Priesterausbildung gemacht und studiert.
Aber dann zog er in die Wildnis, in die Wüste. Er hatte nur einfache Kleidung und hat sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährt. Ihm war wohl klar, was sein Auftrag ist und er bereitete sich in der Stille darauf vor.
Die Predigt
Und dann begann er zu predigen. Was genau seine erste Predigt war, kann man aus diesem Text nicht so ganz ersehen. Aber die Zusammenfassung seiner ersten Predigten war:
Andere Übersetzungen wie die Elberfelder oder die Luther schreiben „Tut Buße“. Das ist natürlich kanaanäisch, was keiner mehr versteht.
Bei dem Wort „Buße“ haben die Leute entweder einen sich selbst auspeitschenden Mönch vor Augen oder denken an ein Bußgeld, an eine Geldbuße. „Na ja klar, der Kirche geht es doch nur um Geld.“
Nein, von der Umkehr kann man sich nicht freikaufen, das geht nur persönlich mit dem ganzen Leben, von ganzem Herzen.
Wir hatten das ja auch einmal ähnlich als Jahreslosung: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“
Und dieser Ruf zur Umkehr ist die Vorbereitung für Jesus Christus. Man merkt nämlich ganz schnell, dass man an seine Grenzen kommt, wenn man aus eigener Kraft sein Leben ändern will. Aber wenn das Bewusstsein dafür da ist, dass Änderung nötig ist, dann ist man auch bereit für Sündenvergebung, Umkehr und eine neues Leben in Jesus Christus.
Sein Auftrag
Der V.3 unseres Bibeltextes ist ja ein Zitat aus dem Propheten Jesaja 40, 3. Ich möchte die Stelle aus Jesaja mit den darauffolgenden Versen vorlesen (Jesja 40, 3-5; NL):
Johannes hat sein Bestes gegeben, um die Hügel und Berge einzuebnen, die verhindern, dass Menschen die Herrlichkeit Gottes, nämlich Jesus Christus, sehen. Auch Täler und Gräben sollen zugeschüttet werden, um Menschen nicht abzuhalten.
Vielleicht ist sogar eine kanaanäische Sprache oder Wortwahl so ein Berg, der den Blick auf Gottes Herrlichkeit verstellt. Aber es gibt sicherlich auch andere Gräben und Hindernisse für Menschen auf dem Weg zu Jesus.
Johannes' Auftrag war, diese Hindernisse abzubauen, und er hat es wohl geschafft. Viele Menschen kamen zu ihm und hörten ihm zu.
Er hat sicherlich nicht nur diesen einen Satz wiederholt, sondern er war ein Redner, der gefesselt hat. Johannes stand nicht, wie die anfangs erwähnten Straßenprediger, inmitten einer Stadt, sondern er predigte ganz außerhalb, in der Wüste, an einem Jordanufer.
Und die Menschen kamen, und nicht nur die einfachen, leicht beeinflussbaren, es kamen Menschen aus allen Schichten und sie bekannten ihre Sünden, sogar öffentlich, und wurden dann von Johannes getauft.
Man merkt hier auch bisschen, dass die Zeit dafür reif war. So steht es ja auch in Galater 4, 4a; LUT
Es war so weit und Johannes war der Wegbereiter.
Ist heute auch noch die Zeit dafür reif? Die Frage drängt sich einem ja geradezu auf.
In 2. Timotheus 4, 2; NL wird genau darauf eingegangen. Dort schreibt Paulus an Timotheus:
Luther drückt es etwas knackiger aus: „Predige das Wort, stehe dazu, es sei zur Zeit oder zur Unzeit;“
Wir wissen oft gar nicht, ob die Zeit günstig ist oder nicht.
Selbstverständlich geht es nicht nur um Straßenpredigt. Unser Leben kann eine gelebte Predigt sein, unser Zeugnis kann eine Predigt sein, ohne dass wir dabei predigen.
Lasst uns die Berge einebnen und die Täler füllen, damit Menschen zu Jesus kommen.
Man muss sich auch einmal etwas trauen!
