Einleitung
Ich habe mich in letzter Zeit ein bisschen mit dem Thema „Depression“ beschäftigt. Nicht, weil ich davon selber betroffen bin oder in meinem direkten Umfeld jemand, zumindest weiß ich nichts davon, aber mir ist das Thema mehrfach in den Medien begegnet, weil einige Kabarettisten oder Comedians davon betroffen sind und das im Fernsehen öffentlich gemacht haben.
Das fand ich schon bemerkenswert. Ich habe kein tieferes Wissen von diesem Thema, ich weiß nur das, was ich in den Medien darüber gehört und gelesen habe. Und das Thema „Depression“ soll heute auch nicht das eigentliche Thema sein.
Zwei Kabarettisten, die ich ziemlich witzig finde, haben sich da sehr offen über ihre Depression geäußert. Ihr kennt sie vielleicht: Torsten Sträter und Kurt Krömer.
Ich fand es überraschend, aber eine Sache ist mir bei beiden aufgefallen. Sie haben beide betont, wie wichtig es ist, anzuerkennen, dass man Hilfe braucht und sich dann auch wirklich Hilfe zu holen und dieser Punkt hat mich weiter beschäftigt.
Das ist bei so einem Thema natürlich nicht leicht, weil man nicht immer mit dem Verständnis seines Umfelds rechnen kann.
Hat man sich z.B. das Bein gebrochen, ist für jeden klar, dass man nicht arbeiten kann. Hat man Depressionen, dann ist da häufig nicht so viel Verständnis vorhanden. Aussagen wie „Stell Dich nicht so an“ kommen dann auch hier und da.
Dabei können Depressionen auch organische Ursachen haben und müssen dann medikamentös behandelt werden. Aber auch sonst finden viele Depressive bei Ärzten Hilfe, z.B. eine Gesprächstherapie hilft in vielen Fällen.
Warum ist das eigentlich immer noch ein ziemliches Tabuthema?
Warum hat man bei so einer Krankheit häufig Hemmungen, um Hilfe nachzusuchen? Generell ist das bei psychischen Krankheiten immer noch schwierig.
Außer vielleicht bei Burnout: Dann ist man der Held, der es ein bisschen übertrieben hat. Ein Manager ohne Burnout hat seinen Job nicht richtig gemacht ;-) Ich übertreibe jetzt natürlich.
Ich glaube, wir Menschen wollen nicht schwach sein und normalerweise auch die Kontrolle über unser Leben behalten und wir wollen auch, dass unser Umfeld das von uns glaubt.
Unter einem gebrochenen Bein kann man auch leiden, aber das sieht jeder und es gibt normalerweise auch einen klaren Zeitplan, wann das wieder in Ordnung ist.
Bei einer Depression oder einer ähnlichen Erkrankungen sieht man das nicht. Das müsste man doch selber hinbekommen, warum stellt man sich so an! Hilfe brauchen eher die Leute, denen es wirklich schlecht geht, wo man das auch sehen kann!
Das ist ein Trugschluss und da sind wir auch schon beim Evangelium.
Für wen ist das Evangelium?
Die Kranken
Ich lese mal Matthäus 9, 10-13; NL
„Abschaum“ ist jetzt nicht wörtlich übersetzt, sondern da steht eigentlich „Zöllner“ und „Sünder“, aber genauso meinten es die Pharisäer: Abschaum.
Kurz zur Erklärung: Steuereintreiber oder Zöllner, wie es in anderen Übersetzungen heißt, haben sehr häufig mehr kassiert, als ihnen zustand und das hat sie sehr unbeliebt gemacht und daher galt diese Personengruppe oft auch als Sinnbild eines schlechten Menschen.
Matthäus war so ein Steuereintreiber und er hat Jesus, die Jünger und seine alten Freunde und Kollegen zum Essen eingeladen. Und die Pharisäer fanden das nicht gut.
Wir sind durch unsere christliche Sozialisierung schon darauf gepolt, dass es ganz offensichtlich ist, dass die Pharisäer hier völlig falsch denken und reden.
Aber übertragen wir die Situation einmal auf heute. Offensichtlich korrupte Beamte als Bevölkerungsgruppe haben wir nicht, aber was ist, wenn z.B. ein Neonazi kommt und sich für Jesus entscheidet und er dann eine Feier macht und Leute aus der Gemeinde und aus seinem alten Freundeskreis einlädt, damit die auch Kontakt zu Jesus bekommen?
