Leichlingen, 12.10.97
Peter Schütt
Predigt

Bibeltexte

Hebräer 12, 12-17;
12 Darum `richtet auf die erschlafften Hände und die gelähmten Knie, 13 und `macht gerade Bahn für eure Füße! damit das Lahme nicht abirre, sondern vielmehr geheilt werde. 14 Jagt dem Frieden mit allen nach und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn schauen wird; 15 und achtet darauf, daß nicht jemand an der Gnade Gottes Mangel leide, daß nicht irgendeine Wurzel der Bitterkeit aufsprosse und [euch] beunruhige und die vielen durch diese verunreinigt werden, 16 daß nicht jemand ein Hurer oder ein Gottloser sei wie Esau, der für eine Speise sein Erstgeburtsrecht verkaufte, 17 denn ihr wißt, daß er auch nachher, als er den Segen erben wollte, verworfen wurde, denn er fand keinen Raum zur Buße, obgleich er sie mit Tränen eifrig suchte.


Vorher :
V.1 ; - Legt die Sünde ab !
V.2.3 ; - Jesus als Vorbild
V.4-11 ; - Gottes Züchtigung

Nachher :
V.18-29 ; - Blick für das Himmlische

Einleitung

(vor der Predigt Hebräer 12, 1-11; lesen lassen)

Hebräer 12, 12-17; (lesen)

Dieser Text ist von zwei Begründungen eingerahmt:
V.12 beginnt mit dem Wort „Darum“, welches immer nach einer Begründung kommt;
(z.B. Ich habe meine Frau sehr gern. Darum verbringe ich oft Zeit mit ihr.) darum ist der Text davor, V.1 - 11, eine Begründung für den gerade gelesenen Text.
Der Abschnitt nach diesem Text beginnt mit dem Wort „Denn“. Diese Wort kommt immer vor einer Begründung (Ich verbringe oft Zeit mit meiner Frau, denn ich habe sie sehr gern.).

Auf diese beiden Begründungen für unseren Text werden wir noch zurückkommen.
Aber zuerst möchte ich mit euch in den Text einsteigen:

Der Text besteht eigentlich nur aus Aufforderungen:
Richtet die erschlafften Hände auf.
Macht gerade Bahn für eure Füße.
Jagt dem Frieden mit allem nach.
usw.

Von der ersten Aufforderung kann man sich direkt angesprochen fühlen. Viele arbeiten viel und fühlen von vielen Diensten und Aufgaben oft bis an ihre Grenzen geführt. Da möchte man sich doch gerne einmal hängen lassen. Ich denke, mit dieser Aufforderung ist nicht einfach nur gemeint, man solle sich zusammennehmen.
Die erschlafften Hände und die lahmen Knie werden mit dem Abweichen vom geraden Weg in Zusammenhang gebracht: „Macht gerade Bahn für eure Füße“.
Das ist ein Zitat aus Spr. 4, 26.27;
„Gib acht auf die Bahn deines Fußes, und alle deine Wege seien geordnet ! Bieg nicht ab zur Rechten noch zur Linken, laß weichen deinen Fuß vom Bösen.“
Nun ist es nicht immer leicht zu erkennen, wann man auf einen falschen Weg abbiegt.