Einen Punkt möchte ich zu Johannes' Wirken noch anführen.
Er traute sich etwas. Das habe ich ja auch an den Straßenpredigern bewundert, deren Wortwahl ich kritisiert hatte. Aber sie trauen sich und gehen raus und vielleicht schickt Gott Leute vorbei, die diese Wortwahl verstehen.
In der heutigen Zeit haben so viele Christen Angst davor, für weltfremd gehalten zu werden. Sie betonen, dass sie auch ganz normale Menschen sind.
Johannes' Auftreten wirkte sicherlich auch damals weltfremd, und wahrscheinlich gab es auch Menschen, die ihn verspottet haben. Die gab es sicherlich.
Vielleicht gab es auch kluge Berater, die Johannes empfohlen haben, sich doch etwas anständiges anzuziehen, um die Leute nicht so abzuschrecken. Vielleicht gab es auch fromme Verwandte von Johannes, er kam ja aus einer Priesterfamilie, denen es peinlich war mit Johannes verwandt zu sein.
Und natürlich hat sich Johannes auch sehr weit aus dem Fenster gehängt.
Als die Pharisäer und Sadduzäer zu ihm kamen, nahm er kein Blatt vor dem Mund. Er beschimpft sie als „Schlangenbrut“, in der Luther steht „Otterngezücht“. Das versteht heute keiner mehr, aber das hört sich fast poetisch an.
Ich bin sicher, dass er hat nicht leichtfertig provoziert und irgendwelche unüberlegten Sprüche rausgehauen hat. Er hatte sich ja gut auf seinen Predigtdienst vorbereitet.
Bei solchen Aussagen muss man sich schon sehr sicher sein.
Und er macht auch deutlich, dass man sich entscheiden muss. Er kündigt Jesus an, der mit Heiligem Geist und Feuer taufen wird und zwischen Weizen und Spreu trennen wird.
Man muss sich entscheiden, irgendwann muss man sich im Leben für oder gegen Jesus entscheiden und irgendwann ist es auch zu spät, weil man sich nicht mehr entscheiden kann.
Johannes hat sich getraut, diese Botschaft öffentlich zu verkündigen und trotz teilweiser harter Worte, hat er für die Menschen die passenden Worte gefunden, so dass die Leute gekommen sind und zugehört haben. Und viele haben ihre Sünden bekannt und sich taufen lassen.
Zusammenfassung
Ich komme zum Schluss:
- Wir haben am Anfang ein bisschen über Straßenprediger nachgedacht, wie sie wirken und wie wichtig die richtige Sprache und die richtigen Wortwahl ist. Aber man kann ihren Mut bewundern und dafür beten, dass Menschen dadurch zu Jesus finden.
- Dann haben wir uns Johannes als ersten Straßenprediger des neuen Testaments angesehen. Wir wissen nicht viel über sein Leben, aber er war ungefähr so alt wie Jesus, von Mutterleib an mit Heiligem Geist erfüllt, stark im Geist und wahrscheinlich ein kluger und verständiger Mann. Vor seinem Dienst hat er eine Zeit in der Einsamkeit verbracht.
- Johannes predigte zur Umkehr und zum Sündenbekenntnis, und die Menschen aller Schichten kamen und bekannten ihre Sünden und ließen sich von ihm taufen. Und er verschwieg nicht, dass er nur der Vorläufer für einen Größeren, für Jesus Christus war.
- Und das war auch sein eigentlicher Auftrag: Jesus, den Weg zu ebnen. Johannes hat die Menschen mit seiner Predigt gefesselt und sie auf Jesus vorbereitet. Er hat Berge eingeebnet und Täler gefüllt. Und auch wir können durch unser Leben den Blick auf Jesus öffnen, durch unser Handeln und Reden.
- Und er hat sich etwas getraut. Er hatte keine Angst um seinen Ruf, er hat die Wahrheit verkündet und sich auch mit Mächtigen angelegt, sicherlich nicht leichtfertig, aber trotzdem mutig. Und er hat deutlich klargemacht, dass man sich entscheiden muss, für Jesus Christus.