Leichlingen, 3.1.2010

Sich fallen lassen

Einleitung

Es geht heute ums „Fallen lassen“.

Jeder hat vielleicht unterschiedliche Vorstellungen, was das bedeutet.

Aber ich bin letztens auf dieses Thema gestoßen, als ich eines Morgens aufwachte.
Ich mußte früh aufstehen, bin aber etwas früher wach geworden.

Es gibt ja Leute, die können sich so programmieren, indem sie sich eine Uhrzeit vornehmen und dann tatsächlich zu dieser Uhrzeit aufwachen.
Solche Leute gibt es, da habe ich schon welche von kennengelernt.

Ich kann das nicht, ich brauche meinen Wecker und dieser Wecker darf auch nicht sanft sein, sondern muß um 5:45 brutal los piepen, sonst werde ich nicht wach.

Als ich an diesem einen Morgen wach wurde, hatte ich noch 20 oder 30 Minuten Zeit.
Was macht man da? Steht man noch früher auf, mit Worten des Lobpreis auf den Lippen oder kämpft man um jede Minute, die man liegen bleiben kann?

Ich habe auf den Wecker geguckt, kontrolliert, daß er wirklich eingeschaltet ist, mich wieder auf die Matratze fallen lassen und habe die Augen wieder zu gemacht, denn auf den Wecker – wenn jetzt nicht gerade der Strom ausfällt – kann ich mich verlassen.
Und 20 oder 30 Minuten später hat er mich dann geweckt.

Wenn ich schlafe, kann ich nichts kontrollieren und da ich – leider – der erste in unserer Familie bin, der aufsteht, muß ich mich auf ein Gerät verlassen.

Wenn man sich so auf Geräte verläßt, dann hat man ja immer noch irgendwie die übergeordnete Kontrolle, weil man ja selbst für die Anschaffung und Wartung zuständig ist.
Einen Wecker muß man zwar nicht warten, aber wenn der eines Morgens nicht mehr piept, dann wird der ruckzuck ausgetauscht.
Dann hat man halt einen Morgen Streß und Ärger, aber normalerweise mehr auch nicht.

Fallen lassen ist natürlich noch ein bißchen mehr, als sich nur in manchen Situationen auf irgend etwas oder irgend jemand zu verlassen; man gibt die Kontrolle vollkommen ab.

Und das macht man Dingen gegenüber normalerweise nicht, vielleicht der Fallschirmspringer beim Fallschirm oder der Bungee-Springer gegenüber dem Bungee-Seil, aber so bei normalen Leuten wie uns kommt das eigentlich nicht vor.

Man versucht halt, so gut es geht, die Kontrolle zu behalten.

Aber wie ist das anderen Menschen gegenüber?
Lassen wir uns einem anderen Menschen gegenüber fallen?

„Sich fallen lassen“: Anderen Menschen gegenüber

Es gibt eine Gelegenheit, da habe ich ganz besonders das Gefühl des Kontrollverlustes oder anders formuliert, des Ausgeliefert-Seins.

Auf den ersten Blick scheint sich fallen zu lassen und sich jemandem auszuliefern etwas unterschiedlich zu sein, aber wenn man mal darüber nachdenkt, ist es irgendwie doch dasselbe.

Ich persönlich habe Schwierigkeiten, nachts über längere Strecken Auto zu fahren.

Wenn ich dabei jemanden vollquatschen kann, dann geht das.
Ich kann mich noch erinnern, daß ich vor vielen Jahren mit unserer damaligen Jugendgruppe in Holland war und wir ziemlich spät zurückgefahren sind.
Eine Jugendliche saß auf dem Beifahrersitz und ich habe ihr von meinem Studium, von meinem Nebenfach Mikrobiologie, erzählt.
Sie hat kein Wort verstanden, aber ich bin gut wach geblieben.

Aber meistens schlafen die Beifahrer nachts ja auch und dann ist das echt schwierig für mich.
Solche Situationen vermeide ich deswegen.

