Leichlingen, 27.3.2011
Einladung zum Gottesdienst
(Vor der Predigt wurde ein Sketch über ein Ehepaar aufgeführt, welches miteinander darüber redet, wen sie zum Gottesdienst einladen könnten. Sie finden keinen.)
War das übertrieben? Ich habe mich beim Schreiben des Sketches gefragt, inwieweit er auf mein Leben zutrifft. Manches paßt leider, manches ist aber auch frei erfunden.
Wir haben ja letzte Woche schon darüber nachgedacht, wie man über
den Glauben reden kann.
Nein, eigentlich haben wir gehört, daß
wir eine Hoffnung haben und das unser Mund überschäumt, wenn unser
Herz voll davon ist.
In 1. Petrus 3, 15 steht das so (NGÜ):
Und seid jederzeit bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der euch auffordert, Auskunft über die Hoffnung zu geben, die euch erfüllt.
In unserer Predigtreihe, die „7-Schritte-Strategie“, geht es nun heute um den 3. Schritt, doch was ist nach „Beziehungen aufbauen“ und „Über den Glauben reden“ der folgerichtige dritte Schritt?
Das wäre der Besuch einer Gemeindeveranstaltung und da fällt natürlich die zentrale Gemeindeveranstaltung, der Gottesdienst, ins Auge.
Was ist aber ein Gottesdienst?
Interessant fand ich den ersten Satz im Wikipedia-Artikel über „Gottesdienst“:
Ein Gottesdienst ist eine religiös motivierte Zusammenkunft von Menschen mit dem Zweck, mit Gott in Verbindung zu treten, mit ihm Gemeinschaft zu haben oder Opfer zu bringen bzw. eine auferlegte religiöse Pflicht zu erfüllen.
Ich weiß, daß es oft genug ein Opfer ist, sonntags früh aufzustehen, die Kinder anzutreiben, um pünktlich hier zu sein. Laut Hebräer 10, 25 (NGÜ) ist es ja auch quasi Pflicht hierhin zu kommen:
25 Deshalb ist es wichtig, dass wir unseren Zusammenkünften nicht fernbleiben, wie einige sich das angewöhnt haben
Aber jeden von uns wird klar sein, daß Opferbereitschaft und Pflichtgefühl nicht die richtigen Motive für einen Gottesdienstbesuch sind. Allerdings sind die in der ersten Hälfte der Wikipedia-Definition genannten Gesichtspunkte äußerst wichtig: Mit Gott in Verbindung treten und mit ihm Gemeinschaft zu haben, das werden wir später noch aufgreifen.
Ich möchte dazu heute einem Gottesdienst aus dem alten Testament mit euch betrachten. Dabei kann ich mich noch gut erinnern, wie ich diesen Text zum allerersten Mal las. Schon damals fielen mir Ähnlichkeiten zu unseren heutigen Gottesdiensten auf: Nehemia 8, 1-11 (ELB)
1 da versammelte sich das ganze Volk wie ein Mann auf dem Platz, der vor dem Wassertor war. Und sie sagten zu Esra, dem Schriftgelehrten, er solle das Buch mit dem Gesetz des Mose herbeibringen, das der HERR dem Volk Israel geboten hatte.
Was ist das Motiv für diese Versammlung? Das ganze Volk verlangt nach dem Gesetz des Mose, verlangt nach der Bibel. Wir kommen also jeden Sonntag hierhin und verlangen danach, aus der Bibel zu hören. Ist das so? Hier ist ein wichtiger Punkt, um einmal seine eigene Motive zu prüfen, warum man hier herkommt.
2 So brachte am ersten Tag des siebten Monats der Priester Esra das Gesetz vor die Versammlung, vor Männer und Frauen, und vor jeden, der zu hören verstand. 3 Und er las daraus vor auf dem Platz, der vor dem Wassertor war, vom ersten Tageslicht bis zum Mittag in Gegenwart der Männer und Frauen und aller, die es verstehen konnten. Und die Ohren des ganzen Volkes waren auf das Buch des Gesetzes gerichtet.
Esra hat nicht auf lateinisch, altdeutsch oder auf arabisch vorgelesen, sondern so, daß die Anwesenden es verstanden. Das heißt natürlich für uns, alle paar Jahre oder Jahrzehnte eine Bibelübersetzung zu finden, die dem Grundtext treu ist, aber die auch verstanden wird. Das ist einfach wichtig: Was nützt es, wenn man etwas vorliest, was niemand versteht?
Die Anwesenden, und das ist die andere Seite der Medaille, wollten hören. Ihre Ohren waren auf das Buch des Gesetzes gerichtet. Sie waren vom frühen Morgen bis zum Mittag da und hörten zu.