Was würden dann die Nachbarn sagen? Was würde in den sozialen Medien passieren?
Man merkt, so eine Situation kann auch kompliziert sein.
Aber Jesus Christus sagt:
Der Arzt ist natürlich ein Sinnbild für Jesus Christus und die Kranken sind ein Bild für die Sünder.
Und Jesus kann nur den Sündern helfen. Die, die meinen, sie wären gut genug, die sind raus. Denen kann nicht geholfen werden.
Und Jesus bezieht es nicht nur auf Gott und Mensch, sondern auch auf Menschen untereinander:
Und das heißt auch, barmherzig mit den Bösen zu sein. Die Zöllner waren ja nicht arme hilflose Opfer, sondern sie waren Täter.
Es geht hier natürlich nicht darum, falsches Handeln unter den Tisch fallen zu lassen, denn auch Jesus hat sich immer klar geäußert, welche Taten falsch und welche richtig sind.
Aber er will dem Täter eine Chance zur Umkehr geben, die Kranken sollen Hilfe beim Arzt bekommen können. Das Leben kann in Ordnung kommen, mit allen Konsequenzen, was in manchen Fällen bedeutet, auch die juristische Verantwortung für seine Taten zu übernehmen und die Opfer zu entschädigen.
Doch schauen wir einmal auf uns. Hier sind wahrscheinlich keine korrupten Beamten und wohl auch keine Neonazis, aber wir sind auch genauso Sünder. Das ist ja letztendlich, was wir hier alle gemeinsam haben. Wir haben alle irgendwann einmal erkannt, dass wir Vergebung brauchen, dass es ohne Jesus nicht geht.
Und damit kommen wir zu der Hilfe zurück. Ist es uns immer noch bewusst, dass wir Hilfe brauchen, von Gott und auch von anderen Menschen?
Oder im Bild von Jesu Vergleich zu bleiben: Ist uns bewusst, dass wir Jesus Christus als unseren Arzt immer wieder brauchen, jeden Tag? Und das wir auf die Barmherzigkeit anderer Menschen angewiesen sind?
Im christlichen Rahmen sind wir uns da natürlich alle einig, weil es objektiv betrachtet von der Bibel her richtig ist.
Aber ist es uns im Alltag bewusst?
Ich habe überlegt, wann ich zuletzt einem nicht glaubenden Menschen einmal bekannt habe: „Ohne Jesus komme ich nicht klar.“
Das ist lange her. Ich habe schon manchmal Gespräche über meinen Glauben, aber das explizit so zu sagen, fällt mir schwer, weil ich auch nicht weiß, ob mein Gesprächspartner das versteht.
Oder gehen wir eine Stufe weiter herunter: Ohne die Barmherzigkeit anderer Menschen käme ich nicht zurecht.
Und damit kommen kommen wir zu einem frommen Begriff, der in der Alltagssprache nicht mehr sehr verbreitet ist.
Demut gegenüber Gott
Der Ausdruck „Demut“ kommt von althochdeutsch diomuoti (‚dienstwillig‘, also eigentlich ‚Gesinnung eines Dienenden‘). Die Bestandteile des Wortes lassen sich weiter herunterbrechen in die beiden Wörter „dienen“ (dionōn) und „Mut“ (muot) (Wikipedia).
So richtig vollständig wirkt diese Definition aber nicht.
Es geht in der Bibel schon darum, das Verhältnis von Gott und Mensch klar zu stellen und demütig vor Gott sein, ist in der Bibel etwas positives, z.B. Psalm 25, 9; NGÜ wird über Gott gesagt:
Man sieht hier schon, dass es nicht nur darum geht, dass wir, die Menschen, hier unten und Gott da oben ist, sondern dass es um eine Beziehung geht, um ein miteinander und um darum, dass wir seine Leitung und Hilfe brauchen.
Ich glaube, dass diese Demut ein christliches Leben ausmacht.
Man ist sich bewusst, dass es ohne Jesus nicht geht. Man braucht ihn, man braucht seine Hilfe in allen Dingen.
Demütig ist etwas anderes als z.B. unterwürfig oder gedemütigt, wie ein geprügelter Hund.