Wenn wir mit der Familie weiter weg in Urlaub – z.B. nach Polen – fahren, sind wir oft nachts gefahren, weil man da besser durchkommt.
Meine Frau übernimmt dann die erste Hälfte, von 23:00 bis 5:00 Uhr und ich löse sie dann ab.

Wenn ich dann morgens im Auto aufgewacht bin und ich lebte noch, dann wurde mir bewußt, wie sehr ich ihr ausgeliefert war.
Ich konnte mich in den Schlaf fallen lassen und meine Frau hat uns sicher gefahren.

Bisher habe ich hauptsächlich darüber gesprochen, wie ich das „Fallen lassen“ hauptsächlich gefühlt habe.

Wenn ich so daran denke, wo ich über das Thema „Fallen lassen“ außerhalb der christlichen Welt gelesen habe, dann ist es mir ab und zu in Illustrierten begegnet, die man z.B. beim Zahnarzt so findet und da ging es meistens um Sex.

Wir leben ja leider – und da sage ich bewußt „leider“ – in einer Zeit, wo die Entkoppelung von Sexualtität und Beziehung salonfähig geworden ist.
Vieles gefällt mir an der modernen Zeit, aber das nicht.

Und wenn dann sogenannte moderne Menschen ihr Single-Leben in diesen Illustrierten beschreiben, dann werden häufig auch One-Night-Stands als normaler zum Teil bunter Tupfen im Leben geschildert und bei diesen sexuellen Kurzepisoden fällt dann hin und wieder auch der Ausdruck des „sich fallen lassen“ in so einem One-Night-Stand.

Auf mich wirkt das immer so, daß man den anderen für einen Kick benutzt.
Im Prinzip ist beim One-Night-Stand der andere das Bungee-Seil, an dem man herunterspringt, so als Mittel zum Zweck.

Ich denke, daß Gott kein Problem mit Bungee-Springen hat, aber es ist, so wie ich die Bibel verstehe,  nicht richtig, daß man andere Menschen zu seinem eigenen Vergnügen oder zu seiner eigenen Befriedigung benutzt, auch wenn der andere vielleicht damit einverstanden ist.
Das degradiert den anderen zu einem Gebrauchsgegenstand.

Wenn ich so einen Lebensstil mit einer Ehe vergleiche, wie ich sie mir vorstelle und wie ich sie versuche zu leben, dann ist das gegenseitige Ausliefern weit über die Sexualität hinaus; es muß irgendwie auch ein Kennzeichen dieser Ehe sein.

Wenn einer versucht, in einer Ehe alles zu kontrollieren, dann ist das für eine Ehe nicht gut.
Wahrscheinlich geht die Ehe dann irgendwann kaputt.

Man muß dem anderen vertrauen können und das geht über die reine Aufgabenverteilung hinaus.
Wenn der eine einen Fehler, vielleicht sogar einen gravierenden, vielleicht teuren Fehler, gemacht hat, dann muß er sich darauf verlassen können, daß der andere ihm verzeiht, ihn auffängt und ihn wieder aufrichtet.
So stelle ich mir richtiges Sich-Fallen-Lassen vor.

Wenn der eine in seinen Aufgaben, z.B. im Beruf, versagt, dann tröstet der andere ihn und hilft ihm wieder auf.

Leider ist es in manchen Ehen nicht so, oder vielleicht sogar in vielen.
Wenn einer einen Fehler macht, dann schmiert der andere ihm es noch, vielleicht sogar öfters, aufs Butterbrot, und dann funktioniert das mit dem Sich-fallen-lassen nicht mehr so richtig.

Ich habe jetzt immer „er“ im Sinne von „der Mensch“ gesagt, weil ich nicht glaube, daß es in diesen Punkten zwischen Mann und Frau Unterschiede gibt.

Aber auch jenseits einer Ehe gibt es Situationen, wo man sich einem Menschen ausliefern, sich in seine Hände fallen läßt.
Das können Freunde oder Verwandte sein.

In 1.Samuel 22, 1.2 (ELB) ist beschrieben, was David passierte, als er auf der Flucht war.

