Leichlingen, 29.6.2008

Hohelied 5, 8-16

Einleitung

Ich möchte mit Euch heute über einen Text aus dem Hohelied von Salomo nachdenken.

Dieses Buch ist fast genau in der Mitte der Bibel und ist eher unbekannt.

In Andachtsbüchern tauchen hin- und wieder der Vers mit den kleinen Füchsen, die die Weinberge verderben und der Vers, wo steht, daß die Liebe stark wie der Tod ist, auf.

Ansonsten fristet das Hohelied eher ein Schattendasein in der christlichen Welt.

Manche Christen – zumindest war es so in der Vergangenheit – haben mit diesem Buch auch deshalb ein Problem, weil es sehr sinnlich ja tlw. fast erotisch wirkt, und darüber spricht man ja nicht.

Für erotisch halte ich es nicht, aber es thematisiert schon in sehr bildhafter Weise die Liebe zwischen Mann und Frau.

Ich möchte heute nicht über das Hohelied als ganzes sprechen, sondern habe mir einen Abschnitt über den Mann im Hohelied heraus gesucht und als Fortsetzung nächste Woche – damit ihr alle wiederkommt – geht es einen Abschnitt über die Frau im Hohelied.

Der Mann

Das Hohelied ist ja ein Dialog zwischen einem Mann und einer Frau und ab und zu tauchen auch noch die Töchter Jerusalems auf, welche man wohl als Freundinnen der Frau betrachten kann.

In dem nachfolgenden Text spricht zuerst die Frau:

Hohelied 5, 8-16;

8 Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, wenn ihr meinen Geliebten findet, was wollt ihr ihm ausrichten? Dass ich krank bin vor Liebe. 9 Was hat dein Geliebter einem andern Geliebten voraus, du Schönste unter den Frauen? Was hat dein Geliebter einem andern Geliebten voraus, dass du uns so beschwörst? 10 Mein Geliebter ist weiß und rot, hervorragend unter Zehntausenden. 11 Sein Haupt ist feines, gediegenes Gold, seine Locken sind Dattelrispen, schwarz wie der Rabe; 12 seine Augen wie Tauben an Wasserbächen, in Milch gebadet seine Zähne, festsitzend in der Fassung; 13 seine Wangen wie ein Balsambeet, das Würzkräuter sprossen lässt; seine Lippen Lilien, triefend von flüssiger Myrrhe. 14 Seine Arme sind goldene Rollen, mit Türkis besetzt; sein Leib ein Kunstwerk aus Elfenbein, bedeckt mit Saphiren. 15 Seine Schenkel sind Säulen aus Alabaster, gegründet auf Sockel von gediegenem Gold. Seine Gestalt ist wie der Libanon, auserlesen wie Zedern. 16 Sein Gaumen ist Süßigkeit, und alles an ihm ist begehrenswert. Das ist mein Geliebter und das mein Freund, ihr Töchter Jerusalems!

Als allererste Reaktion auf diesen Text fragt man sich ja:
Wie hat der denn jetzt wirklich ausgesehen?
Es wäre sicherlich mal interessant, Zettel und Stifte auszuteilen und diesen Freund mal anhand dieser Beschreibung malen zu lassen.

Diese bildhafte Beschreibung wirkt etwas befremdlich auf uns, sie erinnert einerseits so ein bißchen an eine Statue. Es gab im heidnischen Umfeld damals von Israel öfters solche Götterstatuen und vielleicht hatte die junge Frau diese etwas vor Augen.

Andererseits schildert sie ihren Liebsten so voller Leben, in der Hinsicht wieder ganz anders als eine Statue.

Vielleicht war ihr Freund wirklich schön.

Es gibt in der Bibel einige Beispiele für schöne Männer, z.B. Joseph, der nach Ägypten entführt wurde und an dem sich seine Chefin wegen seiner Schönheit vergreifen wollte.

Oder Saul, David und auch Davids Sohn Absalom wurden als sehr schön geschildert.

Aus dieser Schilderung hier kann man aber nicht wirklich entnehmen, ob ihr Freund auch schön war.

Man könnte sich ja auch fragen, ob es wichtig ist, daß ein Mann schön ist.

Es gibt ja dieses Vorurteil, daß Frauen im Badezimmer jeden Morgen vor dem Spiegel stehen und lange an sich herum zweifeln: „Ich bin zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein, meine Beine sind zu dick, zu kurz, usw.“, während ein Mann sich einmal vor dem Spiegel dreht und sagt: „Gar nicht mal schlecht“ und sich dann anziehen geht.