Sicherlich war das hier eine besondere Situation, da der Tempel gerade neu errichtet war und nach vielen Jahren ohne Gottesdienst ein großer Hunger nach der Bibel im Volk war. Aber trotzdem kann diese Sehnsucht nach der Bibel uns zum Vorbild sein.
4 Und Esra, der Schriftgelehrte, stand auf einem Holzgerüst, das man zu diesem Zweck hergestellt hatte. Und neben ihm standen Mattitja, Schema, Anaja, Uria, Hilkija und Maaseja, zu seiner Rechten; und zu seiner Linken Pedaja, Mischaël, Malkija, Haschum und Haschbaddana, Secharja und Meschullam. 5 Und Esra öffnete das Buch vor den Augen des ganzen Volkes, denn er überragte das ganze Volk. Und als er es öffnete, stand das ganze Volk auf. 6 Und Esra pries den HERRN, den großen Gott, und das ganze Volk antwortete: Amen, Amen! - wobei sie ihre Hände emporhoben. Und sie verneigten sich und warfen sich vor dem HERRN nieder mit dem Gesicht zur Erde.
Die hatten sogar eine Kanzel.
Das Volk stand auf, als Esra die Bibel öffnete. Dann gibt es eine Art Lobpreis, wie immer der auch aussah. Dabei war das Volk voller Ehrfurcht vor Gott, nicht vor dem Schriftgelehrten Esra. Erst hoben sie die Hände und dann warfen sie sich vor Gott nieder. Die Menschen in diesem Gottesdienst müssen tief ergriffen gewesen sein. Hier kann man sicherlich von einer Begegnung mit Gott sprechen.
Man darf meiner Ansicht jetzt nicht den Fehler machen, dieses Erlebnis, diesen Ablauf damals zu liturgisieren. Man könnte das ja genauso machen. Der Prediger, also heute bin ich das, öffnet die Bibel, ihr steht auf. Ich preise Gott, ihr sagt Amen, hebt dabei die Hände. Und dann werft ihr euch auf den Boden. Und das machen wir jetzt jeden Sonntag.
Das kann es nicht sein. Die Begegnung mit Gott kann man nicht liturgisieren, sie muß live und echt sein. Und sie kann je nach Situation unterschiedlich ablaufen. Und diese Begegnung mit Gott ist genauso heute möglich und ist letztendlich das, was sich auch für Außenstehende lohnt.
Dann geht der Gottesdienst weiter:
7 Und Jeschua und Bani und Scherebja, Jamin, Akkub, Schabbetai, Hodija, Maaseja, Kelita, Asarja, Josabad, Hanan, Pelaja, die Leviten, belehrten das Volk über das Gesetz. Dabei stand das Volk an seiner Stelle. 8 Und sie lasen aus dem Buch, aus dem Gesetz Gottes, abschnittsweise vor und gaben den Sinn an, so dass man das Vorgelesene verstehen konnte.
So machen wir das heute auch und das ist sicherlich sinnvoll. Die haben sich abgewechselt, weil dieser Gottesdienst ja über viele Stunden lief. Und manches in der Bibel muß man halt erklärt bekommen, was aber nicht heißt, daß man nur konsumiert. Man muß mitdenken, man muß reflektieren und es auf sein eigenes Leben anwenden. Und man muß prüfen, denn auch einer der vorne steht, kann sich einmal vertun.
9 Und Nehemia, das ist der Tirschata, und der Priester Esra, der Schriftgelehrte, und die Leviten, die das Volk belehrten, sagten zum ganzen Volk: Dieser Tag ist dem HERRN, eurem Gott, heilig! Seid nicht traurig und weint nicht! Denn das ganze Volk weinte, als es die Worte des Gesetzes hörte. 10 Und er sagte weiter zu ihnen: Geht hin, esst fette Speisen und trinkt süße Getränke und sendet dem Anteile, für den nichts zubereitet ist! Denn der Tag ist unserm Herrn heilig. Und seid nicht bekümmert, denn die Freude am HERRN, sie ist euer Schutz! 11 Und die Leviten beruhigten das ganze Volk, indem sie sagten: Seid still, denn der Tag ist heilig! Seid nicht bekümmert!
Die Worte der Bibel sind eingeschlagen wie eine Bombe. Alle weinten. Alle waren getroffen und fühlten sich betroffen. Sicherlich muß nicht immer im Anschluß eines Gottesdienstes geweint werden, aber es ist das höchtste Ziel eines Gottesdienstes, wenn alle von dem, was vorgelesen und gesagt wurde, betroffen sind und etwas mitnehmen können.