Abweichung, was es nicht ist
Früher, so vor 100 Jahren, schien das einfacher gewesen zu sein. Da ging ein rechter Christ nicht auf den Rummelplatz, oder ins Theater und man hatte – wenn überhaupt – nur wenige christliche Freunde. Das blieb tlw. auch bis in die 60 - 70er Jahre in vielen Gemeinden so. Ein Christ ging nicht ins Kino, nicht auf die Kirmes; es wurde oft auch nicht gerne gesehen, wenn ein Gemeindekind nicht-gläubige Freunde hatte; er sollte lieber seine Freunde in der Gemeinde suchen.
Die christliche und die nicht-christliche Welt war also ziemlich klar getrennt; da scheint doch der richtige Weg klar zu sein, da kann man doch nicht so leicht abweichen, oder ? Heute sind diese Welten nicht mehr so klar getrennt; fast alle jüngeren Christen haben keine Schwierigkeiten, ins Kino zu gehen, oder ins Theater, auf die Kirmes, oder mal in eine Kneipe usw. und manche älteren Christen bedauern das oder halten es zumindest irgendwie für bedenklich.
Sicherlich hat es Vorteile, manche Orte einfach nicht aufzusuchen, falls dort eine sehr starke Verführung droht; aber es gibt wenige Orte in der Bibel, die uns Christen verboten sind. In der Bibel steht nicht: Geh nicht ins Theater, oder geh nicht ins Kino, oder in die Kneipe, oder sonst wohin. Manch einer wird einwenden, daß z.B. in Psalm 1, 1 steht: „Sitz nicht bei den Spöttern.“
Ich habe es bisher nicht erlebt, daß z.B. in einer Kneipe übermäßig viel gespottet wurde.
Ich habe aber schon Spott auf einer ökumenischen Veranstaltung erlebt, wo der Präses der evangelischen Kirche, die Gläubigen-Taufe als Werk von wenigen Perfektionisten bezeichnet hat, und das ist schon ziemlich nahe am Spotten dran.
Außerdem steht zum Beispiel in 1.Kor 5, 10;, daß wir durchaus Gemeinschaft mit Unzüchtigen, Habsüchtigen, Räubern oder Götzendienern haben können, denn sonst müßten wir aus dieser Welt hinausgehen.
Jesus wurde sogar als Freund der Zöllner und Huren (Lukas 7, 34) bezeichnet, was hatte der bloß für einen Umgang.
Laut Joh. 17, 14.18; sind wir nicht von dieser Welt, aber in diese Welt gesandt.
Es gibt also laut Bibel kaum einen Ort, bei dem für uns generell gilt „Betreten verboten !“, aber natürlich muß man individuell erkennen, ob vielleicht an einem Ort für einen selber oder für seine Kinder eine so starke Verführung zum Bösen vorhanden ist, daß man diesen Ort lieber meidet.

Abweichung, was es ist

Nun sind wir mit der Frage der Abweichung vom geraden Weg kaum vorangekommen.
Laut Bibel sind die sichtbaren, schlechten Taten eine Folge der falschen inneren Einstellung.
Da ist von Habsucht, Götzendienst, Unzucht, usw. die Rede.
Und die Ursache für diese falschen inneren Einstellungen ist das Denken:
„Ich weiß besser als Gott, was gut für mich ist. Ich will unabhängig von Gott sein.“
Diese Haltung ist in jedem Menschen von Geburt an verankert und das nennt die Bibel Sünde.
Dieses sündige Denken gefällt uns gut ( „Ich habe mein Leben im Griff !“ ), und wir sind dafür sehr empfänglich.
Im V.1, in dem Text, der vor der Predigt gelesen wurde, ist die Rede von der „leicht umstrickenden Sünde“. Ich habe dieses leicht umstrickende einmal bei unserem Sohn erlebt. Ich war alleine mit ihm zu Hause und mußte ihn einmal eine Zeitlang alleine lassen. Da habe ich ihn in sein Bett gesetzt. Nun haben wir über seinem Bett ein großes Fliegennetz angebracht, an das er herankommt, wenn er sich aufrichtet.
Auf einmal hörte ich ihn schreien und er hörte gar nicht mehr auf. Als ich dann gucken kam, hatte er sich 4 oder 5 Mal im Fliegennetz eingewickelt. Er muß sich wohl im Stehen daran festgehalten haben und als er sich hinsetzte hat er es wohl festgehalten und sich in Panik immer mehr gewälzt, bis er sich immer weiter daran einwickelte.
Und dieses Denken „Ich schaffe mein Glück selbst“ kommt ganz allmählich und unauffällig. Es ist uns am Anfang ziemlich sympathisch und wir halten uns gerne daran fest und merken erst spät, wie es uns immer mehr einwickelt.
Entweder im privaten Bereich, z.B. mehr Geld verdienen bedeutet noch mehr Glück, oder es muß unbedingt diese Frau / dieser Mann sein, egal ob gläubig oder nicht, oder sogar schon verheiratet oder nicht, oder „Das gefällt mir so gut, da kann Gott gar nichts dagegen haben.“
Das kann auch im gemeindlichen Bereich so sein: „Diese Aktion wird bestimmt alles ändern !“ oder „Dieser Bewegung müssen wir uns unbedingt anschließen.“ oder „Nach diesem System wird es endlich vorangehen !“ oder „Wir müssen noch mehr beten, damit Gott endlich unsere Pläne segnet !“.
In vielen Angelegenheiten besteht halt das Problem, daß das Verhalten an sich neutral ist, es zählt das Motiv dahinter; z.B. Mehr Geld zu verdienen ist an sich etwas Gutes, aber wenn man es aus Geldliebe tut, dann ist es schlecht. Seltener wie z.B. beim Ehebruch ist es eindeutig falsch: Ehebruch kann nicht richtig sein.
Nun ist das Problem: Wie erkennt man, ob man auf dem richtigen Weg, oder ob man auf einem falschen Weg ist ? Leider führt nur ein Weg zum Ziel, aber viele führen in die falsche Richtung.
Ein notwendiger Bestandteil der Lösung dazu ist die Bibel. In Psalm 119, 105; steht :
„Eine Leuchte für meinen Fuß ist dein Wort, ein Licht für meinen Pfad.“
Durch die Bibel, Gottes Wort, kann man erkennen, welcher Weg „gerade“ ist, man kann Abwege vermeiden. Die Bibel ist kein Fernlicht, deshalb muß man immer wieder neu den nächsten Abschnitt seines Weges ausleuchten.
Wer sich nicht regelmäßig mit der Bibel beschäftigt, der wird – das kann ich sagen, ohne ein Prophet zu sein – irgendwann auf Abwege kommen. Das ist doch klar, er geht ja im Dunkeln.
Und das Leben hat nur wenige bekannte Stellen, so wie ein Keller, in dem wir uns auch im Dunklen zurechtfinden; jeder Tag bringt Neues und wenn wir nicht immer neu leuchten, dann laufen wir irgendwann falsch.
Ein Erscheinungsbild, das oft mit dem falschen Weg zusammen auftritt, sind schlaffe Hände und lahme Knie. Es geht irgendwie nicht weiter, was ich tue bringt nichts, usw.
Prüfen wir unseren Weg.
Ein weiterer Gesichtspunkt, wie man Abwege vermeidet, steht in V. 2 - 3.
Wir sollen auf Jesus schauen, den Anfänger und Vollender des Glaubens. Er hat alles schon mitgemacht. Der Satan hat ihm alle existierenden, verlockenden Abwege schon angeboten und wir können da von Jesu Reaktionen lernen.
In den Versen danach steht, daß Gott uns auch züchtigen wird, um uns klarzumachen, daß wir auf einem Weg sind, der ins Verderben führt. Solche Züchtigung kann Leid, Erfolglosigkeit oder sonstige Unanehmlichkeit sein. Aber dazu steht in V.11 ;
„Alle Züchtigung scheint uns zwar für die Gegenwart nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein; nachher aber gibt sie denen, die durch sie geübt sind, die friedvolle Frucht der Gerechtigkeit.“

Denken im gemeindlichen Maßstab
Nun haben wir den Vers. 12 und 13 erst einmal nur mit unserem persönlichen Leben in Verbindung gebracht. Ich denke aber, daß der Text von V.12 - 17 noch viel mehr im gemeindlichen Maßstab zu sehen ist. In 1.Kor 12, 12 - 27; wird die Gemeinde mit einem Körper verglichen und genauso können Gemeindeglieder erschlaffte Hände und lahme Knie sein. Und solche sind in Gefahr abzuirren, vom geraden Weg abzukommen.
Das soll verhindert werden; wir sollen aufeinander achthaben und füreinander da sein.
Deshalb sollen wir auch dem Frieden mit allen Gliedern in unserer Gemeinde nachjagen. Wenn Unfrieden da ist, dann kann man nur schwer für einander da sein. In diesem Zusammenhang ist natürlich das Thema Konflikte und Meinungsverschiedenheiten wichtig. Ich denke, wir müssen lernen, uns trotz Meinungsverschiedenheiten lieb zu haben und in echtem Frieden weiterhin hier in der Gemeinde sein. Paulus ist in der Apostelgeschichte an manchen Stellen bewußt Konflikte eingegangen und hat öffentlich Geschwistern widersprochen und sich mit ihnen gestritten, während er an einer anderen Stelle den Konflikt fast um jeden Preis vermieden hat. Wir müssen lernen zu entscheiden, welche Frage so wichtig ist, daß man darüber sich streitet, und welche nicht so wichtig ist. Für mich ist das auch immer ein schwieriges Thema, was ist wichtig und was nicht.
Aber wenn wir Sachfragen von Personen trennen und uns auch in der Meinungsverschiedenheit lieb haben, dann ist schon viel gewonnen.
Noch wichtiger ist die Heiligung.
Heilig zu sein bedeutet, ganz Gott zu gehören. Der Optimalzustand ist, daß alles Denken und Handeln mit Gottes Willen – so wie bei Jesus Christus – übereinstimmt. Das schafft hier auf Erden – außer Jesus Christus eben – keiner, aber wir sollen in dem Prozeß der Heiligung leben, so daß wir uns danach ausrichten, Jesus immer ähnlicher zu werden.
Wir sollen auch als Gemeinde eine heilige Gemeinde sein. Die Leute sollen sehen, daß wir alle hier aus dieser Gemeinde Gott gehören, daß wir Jesu Braut sind.
Das geht natürlich nicht so gut, wenn Gemeindeglieder auf Abwegen sind.
Man kann nur in der Heiligung Jesus richtig erkennen, und ich denke, daß wir auch nur als heilige Gemeinde wirklich Gottes Weg für uns erkennen werden.
Einzelne, die nicht in der Heiligung leben, können Jesus nicht richtig erkennen, und sie werden auch von dem, was Gott für sie bereit hält, nicht viel bekommen.
In V. 15 steht, daß man an der Gnade Gottes Mangel leiden kann. So ein Glaubensleben ist frustrierend und entsteht, wenn man nicht auf dem richtigen Weg ist.
Nun gibt uns Gott in V. 15 den Auftrag auf die anderen zu achten, um ihnen zu helfen, von dem falschen Weg wieder auf den richtigen zu kommen.
Es ist kein Naturgesetz, daß Leute vom Glauben abfallen. Wir bemerken oft erst, daß beim anderen etwas nicht stimmt, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, wenn es zu spät.
Haben wir aufeinander acht ? Es kann nicht jeder auf alle acht haben, aber wie sieht es aus ?
Hat jeder in der Gemeinde mindestens einen Vertrauten, oder gibt es nur ein paar Cliquen und um die „schwierigen Fälle“ kümmern sich die Spezialisten ? Bin ich bereit mich für neue Leute zu öffnen, sie und ihre Probleme und Lasten mit zu tragen oder hänge ich nur mit meiner Lieblingsclique herum ?
Gemeindeglieder, die man auf dem falschen Weg ohne Hilfe laufen läßt, werden schnell bitter.
Sie erleben ja dadurch Gottes Wirken eben nicht: „Hat doch alles keinen Wert mehr“. Sie glauben dann vielleicht noch an die Theorie der Bibel und erleben die Praxis der Bibel nicht mehr ( „Wo ist denn Gott ?“ ).
So eine Bitterkeit wächst mit der Zeit, wenn nichts dagegen unternommen wird, und sie ist ansteckend ( „durch sie können viele verunreinigt werden“ ) und je weiter fortgeschritten sie ist, desto schwieriger ist sie zu beheben. Viele gehen dann auch irgendwann und bleiben ganz weg.
Natürlich gibt es auch Leute im Umfeld der Gemeinde, die noch nicht wiedergeboren sind. Sie schauen sich das hier so an und erfahren, daß – wenn sie an Jesus glauben – sie wiedergeboren und ein Kind Gottes werden können.
Wenn Sie nun die Bitterkeit bei manchen und das unglückliche Christsein auf Abwegen bemerken, dann werden viele sagen: „Hey, was soll ich mit Jesus ? Ich suche mir mein Lebensglück lieber woanders.“ Und sie verzichten auf Jesus, der ihnen wirklich Sündenvergebung, Frieden und Lebenserfüllung geben kann und geben will, und wählen irgendwas anderes wie Familie, Karriere, Geld oder ähnliches als Lebenserfüllung.
Esau hat den Segen, den sein Vater für ihn bereit hatte, für eine Suppe verkauft. Und so eine Einstellung gedeiht natürlich besonders gut dort, wo viele unzufriedene, unglückliche Christen sind.

Wenn wir zusammenfassen:
Zurückkehren auf den geraden Weg; mit Hilfe der Bibel als Leuchte, durch Blick auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens; weg von dem Denken, daß ich mein Leben selbst voll im Griff habe;
Frieden mit allen Geschwistern, auch trotz und in Meinungsverschiedenheiten
Leben in Heiligung, um Jesus zu ehren und zu erkennen
auf die anderen achten, damit sie nicht auf Abwegen an Gottes Gnade vorbei leben; daran arbeiten, daß sich keine Bitterkeit in einzelnen und in der Gemeinde etabliert;

Und wozu das Ganze ? Ich habe am Anfang gesagt, daß im nachfolgenden Text, in V. 18 - 29, auch eine Begründung für die gerade gemachten Aussagen, steht.

Eine weitere Begründung für die gerade gemachten Aussagen
V.18a ; „Ihr seid nicht gekommen zu etwas, daß betasten werden konnte“
Wir leben hier nicht für eine irdische, von Menschen ausgedachte Religion.
V.22 - 24 ; „sondern ihr seid gekommen zum Berg Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem; und zu Myriaden von Engeln, einer Festversammlung; und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die in den Himmeln angeschrieben sind; und zu Gott, dem Richter aller; und zu den Geistern der vollendeten Gerechten; und zu Jesus, dem Mittler eines neuen Bundes“
Wir haben einen Herrn, für den es sich lohnt, zu leben.
AMEN