Das ist natürlich nur ein Vorurteil, was gar nicht stimmt.  ;-)

Vielleicht war ihr Freund auch nur in ihren Augen etwas besonderes und das erscheint mir am wahrscheinlichsten.

Schönheit ist ja auch kein objektiv meßbares Kriterium, sonst hätten viele von uns Männern – mich eingeschlossen – ein Problem.

Vielleicht sah ihr Freund in Wirklichkeit auch gar nicht gut aus und ihre Freundinnen – wenn sie denn ein bißchen bösartig waren – haben später laut gelacht, als sie den Freund zum ersten Mal sahen und an die Beschreibung dachten, die die junge Frau ihnen von ihrem Freund gab.

Aber in ihren Augen war ihr Freund etwas ganz besonderes, egal was die anderen sagten und ob sie es verstehen konnten.

Auslegung für uns heute

Was hat uns dieser Text denn nun eigentlich heute zu sagen?

Etwa Liebe macht blind?

Oder vielleicht besser: Liebe sieht das besondere im anderen, das, was andere nicht sehen?

Wir wissen ja, daß im Zustand des Verliebtseins körpereigene Drogen ausgeschüttet werden, die die Sinne in bezug auf den anderen etwas vernebeln.

Und wir alle, zumindest die, die verheiratet sind, wissen, daß dieser Zustand auch irgendwann nachläßt.

Aber wenn wir es schaffen, das besondere im anderen weiterhin zu erkennen, zu erkennen, daß der andere ein unverdientes Geschenk für uns ist, dann ist das schon eine gar nicht so schlechte Grundlage für eine Ehe und wenn ihr da die kommende Woche immer wieder dran denkt, dann wäre ich schon fast zufrieden mit dem Ergebnis dieses Sonntages.

Der Text hat uns aber noch mehr zu sagen.

Wir finden es ja manchmal nervig, wenn jemand dauernd über einen Dritten Lobhudeleien von sich gibt, ja, wenn jemand dauernd von seinem Liebsten oder von sonst jemandem schwärmt.

Eine Bekannte von mir hat dauernd von ihrem Schwiegersohn geschwärmt, wie toll der ist usw,  und als ich den mal kennengelernt habe, habe ich gedacht: „Was für ein Trottel!“.

Er hat sich in einigen Situationen etwas unvorteilhaft verhalten und weil ich die Lobhudelei über ihn noch vor Augen hatte, habe ich in meinem Inneren dieses harte Urteil gefällt.
Das war natürlich nicht richtig.

Lobhudeleien für Menschen gehen immer an der Realität vorbei und deswegen wäre es mir zu wenig, wenn wir heute aufgrund dieses Textes nur über die Qualitäten des hier beschriebenen Mannes nachdenken würden, denn im Laufe der Christenheit wurde dieser Text auch immer wieder auf Jesus Christus hin ausgelegt, so daß man hier die Gemeinde – oder auch du und ich persönlich als Christ – mit der Frau und Jesus Christus mit dem Freund, dem Geliebten, verglichen hat.

Dieses Bild scheint an manchen Stellen zu hinken, wie jeder Vergleich, aber allgemein hat es uns viel zu sagen.

Es fängt an mit der

Sehnsucht nach ihrem Freund

Sinngemäß sagt sie ja zu ihren Freundinnen: „Sucht meinen Freund, denn ich bin krank vor Liebe.“

So eine Sehnsucht, die gerade bei Frisch-Verliebten naturgemäß besonders stark vorhanden ist, trifft zwar meist auf grundsätzliches Verständnis, weil die meisten das ja schon einmal erlebt haben, wie das ist, wenn man verliebt ist, aber so richtig nachvollziehen kann man das dann doch nicht.

Diese Sehnsucht bleibt ja auch erhalten, wenn man denn schon einmal länger verheiratet ist – zumindest wäre das kein gutes Zeichen, wenn man bei einer längeren Trennung keine Sehnsucht nach seinem Partner hätte.

Ähnlich kann man – das habe ich selbst auch schon so erlebt – Sehnsucht nach Jesus haben.

Man hat vielleicht in den letzten Wochen mit der stillen Zeit etwas geschludert, die Bibel nur wenig angerührt und nun merkt man, daß einem die Gemeinschaft mit Jesus fehlt.

Oder man war durch den Urlaub ein paar Wochen in keinem Gottesdienst und man merkt, daß einem etwas fehlt.