Das kann und wird einen verändern. Und zeitlos gültig ist natürlich die Aussage „Seid nicht bekümmert, die Freude am Herrn ist eure Stärke.“
Die Frage, die sich bei dieser Betrachtung anhand des vorgegebenen Themas aber auch stellt, ist, ob sich in so einem Gottesdienst auch andere einladen lassen würden.
Die Jugendlichen aus unsere Jugend haben auch ihren Freunden erzählt, daß sie hier in die Gemeinde und in die Jugend gehen. Und daraufhin haben einige als Antwort gehört, warum sie denn da hin gingen. Dort würde man doch nur in der Bibel lesen und beten und nicht anderes tun.
Wir finden solche Aussagen belustigend, aber manch ein Jugendlicher muß sich mit solchen Vorurteilen herumschlagen.
Wenn man sich jetzt den vorhin beschriebenen Gottesdienst unter diesem Blickwinkel noch einmal ansieht, dann scheint das Vorurteil ja fast zu stimmen: Vom ersten Tageslicht bis zum Mittag wurde letztendlich in der Bibel gelesen. Das hört sich ja für Außenstehende auf den ersten Blick nicht so attraktiv an.
Die Frage ist, was einen Gottesdienst attraktiv für Außenstehende macht und dabei der Gottesdienst ein Gottesdienst bleibt.
Das allererste, was mir dabei auffiel, ist, daß verständlich Worte gesprochen werden. Man muß keinen Kurs in christlichem Fachchinesisch, in Latein oder in Alt-Luther-Deutsch von 1912 gemacht haben, um dem Gottesdienst folgen zu können.
Wir kennen das von manchen Berufen oder Hobbies oder ähnlichem, daß sich eine eigene Fachsprache entwickelt, die Außenstehende nicht mehr so gut verstehen. Das kenne ich von meinem Beruf her, von der Computer-Programmierung. Ich habe z.B. vorgestern nach einigen Stunden Suche eine Access-Violation gefunden, die daher kam, daß ein Event-Handler nach Zerstören des Objekts nicht wieder ausgehangen wurde.
Wir Nerds leiden auch ein bißchen darunter, daß wir anderen nur sehr schwer vermitteln können, was wir eigentlich tun. Das merkt man vielleicht.
Aber auch in Sport und Spiel gibt es oft solch eine Fachsprache. Z.B. ist ja Pokern im letzten Jahrzehnt sehr populär geworden und ich habe mich mal mit einem jungen Erwachsenen, der selbst häufig online pokert, darüber unterhalten. Er benutzte viele Fachausdrücke, die ich gar nicht kannte.
Wenn man schlecht von seinen Mitmenschen denkt, dann könnte man auf die Idee kommen, daß solche Fachsprachen deshalb gewählt werden, um die Unwissenden wie Vollpfosten aussehen zu lassen. Aber häufig kommt es daher, daß einfach es einfach Spezialfälle gibt, für die es kein genau passendes Wort im allgemeinen Deutsch gibt.
Und ein weiteres Wachstumskriterium für eine unverständliche Fachsprache ist, wenn man zu viel unter sich ist. Gerade dann entwickelt sich eine weitgehend unnütze Fachsprache.
Wie ist das bei uns? Hat sich eine christliche Fachsprache bei uns eingebürgert? Benutzen wir Begriffe, die Außenstehende nicht verstehen? Es gibt da ja diese netten Beispiele, welche zum Beispiel bei einer Gottesdienstmoderation auftreten können:
„Und jetzt dienen uns die Geschwister vom Chor mit einem Lied.“
Was geht bei so einem Satz im Kopf eines Menschen vor, der zum ersten Mal einen Gottesdienst besucht:
„Wie jetzt, sind die alle verwandt? Ist das so eine Art Kelly-Family? Halt, nein, die sind ja besser angezogen.“
Es war alles richtig, was gesagt wurde. Wir sind im Sinne der Bibel Geschwister und der Chor dient uns wirklich. Aber so spricht niemand, es verstehen nur Insider.
Die Bibel spricht in unser aktuelles, heutiges Leben und es ist daher nicht nötig, eine christliche Fachsprache für unsere Gemeinde zu entwickeln.
Aber hier sehe ich unsere Gemeinde wirklich auf einem guten Weg. Wir reden normal miteinander und wir wollen gemeinsam auch mit neuen Leuten Gottesdienst feiern.
Der nächste Punkt in diesem damaligen Gottesdienst war, daß die Teilnehmer ihren Glauben ernst nehmen und das auch bekannten. Sie wollten aus dem Gesetz des Mose hören. Sie standen dazu.
