Freiheit vs Regeln?

Man kann doch nicht tun und lassen, was man will...

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Einleitung (Peter)

Es war ja vor kurzem Europawahl und es hingen überall diese Wahlplakate herum.

Bei den meisten hatte ich irgendwie das Gefühl, dass die Inhaltsleere im deutschen Wahlkampf eine neue Ebene erreicht hat.

Bei einem Wahlplakat von der FDP bin ich aber hängen geblieben:

Europa lebt von Freiheit. Nicht von Richtlinien.

Dieser Spruch hat mich tatsächlich etwas verfolgt, aber nicht, weil ich die FDP toll finde, sondern eher, weil ich an diesem Spruch etwas falsch finde, ich aber nicht genau erklären kann, was.

Der Plakattexter hat damit vielleicht sogar sein Ziel erreicht, denn immerhin ist dieser Spruch bei mir nicht in der Wolke der belanglosen Wahlkampfphrasen untergegangen.

Nach dem eine gewisse Zeit vergangen war, hatte sich dieser Spruch in meiner Erinnerung zu „Freiheit statt Richtlinien“ verkürzt und erst als ich bei der Predigtvorbereitung einmal nachgesehen habe, stieß ich wieder auf den Originalspruch.

Freiheit und Richtlinien, ist das denn ein Widerspruch?

Was sind denn Richtlinien? Zu allererst habe ich bei dem Wort an meine Arbeit gedacht.

Es gibt Richtlinien, an die man sich hält, weil sie sich als sinnvoll herausgestellt haben. Bei uns gibt es dafür den schönen Anglizismus „Best Practise“. Manche Probleme löst man auf eine bestimmte Art, weil sich das einfach als sinnvoll herausgestellt hat. Solche „Best Practises“ wird es in jedem Beruf geben, ob das nun Handwerk, Pflege, Programmierung, Verwaltung, usw ist. Man könnte bei vielen Problemen immer wieder neu über eine optimale Lösung nachdenken, aber in den meisten Fällen gibt es ein bewährtes Vorgehen, an das man sich üblicherweise hält. Und das ist natürlich auch vernünftig.

Es gibt auch verbindliche Richtlinien, die man wahrscheinlich eher als Regeln bezeichnet. Z.B. an Verkehrsregeln muss man sich halten. Auch auf der Arbeit wird es Regeln geben, die verpflichtend sind. Dazu gehören auch Standards, z.B. Normen, an die sich Produzenten halten müssen und innerhalb dieser Standards können sich die Produktdesigner austoben. Für mich klingt das vernünftig und ich glaube, dass mich das an diesem FDP-Spruch gestört hat.

Was gibt es noch für Richtlinien oder Regeln?

Welche Rolle spielen denn Regeln in unserem Leben als Christ? Es gibt ja nicht wenige Menschen, die glauben, dass die Bibel nur ein Gesetzesbuch ist, voller Regeln, und dass ein Christ sein Leben damit verbringt, möglichst keine Regel zu übertreten.

Wir wissen, dass dem nicht so ist, und wir möchten heute mit Euch diesen scheinbaren Gegensatz Regeln und Freiheit genauer betrachten.

Feier der Regeln: Ps 119 (Peter)

Fangen wir einmal mit den Regeln an. Es gibt einen Psalm in der Bibel, den Psalm 119, der ist mit Abstand der allerlängste Buch in der Bibel. Dieser Psalm hat 176 Verse.

Üblicherweise bezeichnet man ihn als ein Loblied auf Gottes Wort. Es gibt dort so bekannte Verse wie (Psalm 119, 105; NL):

Dein Wort ist eine Leuchte für meinen Fuß und ein Licht auf meinem Weg.

Aber die meisten Verse setzen den Schwerpunkt weniger auf Gottes Wort allgemein, sondern sehr oft auf Gesetze und Gebote, z.B. (Psalm 119, 73; NL):

Du hast mich gemacht und mich geschaffen. Nun schenke mir auch Einsicht, deine Gebote zu befolgen.

oder (Psalm 119, 92; NL):

Ohne die Freude an deinem Gesetz wäre ich verzweifelt in meinem Elend.

oder der Vers danach (Psalm 119, 93; NL):

Ich will deine Gebote niemals vergessen, denn durch sie hast du mir neu Glück und Gesundheit geschenkt.

Also legt die Bibel doch den Schwerpunkt auf Gesetze und Regeln?