Ich nehme an, das kenne viele der hier Anwesenden.
So eine Sehnsucht ist ein gutes Zeichen und man sollte ihr nachgeben.

Ich halte das neue Erwecken von dieser Sehnsucht bei Menschen, die von Jesus weg gegangen sind, für ein wichtiges Gebetsanliegen, damit sie diese Sehnsucht nach Jesus wieder neu bekommen, damit sie merken, was ihnen mit Jesus fehlt.

Menschen, die Jesus nie gekannt haben, können diese Sehnsucht wohl nicht nachvollziehen.

Aber vielleicht können wir sie durch unser Leben und unsere Worte wecken.

Was hat der Geliebte den andern voraus?

Eine interessante Frage: Warum gerade der und kein anderer?

Diese Frage deutet darauf hin, daß der Autor dieses Hoheliedes eher jung war und viele vermuten, daß Salomo dieses Stück als junger Mann geschrieben hat.

Zumindest die Akteure im Hohelied sind junge Leute, denn ältere Leute würden diese Frage nicht stellen.

Oder habt ihr z.B. schon einmal eine Frau, die schon 20 Jahre verheiratet ist, gefragt:

Warum hast Du diesen Mann und keinen anderen?

Wenn die Frau antwortet: „Das frag ich mich auch!“, dann wäre vielleicht ein Eheberater sinnvoll, aber an sich wird diese Frage älteren Menschen, die schon in einer längeren Beziehung leben, nicht gestellt.

Aber in Bezug auf Jesus Christus kann diese Frage uns alle treffen.

Warum gerade Jesus Christus?

Was antworten wir darauf?

Wir werden niemanden mit Argumenten zu Jesus hinführen können, aber, der mit Jesus lebt, hat erlebt, wie Jesus ihn in irgendeiner Form angesprochen hat. Man ist irgendwie Gott begegnet und er hat mich zu ihm gezogen.

Hier ist übrigens ein wichtiger Unterschied in der Beziehung zwischen Freundin und Freund damals und wir und Jesus heute.

Die damalige Beziehung war auf die beiden beschränkt, während wir zwar jeder eine persönliche Beziehung zu Jesu haben, aber trotzdem möchten, daß auch andere diese Beziehung bekommen.

Von daher müssen wir für uns persönlich einen geeigneten Weg finden, wie wir unsere Beziehung zu Jesus für andere Menschen öffnen.

Wie vermitteln wir es, Jesus und kein anderer?

Fromme Sprache ist da sicherlich hinderlich, weil die auch keiner mehr versteht.

Ich denke, da muß jeder einen individuellen Weg für seine Freunde und Bekannte finden.

Der wertvolle Geliebte

Ich lese noch einmal ein paar Bruchstücke aus unserem Text vor:

... hervorragend unter Zehntausenden.  Sein Haupt ist feines, gediegenes Gold ... in Milch gebadet seine Zähne ...  Seine Arme sind goldene Rollen, mit Türkis besetzt; sein Leib ein Kunstwerk aus Elfenbein, bedeckt mit Saphiren.  Seine Schenkel sind Säulen aus Alabaster, gegründet auf Sockel von gediegenem Gold. Seine Gestalt ist wie der Libanon, auserlesen wie Zedern.

Da bekommt der Ausdruck „er ist mir lieb und teuer“ eine ganz neue Bedeutung.

Gold, in Milch baden, Kunstwerk, Elfenbein, Saphire,

also in dieser Weise hat mich meine Frau noch nie beschrieben.  ;-)

Er ist ihr so viel wert, daß sie sich mit wertvollen Bilder geradezu überschlägt, und ich hoffe, daß wir auch bei unserem Partner die Kostbarkeiten, die uns Gott mit ihm geschenkt hat, immer wieder neu erkennen.

Finden wir für diese Beschreibungen eine Parallele zu Jesus?

Z.B. in Jesaja 53, 2b.3 wird über Jesus gesagt:

Er hatte keine Gestalt und keine Pracht. Und als wir ihn sahen, da hatte er kein Aussehen, dass wir Gefallen an ihm gefunden hätten. Er war verachtet und von den Menschen verlassen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut, wie einer, vor dem man das Gesicht verbirgt. Er war verachtet, und wir haben ihn nicht geachtet.

Da ist nichts mit Gold und Saphiren, da war nur Verachtung und Abwenden.