Man erkennt das gut am Beispiel Mose. Über ihn wird in 4. Mose 12, 3; NL gesagt:
Mose war sicherlich nicht unterwürfig. Er hat ohne Furcht mit dem Pharao gesprochen, er hat mutig das Volk Israel geführt und er hatte auch die oberste Rechtsprechung inne, was unterwürfig wohl nicht geht.
Aber er war sich immer bewusst, dass Gott über ihm steht, dass er Gott braucht und dass es ohne Gott nicht geht. Er hat natürlich auch in seinem Leben Fehler gemacht, dass ist klar. Das wird uns auch immer mal wieder passieren.
Denn selbst wenn unser Leben zur Zeit vielleicht ganz gut läuft, sollte uns bewusst sein, dass wir in Gottes Hand sind, und wenn wir es nicht mehr wären, hätten wir ein Problem.
Demut gegenüber den anderen
Auch untereinander ist ein demütiges Leben hilfreich. Ich möchte dazu Galater 6, 1-4; NL betrachten:
„Helfen, auf den rechten Weg zurückzufinden“, diese Übersetzung gefiel mir tatsächlich am besten. Andere Übersetzungen schreiben hier „liebevoll zurechtbringen“.
Solche Situationen sind natürlich nie leicht. Keiner lässt sich gerne sagen, dass er etwas falsch gemacht hat.
Die Begriffe „falsch“ und „richtig“ kann man heutzutage nur noch im Kontext mit einem „weil“, einer Begründung betrachten, was ich auch richtig finde, weil sonst die Gefahr besteht, dass man etwas irgendwie beurteilt, weil das immer schon so war.
Aber nochmal zurück zum Unterschied von „zurückfinden“ und „zurechtbringen“. Ich glaube, dass ein „Zurückfinden“ effektiver als ein „Zurechtbringen“ ist. Bei beiden sind natürlich Hilfestellungen sinnvoll, aber zumindest mir geht es grundsätzlich so, dass ich besser lerne, wenn ich selbst auf die Lösung komme. Wenn mir einer eine fertige Lösung mitteilt, ist das schneller wieder weg, als wenn ich mich selber zur Erkenntnis durchbeiße.
Vielleicht ist das auch Typsache.
Es geht jedenfalls hier darum, einander zu helfen und dazu gehört natürlich auch, dass man zugibt, dass man Hilfe braucht.
Wir finden das hier ja auch im zweiten Vers:
Andere Übersetzungen schreiben hier: Helft einander, die Lasten zu tragen, aber das meint dasselbe.
Wissen wir denn voneinander, was wir für Schwierigkeiten und Probleme haben? Teilen wir unsere Schwierigkeiten und Probleme?
Oder sind wir so hochmütig, dass wir glauben, unsere Schwierigkeiten und Probleme alle gut selber im Griff zu haben?
Was wir in diesem Text auch noch lernen, ist, dass jeder wichtig ist, aber keiner wichtiger, und alles Vergleichen doof ist.
Und das ist schon wichtig. Lasst uns in unserem eigenen Leben, und auch in unserer Gemeinde, immer wieder aufs Neue bewusst werden, dass ohne Jesus Christus nichts geht und dass wir einander brauchen, um uns bei unseren Schwierigkeiten und Problemen gegenseitig zu helfen.
Zusammenfassung
Ich fasse zusammen.
- Am Beispiel der Offenheit von bekannten Künstlern für ihre Depression ist mir neu bewusst geworden, dass man zugeben soll, dass man Hilfe braucht und auch die Hilfe suchen soll.
- Jesus ist für die Sünder, die Täter gekommen, damit sie ihn kennenlernen und umkehren können. Leute, die sich für gut genug halten, sind bei ihm raus.
- Auch wir haben alle irgendwann einmal erkannt, dass wir Vergebung brauchen, dass es ohne Jesus nicht geht und dass wir ihn jeden Tag neu brauchen. Und das ist ein Teil der Demut, die ein christliches Leben ausmacht.
- Außerdem sind wir auf die Barmherzigkeit von Menschen angewiesen. Sich zu öffnen, um einander zu helfen zurückzufinden und uns bei unseren Schwierigkeiten und Problemen gegenseitig zu helfen, das erfüllt das Gesetz, das wir von Christus haben. Das ist der andere Teil der Demut, die ein christliches Leben ausmacht.