Wir sind hier im Gottesdienst, weil wir unseren Glauben ernst nehmen.
In Hebräer 11, 6 ist das schön zusammengefaßt:
Und ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen. Wer zu Gott kommen will, muss glauben, dass es ihn gibt und dass er die belohnt, die ihn aufrichtig suchen.
Wir glauben, daß es ihn gibt. Und wir glauben, daß er eingreift in unser Leben und daß er uns belohnt, wenn wir ihn aufrichtig suchen. Das bekennen wir hier im Gottesdienst und wir beschäftigen uns jeden Sonntag mit der Realität Gottes und wollen ihm begegnen.
Ich bin sicher, wenn man im Gottesdienst das Bild vermittelt, daß man das alles nicht so ernst nimmt, oder daß es einem peinlich ist, hier gesehen zu werden, daß dann der Gottesdienst für Außenstehende uninteressant wird. Denn wenn wir unseren eigenen Gottesdienst nicht ernst nehmen, warum soll das dann jemand anders tun?
In diesem Gottesdienst damals ließen sich die Menschen treffen. Sie weinten, als sie aus dem Gesetz des Mose hörten. Sie ließen das Wort an sich heran und standen zu ihrer Reaktion.
Es müssen nicht immer alle weinen, wenn sie eine Predigt hören. Das könnte ja auch gegen die Predigt sprechen. Und auch kann Weinen zu einer Art Gewohnheit werden oder auch durch einen Herdentrieb ausgelöst werden. Wir wissen ja auch nicht genau, wie ernsthaft damals jeder einzelne war.
Aber es ist ein Bild für uns, daß wir uns von dem Wort Gottes treffen lassen und uns betreffen lassen. Und nur ein Glaube, der in unserer persönlichen, alltäglichen Realität etwas bewirkt, wird ernstgenommen und er macht auch den Gottesdienst attraktiver, wenn das von den „Insidern“ im Gottesdienst gelebt wird.
Warum soll man überhaupt jemanden einladen? Ist es nicht viel schöner, wenn man unter sich ist?
Man abgesehen davon, daß man in so einem Fall irgendwann anfängt, seltsam zu reden – Stichwort christliche Fachsprache –, hat Gott sich etwas bei dem Gottesdienst gedacht.
Römer 10, 13-15;
13 Denn »jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden«. 14 Nun ist es aber doch so: Den Herrn anrufen kann man nur, wenn man an ihn glaubt. An ihn glauben kann man nur, wenn man von ihm gehört hat. Von ihm hören kann man nur, wenn jemand da ist, der die Botschaft von ihm verkündet. 15 Und die Botschaft kann nur verkündet werden, wenn jemand den Auftrag dazu bekommen hat. ´Genau das ist ja auch geschehen,` denn es heißt in der Schrift: »Was für eine Freude ist es, die kommen zu sehen, die eine gute Nachricht bringen!«
Nun bezieht sich dieser Abschnitt nicht nur auf den Gottesdienst, aber mit Sicherheit auch.
Brauchen Menschen Rettung? Ist es nötig, den Namen unseres Herrn, Jesus Christus, zur Rettung anzurufen?
Ja, das ist es. Aber da muß ein Mensch selber drauf kommen. Er muß selber hören, selber nachdenken und selber die Verantwortung für sich übernehmen.
Und unser Gottesdienst bietet dafür eine gute Gelegenheit.
Auch wenn der Sketch am Anfang vielleicht zu sehr unsere Realität – meine leider auch – getroffen hat, brauchen wir dabei nicht stehen zu bleiben. Wir rechnen mit der Gegenwart Jesu und mit seinem Wirken.
Wir haben heute einen Gottesdienst aus dem alten Testament betrachtet und haben versucht, daraus Schlüsse für unseren Gottesdienst heute zu ziehen.
Ein Punkt war die verständliche Sprache. Gottes Botschaft ist heute noch genauso aktuell wie früher. Also geben wir sie in aktueller, verständlicher Sprache weiter.
Die Menschen damals in dem beschriebenen Gottesdienst haben ihren Glauben ernstgenommen. Sie wollten Gott begegnen. Und das möchten wir auch.
Der Glaube der Menschen damals hat auch etwas bewirkt. Und das ist heute noch genauso. Wir wollen auf Gott hören, uns vom Wort treffen und betreffen lassen.
Und es ist wichtig für jeden Menschen, daß er von Jesus hört, damit er zu ihm beten kann. Und deshalb ist es unser Auftrag, Menschen in unseren Gottesdienst einzuladen.
AMEN