Aber es geht in V.4-6 weiter:

Jedoch unsere Leiden - er hat sie getragen, und unsere Schmerzen - er hat sie auf sich geladen. Wir aber, wir hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Doch er war durchbohrt um unserer Vergehen willen, zerschlagen um unserer Sünden willen. Die Strafe lag auf ihm zu unserm Frieden, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden. Wir alle irrten umher wie Schafe, wir wandten uns jeder auf seinen eigenen Weg; aber der HERR ließ ihn treffen unser aller Schuld.

Dadurch ist Jesus für uns viel mehr wert geworden, als alles billige Gold oder Edelsteine.

Ob Jesu irdischer Leib so aussah, als wäre er aus Elfenbein gewesen, weiß ich nicht, aber ich weiß, daß er seinen Leib für mich gegeben hat (1. Korinther 11, 24).

Und das macht Jesus für jeden von uns so wertvoll.

Er hat alles für uns gegeben.

Der lebende Geliebte

Ich möchte noch einmal ein paar Bruchstücke aus unserem Text vorlesen:

Mein Geliebter ist weiß und rot, ... seine Locken sind Dattelrispen, schwarz wie der Rabe; seine Augen wie Tauben an Wasserbächen ... seine Wangen wie ein Balsambeet, das Würzkräuter sprossen lässt; seine Lippen Lilien, triefend von flüssiger Myrrhe. ... Sein Gaumen ist Süßigkeit, und alles an ihm ist begehrenswert.

Mein Geliebter ist weiß und rot. Ist ihr Freund aus Irland?   ;-)

Nein, natürlich nicht.

Die Bibelübersetzung „Die gute Nachricht“ übersetzt diesen Satz mit:

Mein Liebster ist blühend und voller Kraft

und wahrscheinlich ist das mit „weiß“ und „rot“ gemeint.

Manch einer hat sich ja in ein Phantom verliebt.

Der andere will von einem nichts wissen, oder er ist so ganz anders, als man sich ihn in seinen Träumen ausmalt.

Es gibt Menschen, die laufen einem anderen jahrelang hinterher, obwohl es nie eine Beziehung geben wird; man will es dann einfach nicht wahrhaben.

Unglücklich verliebt zu sein ist ganz schön hart, aber man kann frei davon werden, das habe ich auch selber erlebt.

Aber ihr Geliebter lebt und liebt sie auch.

Den richtigen zu finden, ist schon klasse und auch, wenn man lange suchen muß: Wenn man am Ende die oder den richtigen gefunden hat, dann hat sich die Suche gelohnt.

Auch hier stellen wir uns die Frage: Wie ist das mit Jesus Christus?

Wir behaupten ja, daß Jesus lebt.

Wenn wir nur an ein Phantom glauben würden, z.B. wenn Jesus nicht auferstanden wäre, oder Gott sich nicht für uns interessiert, dann wäre das alles Quatsch hier.

Jesus sagte in Johannes 14, 19;

Weil ich lebe, sollt ihr auch leben.

Das wahre Leben in Jesus Christus bekommen wir nur, weil Jesus heute auch noch lebt.

Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Wenn Jesus wirklich lebt, dann habe unsere Gebete einen Sinn, weil er sie hört.

Dann hat auch es einen Sinn, wenn wir uns schlecht fühlen, weil wir irgendeinen Mist gemacht haben.
Der Mist behindert unsere Beziehung zu Jesus und deshalb möchten wir es wieder in Ordnung bringen.
Ohne Jesus bräuchten wir uns nur darum zu kümmern, nicht erwischt zu werden.

Der lebende Jesus will uns aber dabei helfen zu lernen, daß es bei uns nichts mehr zu Erwischen gibt.

Weil er lebt, kann er uns wirklich verändern.

Das kann keine Sammlung von Gesetzen und Regeln.

So ist er!

Das ist mein Geliebter und das mein Freund, ihr Töchter Jerusalems!

Die junge Frau steht zu ihrem Geliebten.

Sie beschreibt ihn ausführlich, so wie sie ihn sieht, und schließt mit einem bekräftigenden „So ist es!“ ab.

Wenn es um einen anderen Menschen geht, dann ist es relativ egal, was die anderen denken.
Ich liebe meine Frau und sie liebt mich und so richtig geht das andere eigentlich nichts an.

Wenn es aber um Jesus geht, dann möchten wir das schon so bekräftigen, wie es die junge Frau in unserem Text tut.

Das ist mein Jesus, mein Herr, mein Retter, mein Bruder, mein Freund und er möchte das auch für Dich sein.

AMEN