David mußte vor dem König Saul fliehen, weil Saul auf Davids Erfolge eifersüchtig war:

1 Und David ging von dort weg und entkam in die Höhle Adullam. Und als seine Brüder und das ganze Haus seines Vaters das hörten, kamen sie zu ihm dorthin herab. 2 Und es sammelten sich um ihn lauter Bedrängte und solche, die verschuldet waren, und andere mit erbittertem Gemüt. Und er wurde ihr Anführer. Und es waren bei ihm etwa vierhundert Mann.

Paßt hier der Begriff „Sich-fallen-lassen“?

Warum schließt man sich überhaupt jemandem an, der auf der Flucht ist?

Diese Bedrängten waren schon ganz unten.
Sie sind durch Schulden oder Verbitterung gefallen und niemand hat sie aufgefangen.

Sie setzen das, was von ihrem Leben noch übrig ist, auf David.

Sie hoffen, daß David sie auffängt und ihnen eine neue Perspektive gibt.

Sie hatten Glück, daß es David, ein Mann Gottes, war, und kein Rattenfänger.

Menschen brauchen jemanden, wo sie sich in Stück weit fallen lassen können.

Bei Kindern sind das oft die Eltern, bei Erwachsenen können das Freunde, Verwandte oder Partner sein, die einen auffangen.
Das vorhin für eine Ehe beschriebene gilt ja zum Teil ja auch für Freunde und Verwandte, die einen auffangen.

Klar, viele denken, daß sie sich eigentlich nicht so recht fallen lassen müssen, da sie ja alles im Griff haben.
Sie sind ja auch nicht verbittert, verschuldet oder bedrängt.

Ich glaube aber nicht, daß man immer alles im Griff haben kann.
Solche Leute machen sich oft selber was vor und verdrängen z.B. ihre Verbitterung.
Wer gibt schon gerne zu, daß er verbittert ist?
„Mir macht das nichts aus, das ist mir doch egal“ sind uns sicherlich bekannte Aussagen und alleine durch die Art, wie sie ausgesprochen werden, merkt man, daß sie nicht stimmen.

 

Aber auch wenn man sich darüber klar ist, daß man Menschen braucht, wo man sich ein Stück weit fallen lassen kann, sollte einem bewußt sein, daß Menschen Fehler machen und das man von Menschen enttäuscht werden kann.

„Sich fallen lassen“: Gott gegenüber

Ich finde das in mehreren Psalmen schön beschrieben:

Z.B. Psalm 3, 2-5

2 HERR! Wie zahlreich sind meine Bedränger! Viele erheben sich gegen mich; 3 viele sagen von mir: Es gibt keine Rettung für ihn bei Gott! // 4 Du aber, HERR, bist ein Schild um mich her, meine Ehre, und der mein Haupt emporhebt. 5 Mit meiner Stimme rufe ich zum HERRN, und er antwortet mir von seinem heiligen Berg.

Oder Psalm 17, 6-9

 6 Ich rufe dich an, denn du erhörst mich, Gott. Neige dein Ohr zu mir, höre meine Rede! 7 Erweise wunderbar deine Gnade, du Retter derer, die sich bergen vor den Empörern bei deiner Rechten. 8 Bewahre mich wie den Augapfel, birg mich im Schatten deiner Flügel 9 vor den Gottlosen, die mich zerstören, meinen Todfeinden, die mich umzingeln.

Psalm 54, 4-6

4 Gott, höre mein Gebet, nimm zu Ohren die Reden meines Mundes! 5 Denn Fremde sind gegen mich aufgestanden, und Gewalttätige trachten nach meinem Leben; sie haben Gott nicht vor sich gestellt. // 6 Siehe, Gott ist mir ein Helfer; der Herr ist der, der meine Seele stützt.

Es gibt noch viel mehr Beispiele in den Psalmen, wo der Psalmist – meist ist es David – merkt, daß die Feinde ihm über sind und er sich in die Hände Gottes fallen läßt.

David erlebt sogar noch schlimmeres:

Psalm 27, 9.10

9 Verbirg dein Angesicht nicht vor mir, weise deinen Knecht nicht ab im Zorn! Du bist meine Hilfe gewesen. Gib mich nicht auf und verlass mich nicht, Gott meines Heils! 10 Sogar mein Vater und meine Mutter haben mich verlassen, aber der HERR nimmt mich auf.

Im Zeitraum der Verfolgung durch Saul hat David es auch eine Zeitlang erlebt, daß sich seine Eltern von ihm distanziert haben, also sogar die Menschen, von denen man üblicherweise denkt, zu denen kann ich immer noch kommen, wenn ich es sonst mit allen verdorben habe.

 

David hat sein ganzen Leben lang gelernt, auf Gott zu vertrauen.

Das fing als Junge an, wo er auf der Weide alleine die Schafe hüten und Raubtiere vertreiben mußte.

Das ging später weiter, wo er als Feldherr mit seiner Armee gegen den Feind ziehen mußte und auch später auf seiner Flucht, wo er sich auf niemanden verlassen konnte, hatte er nur Gott.

Die Leute bei ihm haben ja von ihm Zuflucht, Hilfe und Führung erwartet.
Aber wen sollte er sich wenden?

Und was ist, wenn etwas schief geht?

1. Samuel 30, 3-6

3 David und seine Männer kamen zur Stadt. Und siehe, sie war mit Feuer verbrannt, und ihre Frauen, Söhne und Töchter waren gefangen weggeführt. 4 Da erhoben David und das Volk, das bei ihm war, ihre Stimme und weinten, bis sie nicht mehr weinen konnten. 5 Und die beiden Frauen Davids waren gefangen weggeführt worden, Ahinoam, die Jesreeliterin, und Abigajil, die Frau Nabals, des Karmeliters. 6 Und David war in großer Bedrängnis, denn das Volk sprach davon, ihn zu steinigen. Denn die Seele des ganzen Volkes war erbittert, jeder war erbittert wegen seiner Söhne und wegen seiner Töchter. Aber David stärkte sich in dem HERRN, seinem Gott.

Wenn alle von einem Hilfe und Leitung erwarten und es geht etwas schief, dann kann sich das Blatt ganz schnell wenden.

Aber David stärkt sich bei Gott, er gibt sich in Gottes Hände.

Ich weiß nicht, wer von euch sich hier wieder findet.

Vielleicht ist hier jemand von Menschen oder Umständen bedrängt, oder von Menschen enttäuscht worden, vielleicht sogar wirklich von den eigenen Eltern, Ehepartnern oder Kindern.

Vielleicht warst Du auch lange für andere Menschen da und als etwas schief ging, haben sie sich gegen Dich gewendet und haben das Vergangene einfach ausgeblendet.

Wie geht man damit um?

Verbitterung? Ich laß keinen Menschen mehr an mich heran? Verdrängung? Nie wieder von anderen Menschen abhängig sein?

Kann man sich in die Hände Gottes fallen lassen? Ist das realistisch?

Schauen wir uns einmal Matthäus 4, 18-22 (NGÜ) an

18  Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Fischer, die auf dem See ihr Netz auswarfen. Es waren Brüder, Simon, auch Petrus genannt, und Andreas. 19  Jesus sagte zu ihnen: »Kommt, folgt mir nach! Ich will euch zu Menschenfischern machen.« 20  Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. 21  Als er von dort weiterging, sah er wieder zwei Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und brachten ihre Netze in Ordnung. Jesus forderte sie auf, mit ihm zu kommen. 22  Und sofort ließen sie das Boot und ihren Vater zurück und folgten Jesus.

Sie lassen alles stehen und liegen und folgen Jesus nach; sie gaben sich ganz in Jesu Hände.

Ist das realistisch, alles stehen und liegen zu lassen?

Ich habe einmal jemanden kennengelernt, der hat seine Frau zu Hause zurückgelassen und ist durch Deutschland gefahren und hat überall Traktate verteilt.
Ich hatte leider keine Gelegenheit, ausführlich mit ihm zu sprechen, aber ich fand es etwas eigenartig und hätte gerne die Meinung seiner Frau dazu gehört.
Er hat sich einem Missionsbus-Team in Potsdam angeschlossen, wo ich auch eine Zeitlang mitgemacht habe.

Ich habe später gehört, daß dieser Mensch sehr eigenwillig war, und sich nicht ins Team integrieren ließ.

Was hat Petrus' Frau wohl dazu gesagt, daß Petrus alles stehen und liegen gelassen hat?

Allerdings hat Petrus' Frau Jesus selber erlebt (Matthäus 8, 14.15; NGÜ):

14  Jesus ging in das Haus des Petrus. Dessen Schwiegermutter lag mit Fieber im Bett. 15  Jesus berührte ihre Hand; da verschwand das Fieber, und sie stand auf und sorgte für sein Wohl.

Ich denke nicht, daß es normalerweise richtig ist, alles von jetzt auf gleich stehen und liegen zu lassen, wenn man Jesus nachfolgt, da sind wir uns wahrscheinlich einig.

Bei den 12 Jüngern damals war das schon ein Sonderfall, obwohl es das heute vielleicht in speziellen Fällen durchaus auch geben an.

Können wir heute Jesus überhaupt so nachfolgen? Und was heißt es in diesem Zusammenhang für uns heute, sich in die Hände Jesu zu begeben?

Die 12 Jünger haben in den dreieinhalb Jahren, in denen sie mit Jesus umhergezogen sind, sich komplett auf Jesus verlassen, auch was die materielle Versorgung angeht.

In der heutigen Zeit wirkt ja das Christsein auf den ersten Blick eher so, daß man den Alltag genau wie alle anderen Menschen bewältigen muß.
Man hat ein paar christliche Freizeitaktivitäten und am Sonntag hört man hier ein paar kluge, auferbauende Worte und wenn die Gemeinde altmodisch ist, auch ein bißchen ethische Belehrung.

Uns ist sicherlich klar, daß so ein Christsein ziemlich nahe an der Nutzlosigkeit entlang schrammt.

Aber wie soll es denn sein?
Ich möchte dazu noch einmal die 12 Jünger von Jesus betrachten (Markus 10, 28-31; NGÜ):

28  Da sagte Petrus zu Jesus: »Du weißt, wir haben alles zurückgelassen und sind dir nachgefolgt.« 29  Jesus erwiderte: »Ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus, Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker zurücklässt, 30  bekommt alles hundertfach wieder: jetzt, in dieser Zeit, Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker – wenn auch unter Verfolgungen – und in der kommenden Welt das ewige Leben. 31  Aber viele, die jetzt die Ersten sind, werden dann die Letzten sein, und die Letzten werden die Ersten sein.«

Das hört sich auf den ersten Blick ja so an, daß man seine Pflichten ruhig liegen lassen kann, um mit Jesus zu gehen.

So ist das aber nicht gemeint.
Petrus hat zwar z.B. seine Frau während dieser dreieinhalb Jahre mit Jesus kaum gesehen, aber danach hat er wieder mit ihr zusammengewohnt.
Er hat sie bei seinen Reisetätigkeit immer mit dabei gehabt und nicht nur er sondern fast alle leitenden Brüder haben sich um ihre Frauen gekümmert (1. Korinther 9, 5).
Die Kinder sind jetzt nicht explizit erwähnt, aber sie waren sicherlich auch mit dabei.
Die Pflicht dazu ist sogar in 1. Timotheus 5, 8 in ziemlich scharfer Form geschildert:

 8  Denn wenn sich jemand nicht um seine Angehörigen kümmert, vor allem um die, die unter einem Dach mit ihm leben, verleugnet er den Glauben und ist schlimmer als jemand, der nicht an Christus glaubt.

Es geht nicht darum, Pflichten zurückzulassen, sondern Sicherheiten.

Vertraute Menschen, liebe Verwandte, bieten Sicherheit.
Da kann ich mich darauf verlassen.

Jesus Christus möchte uns aber den Blick weiten.

Es kann sein, daß er möchte, daß wir eine neue Arbeit annehmen, daß wir mit neuen Menschen zu tun haben und das wir das Vertraute Sichere hier und da zurücklassen müssen.

Das heißt natürlich nicht, daß man seine Eltern nicht mehr besucht, aber nehmen wir ruhig einmal das Beispiel Mission.

In einem fremden Land ist man weit weg von den Verwandten.
Man hat sie für Jesus zurückgelassen.

Aber auch wenn man kein Missionar wird oder das Land verläßt, kann man sich in die Hände Jesu geben und das kann bedeuten, Vertrautes und Sicherheiten zurückzulassen.

Und dazu muß man sich Jesus Christus ausliefern.
Aber das macht nur Sinn, wenn man es ganz macht.

Und dann muß man sich von dem Gedanken verabschieden, daß man alles Griff hat und auch größtenteils alles richtig macht.

Dann wird man einen neuen Blick auf andere Menschen bekommen und neue Prioritäten setzen.

Und man lernt zu vertrauen, wenn es menschlich gesehen äußerst unsicher wird.

Will man das? Will man sich in die Hände Jesu fallen lassen? Will man sein Jünger sein?

Es gibt da eine Stelle, die auf den ersten Blick leicht zu verstehen ist, die ich aber auf den zweiten Blick nicht so richtig verstehe (Lukas 14, 26-30):

26  »Wenn jemand zu mir kommen will, muss er alles andere zurückstellen – Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein eigenes Leben; sonst kann er nicht mein Jünger sein. 27  Wer nicht sein Kreuz trägt und mir auf meinem Weg folgt, der kann nicht mein Jünger sein. 28  Angenommen, jemand von euch möchte ein Haus bauen. Setzt er sich da nicht zuerst hin und überschlägt die Kosten? Er muss doch wissen, ob seine Mittel reichen, um das Vorhaben auszuführen. 29  Sonst kann er, nachdem er das Fundament gelegt hat, den Bau vielleicht nicht vollenden, und alle, die das sehen, werden ihn verspotten 30  und sagen: ›´Seht euch das an!` Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und war nicht imstande, es zu Ende zu führen.‹.

Auf den ersten Blick ist es klar, was hier gemeint ist.

Ich habe ja schon ein bißchen gesagt, was das bedeutet, Jesus Christus nachzufolgen und die Verse danach – mit dem Kosten-überschlagen – sind ja irgendwie auch klar:
Man soll sich das gut überlegen.

Aber, und da fangen meine Schwierigkeiten mit dem Text an, weiß ich denn, was auf mich zu kommt, wenn ich mit Jesus Christus beginne?

Ich habe mich damals aus eine persönlichen Krise heraus für Jesus Christus entschieden und ihm mein Leben ausgeliefert.
Ich hatte doch keinen blassen Dunst, was auf mich zu kommt, wie hätte ich da die Kosten überschlagen sollen?

Ich wußte nur eins: Ich kann mich auf Jesus verlassen und er wird mir auch die Kraft geben, Dinge in Ordnung zu bringen, die ich bisher nicht in Ordnung bringen wollte.

Und eins habe ich gelernt und immer wieder erlebt:

Ob ich nun Phasen des fleißigen Bibellesens oder nur selten zur Bibel gegriffen habe, ob nun alles in meinem Leben in Ordnung war oder ob ich in manchen Entscheidungen sehr unsicher war, Jesus Christus ist da und trägt mich und uns als Familie durch.

Auch als ich Schwierigkeiten im Studium hatte, oder wenn das Geld knapp ist oder als ich meinen Job verloren hatte, wußte ich, Jesus Christus ist da.

Das wußte ich vor 24 Jahren, als ich mich für Jesus entschieden hatte, alles nicht, aber irgendwie wußte ich trotzdem, daß ich bei Jesus in guten Händen bin.

Vielleicht reicht diese Gewißheit ja, um die Kosten überschlagen zu können.

Als Abschluß paßt vielleicht der bekannte Spruch:

Nie tiefer als in Jesu Hand.

AMEN