Regeln sind an sich ja etwas Gutes. Sie erleichtern vieles, z.B. das Zusammenleben. Durch Verkehrsregeln kann man sich z.B. relativ sicher auf unseren Straßen bewegen. Durch Richtlinien wie das vorhin erwähnte „Best Practise“ lernt man schneller eine Tätigkeit, weil man sich nicht alles neu überlegen muss.

Regeln regeln häufig das Drumherum und so kann man sich auf das Wichtige konzentrieren.

Regeln als Problem? (Peter)

Richtlinien und Regeln sind also nicht schlecht und können sehr sinnvoll sein, aber der Umgang mit Regeln ist nicht immer leicht. Es kann damit oft Probleme geben.

Regeln als Quelle des Heils?

Ein Problem ist es, wenn man Regeln als Quelle des Heils betrachtet.

Manch einer denkt vielleicht ganz naiv, ich halte mich einfach an alle Gebote in der Bibel und dann kann mir nichts passieren, dann ist alles gut.

Wir finden im Galaterbrief so eine Situation. Anfangs ist dabei nicht so ganz klar, was eigentlich das Problem ist. Aber in Galater 2, 16; NEÜ steht:

Trotzdem wissen wir, dass kein Mensch vor Gott bestehen kann, wenn er versucht, das Gesetz zu halten. Bestehen kann er nur durch den Glauben an Christus Jesus. Und darum haben wir an Christus Jesus geglaubt, um durch diesen Glauben vor Gott bestehen zu können – und nicht durch Erfüllung des Gesetzes. Kein Mensch kann durch Befolgen des Gesetzes gerecht werden vor Gott.

Das Befolgen von Regeln rettet niemanden.

In folgenden Text, Galater 3, 1-7; NL macht er das noch einmal deutlich:

1 O ihr unverständigen Galater! Wer hat euch so durcheinandergebracht? Ihr habt doch so klar erkannt, was der Tod von Christus für uns bedeutet, als ich euch Jesus Christus, den Gekreuzigten, vor Augen malte! 2 Sagt mir: Habt ihr den Heiligen Geist etwa durch das Befolgen des Gesetzes empfangen? Natürlich nicht. Der Heilige Geist kam auf euch herab, nachdem ihr die Botschaft von Christus gehört und ihr geglaubt habt. 3 Versteht ihr das denn wirklich nicht? Ihr habt begonnen, ein Leben mit dem Heiligen Geist zu führen. Warum wollt ihr jetzt auf einmal versuchen, es aus eigener Kraft zu vollenden? 4 Ihr habt so viel durch die gute Botschaft erfahren. Sollte das etwa vergeblich gewesen sein? Wollt ihr das alles jetzt wegwerfen? 5 Ich frage euch noch einmal: Schenkt Gott euch den Heiligen Geist und wirkt Wunder unter euch, weil ihr das Gesetz Moses befolgt? Oder tut er es, weil ihr die Botschaft glaubt, die ihr über Christus gehört habt? 6 Denn so war es auch bei Abraham: »Abraham glaubte Gott, und Gott erklärte ihn wegen seines Glaubens für gerecht.« 7 Die wahren Kinder Abrahams sind also die, die an Gott glauben.

Für Paulus war das so wichtig, dass er da noch eine Menge mehr im Galaterbrief zu ausführt, aber ich möchte das jetzt so zusammen fassen:

Ein simples Befolgen von Regeln kann dazu führen, es aus eigener Kraft versuchen zu wollen. Gottes Kinder sind die, die Gott glauben und nicht die, die gut im Regeln befolgen sind.

Hier sind Regeln nicht mehr ein sinnvolles Werkzeug, sondern sie werden zu etwas Heilbringendem überhöht.

Beziehungen und Regeln (Peter)

Es gibt noch eine weitere Gefahr bei Regeln.

Werfen wir einen Blick auf Römer 14, 1-3; NL:

1 Nehmt den an, der im Glauben schwach ist, und streitet nicht mit ihm über unterschiedliche Meinungen. 2 Während der eine zum Beispiel glaubt, man dürfe alles essen, verzichtet ein anderer auf Fleisch, weil sein Gewissen es ihm verbietet. 3 Wer meint, er dürfe alles essen, soll nicht auf den herabsehen, der nicht alles isst. Und wer bestimmte Speisen meidet, soll den nicht verurteilen, der alles isst, denn Gott hat ihn angenommen.

