Einleitung
Es geht heute um Liebe. Was ist Liebe?
Mir ist dabei aufgefallen, dass ich genau über dieses Thema schon einmal gepredigt hatte. Im Mai 2008 hatten wir hier in der Gemeinde die Kampagne „Liebe in Aktion“ und ich hatte damals die Einführungspredigt.
Und da ging es um genau dasselbe Thema: Liebe.
Als Einstieg in das Thema hatte ich mir damals zu Hause alte Schlager aus den 70ern angehört, wo das Wort „Liebe“ ziemlich oft verwendet wurde. Ich hatte meine Kindheit ja in den 70ern verbracht und bin mit der ZDF-Hitparade aufgewachsen.
Manche Lieder gefielen mir als Kind, aber ein Lied hat sich bei mir förmlich eingebrannt. Das fand ich als Kind schon doof, das fand ich 2008 bei der Vorbereitung für die damalige Kampagnenpredigt auch noch doof.
„Ich bin verliebt in die Liebe, sie ist Ok-hey für mich, ich bin verliebt in die Liebe und vielleicht auch in dich.“ Das ist von Chris Roberts.
Ich habe es mir auf einer Video-Plattform noch einmal angehört und ich finde es heute immer noch doof.
Ein Kommentar unter diesem Video war:
„die deutsche Rache für zwei verlorene Weltkriege; das treibt jeden Feind in den Wahnsinn.“
Und es war nicht das einzige Lied dieser Art in dieser Zeit.
Dieses Lied besteht ja nur aus einer, zugegebenermaßen sehr schlechten, Beschreibung von Liebe als Gefühl. Und in dem Lied war das Gefühl auch noch wichtiger als die andere Person, was wohl leider nicht so selten vorkommt. Von daher hat dieses flache Lied ungewollt einen tieferen Sinn.
Ich könnte jetzt lang und breit erklären, dass Liebe nicht nur ein Gefühl ist, oder mehr als ein Gefühl ist, und ich könne aus meiner Predigt von 2008 die griechischen Definitionen der verschiedenen Arten von Liebe noch einmal aufführen.
Aber zumindest die, die öfters einen Gottesdienst besuchen, werden das schon oft in aller Gänze gehört haben. Und wer will, kann meine alte Predigt von meiner Homepage herunterladen ;-)
Glück des anderen
Ich möchte heute einmal versuchen, Liebe mit einem Satz, genauer gesagt, mit einer Frage zu definieren:
Wieviel ist mir das Glück des anderen wert?
Ist das wirklich eine Definition für Liebe? „Definition“ passt hier nicht so richtig, aber diese Frage soll uns im Folgenden dahin führen, zu verstehen, was Liebe ist.
In der Bibel gibt es ja diese zentrale Aussage, z.B. in Matthäus 22, 37-40; NL
In einer anderen Übersetzung, in der Neuen Genfer Übersetzung, steht statt „Nächster“ „Mitmensch“.
Du sollst also deinen Mitmenschen lieben wie dich selbst. Das klingt ein bisschen ungewohnt, aber das führt uns direkt zu der Frage:
Wer ist der Nächste?
Wen sollen wir lieben? Wer ist der Nächste, der Mitmensch?
Wir sind ja von anderen Menschen umgeben. Manche haben Partner, manche Kinder, Geschwister, Eltern, sonstige Verwandte, die meisten haben Arbeitskollegen und -kolleginnen, fast alle haben Nachbarn.
Man kann sich doch nicht um alle kümmern. Also wer ist der Nächste? Dazu gibt es eine recht bekannte Geschichte in der Bibel, vielleicht sogar die bekannteste überhaupt, mit folgender Vorgeschichte in Lukas 10, 25-29; NL
Dieser Mann stellt genau unsere Frage: Wer ist mein Nächster? OK, seine Motive wären jetzt nicht so edel. Er wollte ja keine wirkliche Antwort, sondern er wollte Jesus nur vorführen.
Aber Jesus geht auf ihn ein und erzählt diese bekannte Geschichte:
Betrachten wir einige Gesichtspunkte dieser Geschichte: Der Samariter sah den Mann und empfand tiefes Mitleid. Die Menschen, die immer um uns herum sind und die wir sowieso mögen, für die haben wir immer einen Blick. Aber dieser Fremde, was geht der mich an? Offensichtlich haben das ja auch der Priester und der Tempeldiener gedacht. Aber der Samariter sah ihn und wollte nicht vorbeigehen.
Sind wir offen dafür, Mitleid mit anderen Menschen zu haben, mit Menschen, mit denen wir sonst nichts zu tun haben?
Vielleicht sind es sogar Menschen, mit denen wir sonst gar nichts zu tun haben wollen. Juden und Samariter mochten sich damals nicht.