Hier hat jede seine eigenen Regeln. Der eine sagt, man darf alles essen und tut das auch, der andere sagt, mein Gewissen verbietet mir, Fleich zu essen. Die vegetarische Ernährungsweise kommt in dieser biblischen Zeit wahrscheinlich daher, dass vieles Fleisch, was man kaufen konnte, von Opfertieren heidnischer Opferrituale her kamen und viele Christen das daher nicht essen wollten.

Interessant ist, dass hier gar nicht diskutiert wird, wer recht hat. Objektiv betrachtet hat der erste recht. In Markus 7, 19; NL sagt Jesus Christus:

Die Nahrung kommt nicht mit seinem Herzen in Berührung, sondern geht nur durch den Magen und wird dann wieder ausgeschieden.« Damit erklärte Jesus alle Speisen für erlaubt.

Aber das spielt hier keine Rolle. Der Text aus Römer 14 geht so weiter:

4 Wer bist du, dass du einen Diener Gottes verurteilst? Er ist dem Herrn verantwortlich, deshalb überlasst es Gott, sein Verhalten zu beurteilen. Der Herr hat die Kraft ihm zu helfen, so dass er das Richtige tun wird. 5 Genauso ist es bei dem, der bestimmte Tage für heiliger erachtet als andere, während für einen anderen dagegen alle Tage gleich zählen. Entscheidend ist aber, dass jeder von dem überzeugt ist, was er denkt! 6 Wer einen besonderen Tag auswählt, um den Herrn anzubeten, will ihn damit ehren. Und wer ohne Ausnahme alles isst, tut das zur Ehre des Herrn, denn er dankt Gott für das Essen. Und der, der nicht alles isst, will ebenfalls dem Herrn damit Freude machen und ihm danken. 7 Denn wir gehören nicht uns selbst, ganz gleich, ob wir leben oder sterben. 8 Wenn wir leben, leben wir, um dem Herrn Freude zu machen, und wenn wir sterben, sterben wir, um beim Herrn zu sein. Ob wir nun leben oder sterben: Wir gehören dem Herrn.

Es gibt sicherlich Fragen, wo man darum ringen muss, was richtig ist. Wir haben das ja vorhin am Beispiel der Galater gehört, dass der Glauben an Jesus Christus der richtige Weg ist und nicht das Befolgen von Gesetzen zum Ziel führt.

Aber es scheint viele Regeln zu geben, wo Gott ganz gut mit unterschiedlichen Erkenntnissen klar kommt. Viele Christen halten, wie gerade erwähnt, manche Tage für besonders: Weihnachten, Ostern, Karfreitag, Pfingsten und andere eben nicht. Das Kirchenjahr gilt tatsächlich nicht für alle Christen.

Dieser Punkt ist aber für mich nicht das entscheidende in diesem Text, sondern wir leben, sehr modern hier übersetzt, um Gott Freude zu bereiten. Und Gott scheint es grundsätzlich egal zu sein, was wir essen oder ob wir irgendwelche Feiertage im besonderen Maße begehen. Aber für uns persönlich ist es nicht egal und das ist in Ordnung so.

Römer 14, 12-15; NL

12 Ja, jeder von uns wird sich persönlich vor Gott verantworten müssen. 13 Deshalb urteilt nicht mehr übereinander, sondern lebt so, dass ihr niemanden behindert und keinen vom Weg Gottes abbringt. 14 Ich weiß und bin durch Jesus, den Herrn, davon überzeugt, dass nichts, was Gott geschaffen hat, unrein ist. Nur wenn es jemand dafür hält, ist es unrein. 15 Und wenn durch das, was du isst, das Gewissen eines anderen belastet wird, so handelst du nicht aus Liebe, wenn du es trotzdem tust. Lass es nicht so weit kommen, dass ein anderer, für den Christus gestorben ist, durch dein Verhalten zu Fall kommt.

Wichtiger als Deine und meine Regeln ist, dass wir dem anderen nicht schaden. Das Wohl des Nächsten steht immer über den Regeln.

Die folgenden Verse danach fassen das schön zusammen (Römer 14, 16.17; NL):

16 Was euch von Gott gegeben wurde, ist gut und soll nicht schlecht gemacht werden. 17 Denn im Reich Gottes ist nicht entscheidend, was man isst oder trinkt, sondern dass man ein Leben führt in Gerechtigkeit und Frieden und in der Freude im Heiligen Geist.

Ein Leben in Gerechtigkeit, Frieden und in der Freude im Heiligen Geist, das ist entscheidend, nicht die Regeln. Regeln können und sollen nur ein nützliches Werkzeug sein, was dazu beträgt.