Jesus spricht darüber ja schon in der Bergpredigt, in Matthäus 5, 43-48; NL
Das ist schon ein Hammer. Aber ich bin davon überzeugt, dass es hier nicht um Überforderung geht, sondern um Offenheit für die Menschen, die einem Gott in den Weg stellt. Der Samariter war offen und er schaffte es, seine Nächstenliebe in seinem Alltag unterzubringen. Er hätte ja auch einen Boten schicken und seine Termin absagen können, um sich um den Kranken zu kümmern. Aber das ging anscheinend nicht, oder das wollte er nicht. Wir wissen nicht, warum und wohin der Samariter unterwegs war. Vielleicht wollte er zu einem Geschäftstermin, vielleicht war auf dem Weg zu seiner Frau, vielleicht hatte sein Sohn auf dem Tempelinternat Abschlussball, das wissen wir nicht. Eines ist aber klar, er wollte den Termin nicht absagen. Also hilft er, so gut er kann. Es bleiben natürlich Fragen offen.
Wir können nicht alles regeln, die Hilfe bleibt immer unvollkommen. Ist er Wirt vertrauenswürdig? Er hat ihm ja zwei 2 Denare gegeben, was immerhin zwei Tageslöhnen entspricht. Vielleicht steckt der Wirt das Geld ein und bringt den Verletzten wieder an den Straßenrand, wenn der Samariter weg ist. Vielleicht hat das Opfer auch innere Blutungen und müsste sofort behandelt werden und der Samariter verurteilt ihn dadurch zum Tode, weil er ihn nicht zu einem Arzt bringt.
Das sind natürlich alles Spekulationen. Ich bin sicher, der Samariter hat diese Fragen alle geprüft, so gut er es eben konnte. Und er hat geholfen und daher stellt ihn Jesus als Beispiel dar.
Für uns heute wäre diese Situation einfacher. Wir würden mit dem Handy die Polizei und den Krankenwagen holen und dadurch würde der Verletzte eine bessere Behandlung bekommen, als in irgendeiner Gaststätte.
Aber es gibt genug Fälle, wo uns Gott Menschen in den Weg stellt, bei denen wir die Nächstenliebe nicht sinnvoll outsourcen können. Und das wird sich trotz gutem Sozialsystem auch nie ändern.
Und dann gibt es noch die Sowieso-Leute. Kennt Ihr die Sowieso-Leute? Jesus hat sie in der Bergpredigt erwähnt (Matthäus 5, 46.47; NL):
Er erwähnt hier die Leute, die wir sowieso lieben. Das sind die, die uns lieben, unsere Brüder und Schwestern; diese zu lieben ist nichts Besonderes, das tun wir sowieso. Und jeder hat doch Leute um sich herum, die er sowieso liebt, oder?
Doch was denken unsere Sowieso-Leute über uns? Fühlen sie sich noch geliebt? Zeigst Du noch Deine Wertschätzung? Oder fällt Dein Blick auf Deinen Nächsten in Deinem Umfeld nur dann, wenn etwas nicht stimmt? Du liebst ihn ja sowieso, dann muss man das doch nicht extra zeigen, oder?
Ich übertreibe natürlich. Aber es ist schon wichtig, dass wir unsere Lieben um uns herum nicht vernachlässigen.
Das Glück des Nächsten
Ihr könnt Euch noch an meine Frage vom Anfang erinnern?
Wieviel ist mir das Glück des anderen wert?
Wir haben jetzt viel darüber nachgedacht, wer der andere ist.
Aber zur Nächstenliebe gehört mehr dazu, als nur den anderen zu kennen. Ich bin mir sicher, das z.B. manche Gegner eines Politikers diesen gut kennen, seinen Lebensweg, seine Vorlieben, seine Schwächen und auch evt Leichen im Keller. Aber das Wissen will man dann ja gegen ihn verwenden und nicht für ihn.
Was heißt denn nun zu lieben? Es bedeutet, das Glück des anderen, des Nächsten, anzustreben. Ich glaube nicht, dass diese Definition vollständig oder perfekt ist, aber wenn Euch in der kommenden Woche immer 'mal wieder das Glück Eurer Nächsten, also der Fremden und der Sowieso-Leute, in den Sinn kommt und Ihr darüber nachdenkt, dann seit Ihr und ich auf einem guten Weg in Sachen Nächstenliebe.
Aber was heißt Glück?
Für den Verletzten in der Geschichte vom barmherzigen Samariter war es ein Glück, dass der Samariter vorbeikam und ihm half. Es war offensichtlich.
Was braucht mein Nächster, was macht ihn glücklich?
Jesus hat einigen, die von ihm Hilfe wollten, diese Frage gestellt, z.B. in Markus 10, 51; NGÜ
Sogar Jesus, der es offensichtlich vorher schon wusste, fragte trotzdem nach. Er interessierte sich für ihn.
Für den Blinden war das Glück die Heilung. Andere, die Jesus begegneten, haben Vergebung ihrer Sünden als ihr größtes Glück empfangen.
Eine interessante Begebenheit, die die dazu passt, ist die Heilung des Gelähmten, der durch das Dach hinuntergelassen wurde (Lukas 5, 18-25; NGÜ):
Die Freunde und der Gelähmte dachten vielleicht, dass das größte Glück die Heilung sei. Ich glaube nicht, dass sie die Sündenvergebung bei dieser Aktion so sehr vor Augen hatten. Aber für Jesus ist der Friede mit Gott, die Vergebung der Sünden das Wichtigste. Das müssen wir für uns selbst lernen. Hier gab es die Heilung zur Sündenvergebung mit dazu. Unbewältigte, unvergebene Schuld kann krank machen und aus der erfahrenen Vergebung folgt oft die Heilung.
Natürlich ist es unser Auftrag, von Jesus weiterzusagen und das ist natürlich auch das größte Glück, dass jemand erfahren kann.
Aber zusätzlich muss es auch eine Nummer kleiner gehen. Wenn z.B. unseren Kindern etwas sehr wichtig ist, dann helfen wir ihnen dabei, auch wenn es uns vielleicht albern vorkommt. Wir lieben unsere Kinder und deshalb nehmen wir ernst, was ihnen wichtig ist. Natürlich müssen wir u.U. dabei auch erzieherische Grenzen ziehen, das ist klar.
Wie ist das bei den erwachsenen Sowieso-Leuten in unserer Umgebung? Sind die alle so geistlich, dass sie nur Jesus und die Gemeinde sehen und dazu tapfer ihren Pflichten nachkommen und den Rest nur als irdischen Tand einer vergehenden Welt sehen? Oder haben sie auch Träume oder etwas, was sie auf kleinerem Level glücklich macht? Interessiert uns das und erzählen wir uns davon?
Wissen wir, was den anderen erfreuen oder sogar glücklich machen könnte?
Wieviel?
Und wenn wir es wissen: Wieviel ist es uns wert?
Mir gefällt das Verhalten des Samariters sehr gut. Er hat sich seine Nächstenliebe richtig etwas kosten lassen, für einen Fremden, für jemanden aus einer verfeindeten Volksgruppe. Aber trotzdem blieb er pragmatisch und hat seine Reise fortgesetzt, die er wahrscheinlich nicht unterbrechen konnte.
Wir wissen nicht, wieviel für ihn diese zwei Denare waren. Vielleicht muss er jetzt auf seiner Reise auf eine Übernachtung verzichten und länger in der Hitze pro Tag unterwegs sein, weil ihm nun das Geld für eine Übernachtung fehlt.
Vielleicht wollte er sich etwas tolles an seinem Reiseziel kaufen und muss nun darauf verzichten.
Vielleicht wollte er einen Trauring kaufen, edel mit viel Gold und vielen Diamanten. Und nun muss es eine Nummer kleiner sein und er muss das seiner Liebsten erklären.
Nächstenliebe kostet etwas und man kann seine Zeit und sein Geld nur einmal ausgeben.
Es gibt, glaube ich, keine universellen Anordnungen, wie man es richtig macht. Das einzig universelle dazu, was mir einfällt, ist die Tatsache, dass es das größte Glück auf Erden ist, Jesus Christus kennen zu lernen und das sich dafür jeder Aufwand lohnt.
Schließlich hat Jesus Christus alles für uns gegeben (Philipper 2, 6-8; NGÜ):
Das ist größte Botschaft aller Zeiten und sie sollte unseren Alltag prägen, aber trotzdem müssen wir diesen Alltag bestehen. Wir müssen unsere Zeit und unser Geld zwischen den Fremden und unseren Sowieso-Leuten abwägen, wir müssen unsere Grenzen kennen. Vielleicht können wir nur kurz helfen und begleiten, so wie der Samariter. Vielleicht ist es über einen längeren Zeitraum möglich.
Wir müssen bereit sein, andere zu sehen und Mitgefühl und manchmal auch Mitleid haben. Aber wir müssen auch „Nein“ sagen können, wenn wir oder unsere Familie nicht mehr kann.
Nehmen wir die Frage „Wieviel ist mir das Glück des anderen wert?“ nicht als Überforderung, sondern als begleitende Frage mit, damit wir einen Blick für den anderen neu bekommen und die gelebte Nächstenliebe in unserem Leben neu einordnen können.
Zusammenfassung
Ich komme zum Schluss.
- Was ist Liebe? Wieviel ist mir das Glück des anderen wert?
- Wer ist mein Nächster? Als Beispiel dazu hörten wir die Geschichte des barmherzigen Samariters. Der Nächste kann ein Fremder sein, den Gott uns in den Weg stellt, es kann aber auch ein Sowieso-Mensch sein.
- Was ist denn das Glück des Nächsten? Das wichtigste ist der Frieden mit Gott und die Vergebung durch Jesus Christus. Aber zusätzlich gibt es noch mehr, was unsere Nächsten glücklich macht. Wissen wir darüber Bescheid? Interessiert uns das?
- Wieviel ist es uns wert? Jesus gab für unser Glück alles. Der Samariter hat ganz pragmatisch getan, was er konnte. Wieviel Nächstenliebe setzen wir in unserem Alltag um?