Jenseits von Regeln... (Mathis)

In Römer 14 verhält es sich etwa wie in folgendem Beispiel:

Ein Erwachsener läuft auf eine Fußgängerampel zu. Die Ampel ist rot, aber die Straße ist wie ausgestorben; es ist kein Auto weit und breit zu sehen, oder zu hören. Der Erwachsene entscheidet sich die rote Ampel zu missachten und überquert die Straße.

Stellen wir uns einmal vor, ein Kind, das gerade erst die grundlegenden Verkehrsregeln gelernt hat, läuft auf dieselbe Ampel zu. Sollte es stehen bleiben oder gehen? Es sollte wohl die gelernte Regel anwenden und stehen bleiben.

Aber warum kann der Erwachsene in der Situation die Regel missachten?

Der Wesentliche Unterschied zwischen dem Kind und dem Erwachsenen in diesem Beispiel ist, dass der Erwachsene weiß, wofür die Regel da ist: um nicht überfahren zu werden.

Der Erwachsene weiß, dass der Sinn dieser Regel erfüllt wird, wenn man geht, ohne sich oder andere in Gefahr zu bringen; Er kann wegen seiner Erfahrung die Verkehrslage besser beurteilen und indem er die Straße überquert, erfüllt er den Sinn der Regel, ohne sich an die Regel selbst zu halten. Wäre es jetzt gut, wenn der Erwachsene versuchen würde, dem Kind zu erklären, dass man manchmal auch bei Rot gehen kann? Wäre das Kind nicht etwas überfordert damit, jedes Mal selbst die Verkehrslage zu beurteilen? Und vielleicht verwirrt, weil eine Regel, die so wichtig für seine Sicherheit sein soll, auf einmal nicht mehr gilt?

Es bestünde das Risiko, dass es am Ende einfach, nach Lust und Laune, selbst entscheidet, wann es über Rot gehen will und wann nicht.

So wie man die Regel „bleibe bei Rot stehen und gehe bei Grün.“ zusammenfassen kann als „bring dich und andere beim Überqueren der Straße nicht in Gefahr.“, so könnte man die ganze StVo zusammenfassen als:

Handle so, dass keine Unfälle passieren und alle rechtzeitig da ankommen, wo sie hinmüssen.

Würden sich alle daran halten gäbe es keine Unfälle mehr.

Aber wir sind nur Menschen und wissen nicht wer wann wohin muss, oder was der andere als nächstes vorhat und wie man sich dann verhalten muss, damit alles unfallfrei abläuft.

Wir bräuchten so eine Art „SuperGPS“ das all diese Dinge weiß und uns immer die beste Verhaltensweise vorgibt. Wir müssten uns nur an seine Anweisungen halten und darauf vertrauen, dass dann schon alles gut wird.

So ein Gerät gibt es allerdings nicht, weshalb wir die StVo doch brauchen.

So wie ich gerade die Regeln der StVo zusammengefasst habe, hat auch Jesus im NT die Gesetze des AT zusammengefasst als „Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst“. Auch Paulus sagt in Römer 13,10:

Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses an. Darum wird durch die Liebe das ganze Gesetz erfüllt.

Wenn wir uns nur alle gegenseitig lieben würden, gäbe es keinen Streit oder Hass mehr. Hört sich ja ganz einfach an, aber, so wie auch im Verkehrsbeispiel, kann das doch nicht funktionieren, so ganz ohne „SuperGPS“.

Doch Gott hat für uns eine Lösung parat: (Ausgerechnet) im AT in Hesekiel 36,26.27 lesen wir:

26 Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist: Das versteinerte Herz nehme ich aus eurer Brust und gebe euch ein lebendiges dafür. 27 Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und euch nach meinen Rechtsbestimmungen richtet.

Da haben wir es! Das ist unser „SuperGPS“! Wenn wir in Verbundenheit mit Jesus leben und uns von Gott ein neues Herz und einen neuen Geist geben lassen, dann können wir, erfüllt vom heiligen Geist, Entscheidungen treffen, ohne uns an konkrete Handlungsvorschriften der Bibel halten zu müssen.

Wir können dann die Rolle des Kindes verlassen, das sich an Regeln hält, weil es keinen anderen Maßstab hat, und die Rolle des Erwachsenen einnehmen, der weiß, was er tut und selbstverantwortlich handeln kann.

Kurz gesagt: Der heilige Geist Gottes ermöglicht uns, das Gesetz zu erfüllen, ohne die Gesetze der Bibel einhalten zu müssen.

Zusammenfassung

Wir fassen zusammen: