Einleitung
Manchmal frage ich meine Kinder, welches Thema sie interessieren würde, und da kam von einigen das Thema „Ehrlichkeit“.
Das Thema hat mich an einen meiner Lieblingsbibeltexte erinnert und so habe ich es aufgegriffen.
Aber zuerst möchte ich euch die Wikipedia-Definition von Ehrlichkeit vorlesen, die finde ich richtig gut (https://de.wikipedia.org/wiki/Ehrlichkeit, 3.8.2018):
Die Ehre (Ehrenhaftigkeit) als persönliches Attribut kann als Ergebnis der Ehrlichkeit (ehrlichen Verhaltens) angesehen werden. Parallel dazu läuft die Entwicklung von „ehrlich“ und „Ehrlichkeit“. Bis vor einigen Jahrzehnten verstand man unter einem ehrlichen Menschen ausschließlich einen Menschen, der nicht lügt und nicht stiehlt: So lautete die Forderung seit der Pädagogik der Aufklärung. Die Erziehung zur Ehrlichkeit oder – negativ gewendet – die Verabscheuung der Lüge blieb ein zentrales Anliegen erzieherischer Praxis. In neuerer Zeit – kurz nach dem Zweiten Weltkrieg durch literarische Werke wie etwa Osbornes Look back in Anger („Blick zurück im Zorn“) oder Kingsley Amis’ Lucky Jim angebahnt – hat sich eine Bedeutungserweiterung vollzogen: Als „ehrlich“ werden mittlerweile auch jene Menschen bewertet, die zu sich selbst, ihren Macken, ihren Defiziten, ihren entwicklungsbedingten Störungen usw. (reflektiert) stehen und nichts beschönigen. Unterschieden wird Ehrlichkeit im Reden, was bedeutet, die Wahrheit zu sagen, und die Ehrlichkeit im Verhalten, zum Beispiel um andere nicht zu manipulieren, nicht zu täuschen, um anderen nicht zu schaden oder einen Auftrag (ohne einen eigenen Vorteil wahrzunehmen und im Sinne eines fairen Auftraggebers) sachlich zu Ende bringen.
Diese neue Definition gefällt mir besser, weil Ehrlichkeit ein Lebensstil sein sollte und nicht nur das Lavieren zwischen möglichen Lügen hin- und her.
Vorgeschichte
Zu dem Thema wollen wir einen Bibeltext betrachten, der tatsächlich einer meiner Lieblingsbibeltexte ist.
Der Text steht in 2. Chronik 18 (und parallel in 1. Könige 22) und ihr könnt Ihn ja schon einmal suchen, während ich noch etwas von der Vorgeschichte erzähle.
Dazu möchte ich die Personen vorstellen, die in diesem Text eine Rolle spielen.
Ahab
Ahab war König von Israel und er war eigentlich ein ziemlich mieser Typ. Er hatte eine Frau mit dem Namen Isebel, die zum Einen den grausamen Gott Baal anbetete, zu dessen Religion auch Kinderopfer gehörten. Und zum Andern hatte diese Frau auch die meisten Propheten Gottes ermorden lassen.
Ahab hat sich da nicht so eingemischt und sie schalten und walten lassen, obwohl damals der Mann das Sagen hatte und er diese Taten hätte verhindern können.
Dann wurde noch eine Episode geschildert, wo Ahab gerne einen Weinberg gehabt hätte, der Besitzer aber nicht verkaufen wollte. Als seine Frau das hörte, lässt sie den Besitzer ermorden und Ahab bekommt dann den Weinberg.
Ob solche Aktionen öfter vorkamen, wissen wir nicht, aber Gott schickt den Propheten Elia zu Ahab, um ihm seinen Untergang anzukündigen. Elia betont noch einmal, dass es bisher keinen wie Ahab gab, der so viel Böses getan hat. Seine Frau hatte ihn zwar dazu verführt, aber er war natürlich trotzdem Schuld. Verführung entbindet nicht von Schuld.
Aber dann passiert etwas Bemerkenswertes:
Er hat also Reue gezeugt.
Außerdem ist für die Geschichte wichtig, dass Israel unter Ahab schon seit drei Jahren mit Aram, einem Nachbarvolk im Krieg war (1. Könige 22, 1).
Kommen wir zur nächsten Person:
Joschafat
Joschafat war der König von Juda und ganz anders (2. Chronik 17, 3-5; NL):
Er blieb auch Gott sein Leben lang treu, auch wenn er einige Fehler gemacht hat. Insbesondere von der Zusammenarbeit mit Ahab war Gott nicht so begeistert.
Micha
Micha war ein Prophet, der nur in diesem Kapitel bzw in der Parallelstelle 1. Könige 22 erwähnt wurde. Es handelt sich hier nicht um den gleichnamigen Propheten, der ein eigenes Bibelbuch hat.Micha ist hier die Hauptperson und wir werden ihn noch genauer kennenlernen.
Zedekia
Zedekia war ein wichtiger Prophet zur Zeit Ahabs.
Bote
Und es trug auch noch ein Bote etwas zu dieser Begebenheit bei.
Ahab und Joschafat
Die beiden Könige
2. Chronik 18, 1-4
Joschafat hat sich also mit Ahab verbrüdert. Wie schon erwähnt fand Gott das nicht so gut, aber in dieser Frage hat der König von Juda nicht so gut zugehört.
Ramot war von Aram besetzt und Ahab wollte es erobern und Joschafat macht mit.
Doch dann stellt Joschafat eine wichtige Frage:
Das hat man damals so gemacht. Man wollte wissen, was Gott zu dem sagt, was man vorhat. Das ist ja auch heute eine sehr vernünftige Einstellung. Bei aller Begeisterung möchte Joschafat Gott gegenüber aufrichtig sein. Und dann passiert etwas sehr interessantes.
Wo kommen jetzt die Propheten her? Ich hatte doch vorhin erzählt, dass Ahabs Frau nahezu alle Propheten hat ermorden lassen. Anscheinend hat Ahab nach seiner Reue wieder Propheten ausbilden lassen. Ein paar hatten sowieso auch überlebt. Vielleicht hat er sich gedacht, dass das nicht so schlau war, seine Frau Isebel so wüten zu lassen. Da nimmt er lieber die Originalreligion. Da gab es auch noch diesen Propheten Elia, mit dem er nicht fertig wurde und der ihm auch schon Schwierigkeiten gemacht hat. Also richtete er den alten Glauben wieder her, lässt wieder Propheten zu, ein bisschen Gesang, ein bisschen Folklore und schon ist wieder Ruhe im Land. Das ist natürlich Spekulation von mir. Wie ernst es Ahab mit seiner Umkehr gemeint hat, können wir nur indirekt schließen. Allerdings kommt die Situation auch Joschafat ein bisschen seltsam vor.
Wieso noch einer? Reichen denn 400 nicht? Warum ist Joschafat hier misstrauisch? Vielleicht ist er etwas anderes von seinen Propheten zu Hause gewohnt. Kritik, z.B., oder klarere Hinweise oder gar Widerspruch. Ist das vielleicht gar nicht wahr, was Ahabs Propheten hier prophezeien? Sind diese Propheten ehrlich oder vom König gekauft?
Ja und dann kommt
Micha
Hier kommt der Bote ins Spiel: „Hey, alle sagen positiv das Gleiche. Jetzt sei bitte kein Querulant.“
Niemand mag Querulanten. Da ist man sich einmal einig und dann kommt einer, der hat etwas daran auszusetzen. Furchtbar, oder?
Wir waren doch sicherlich alle einmal so ein Bote: „Bitte, schließ dich doch der Mehrheit an. Dann sind wir endlich fertig!“
Natürlich hat der Dagegen-Mensch nicht prinzipiell recht. Oft genug hat tatsächlich die Mehrheit recht und der Querulant hat unrecht oder ist ein Querulant.
Aber richtig doof ist es, wenn der Einzelne, der dagegen ist, tatsächlich recht hat. Dann werden manchmal fatale Entscheidungen durchgedrückt, weil man sich nicht eingestehen will, dass der Nervbolzen die richtige Sicht der Dinge hat.
Dann kommt die entscheidene Frage:
Wow, der Einzelgänger will kein Querulant mehr sein. Sie haben ihn überzeugt. Juchuuh, Einigkeit, Friede, Freude, Eierkuchen, keine elendig langen Diskussionen mehr, wir können zufrieden nach Hause gehen. Es sind sich doch alle einig. Alle atmen auf.
Doch dann wird es kurios:
Ahab ist mit der Antwort nicht zufrieden. Wieso nicht? Er merkt, dass Micha nicht die Wahrheit sagt, und er will die Wahrheit aus Michas Mund hören.
Michas Antwort kann man ja so in dem Bereich einordnen: Du hast Dein Recht und ich habe meine Ruhe. Punkt. Kann ich jetzt gehen?
Aber Ahab merkt das und hält das nicht aus.
Oft genug mögen wir die Wahrheit nicht, aber wir können es auch nicht ertragen, wenn man sie uns vorenthält.
Ich habe mich oft gefragt, warum Micha hier erst die Unwahrheit sagt. Das kann verschiedene Gründe haben. Einerseits wollte Gott immer noch Ahabs Untergang, was nachher deutlich wird. Vielleicht hatte Micha auch Angst. Wenn alle etwas überaus positiv sehen, dann ist das nicht ohne, der einzige Miesepeter zu sein. Vielleicht hatte er auch Angst um sein Leben. Ahab hatte ja schließlich eine brutale Vergangenheit.
Und dann beginnt Micha mit der Wahrheit:
Micha prophezeit eine Situation, wo Israel keinen Herrn mehr hat. Das ist quasi die Voraussage der Niederlage im Krieg.
Davon ist Ahab nicht so begeistert. Siehste, siehste, siehste, der kann gar nichts positives sagen, der hat nur einen negativen Blick auf alles. Der kann mich nicht leiden.
Und dann geht Micha ins Details:
Gott teilt Ahab die Wahrheit mit, er warnt durch Micha ein letztes Mal. Aber Gott wusste sicherlich schon vorher, dass Ahab nicht hören wird.
So richtig einfach ist das hier nicht zu verstehen.
Gott lässt eine Lüge zu, er benutzt sogar eine Lüge als Werkzeug, um sein Ziel zu erreichen. Ahab hat in seinem Leben sicherlich auch häufig die Lüge als Mittel zum Zweck benutzt und nun darf er seine eigene Medizin schmecken.
Aber trotzdem gibt Gott Ahab noch eine Chance und warnt ihn noch einmal.
In einer gewissen Weise erinnert mich diese Begebenheit an Judas.
Jesus sagt in Johannes 13, 21-27; NL voraus, dass Judas ihn verraten wird (beim letzten Abendmahl):
Das Reichen eines Brotes ist ja nicht nur ein simples Zeichen, um die Neugier von Petrus zu befriedigen. Jemandem Essen zu reichen ist ja wie eine Einladung, wie ein Öffnen zu dieser Person, eine letzte Geste der Freundschaft und Zuneigung, obwohl der Verrat von Judas von Jesus vorausgesagt war.
Trotz dieser letzten Handlung ergriff der Satan Besitz von Judas und Jesus wusste es und ließ ihn gehen.
Und hier in unserem Text bei Ahab ist das ähnlich. Alle Propheten sind verführt, das Urteil ist gesprochen und Ahab ist der Lüge eigentlich ausgeliefert, aber einer ist noch da und Ahab scheint sogar irgendwie zu spüren, dass genau dieser die Wahrheit sagt. Gott hat wirklich viel Geduld. Aber genauso wie Judas nutzt er diese letzte Chance nicht, wie wir gleich sehen werden.
Vorher kommt noch der Prophet Zedekia ins Spiel. Man muss sich das einmal vorstellen. Die beiden Könige, die 400 Propheten und viele aus dem Volk, wahrscheinlich die Cremé de lá Cremé, sind dort versammelt und Micha ruft deutlich hörbar aus: „Die 400 Propheten erzählen Lügen.“
Ein Prophet sollte eigentlich Gottes Reden wahrhaftig weitergeben, durch Prophezeiungen Gottes Willen und Pläne deutlich machen. Und nun das!
Wie haben sich diese Propheten wohl dabei gefühlt?
Man kann rein menschlich diese Ohrfeige nachvollziehen. Das war ja auch eine Unverschämtheit. Außerdem kann so ein Reden die berufliche Reputation beschädigen. Ein Prophet, der Lügen erzhält, ist doch völlig nutzlos.
Lasst uns einmal kurz hier verweilen und ein bisschen darüber nachdenken, warum der Lügengeist bei den 400 Propheten wirken konnte und bei Micha nicht.
Versetzen wir uns die Propheten hinein. In der Vergangenheit sind viele ihrer Kollegen durch Verfolgung und Mord umgekommen. Einige waren auf der Flucht und haben sich versteckt. Und nun scheint Ahab durch seine Reue dazu motiviert worden zu sein, die Verfolgung einzustellen und die Propheten wieder in den Dienst zu nehmen.
Sie hatten natürlich noch die Vergangenheit vor Augen und waren sicherlich vorsichtig mit ihren Aussagen. Wahrscheinlich haben sie aufrichtig versucht, Gottes Wort zu verkünden und Gottes Reden zu hören. Aber sobald es um das Handeln und Reden des Königs ging, waren sie wohl eher still, denn warum sonst hat sich Ahab so über Micha geärgert? Alle anderen haben sich mit Kritik zurückgehalten, aber Micha hat ihm die Meinung gesagt.
Man versteht ja die Vorsicht der Propheten, aber wenn man die Wahrheit, gerade als Prophet, verkürzt, dann wird man offen für Lügen. Ich glaube, dass kann man aus diesem Text schon herleiten.
Uns kann es ja ähnlich gehen. Wir sind jetzt Gott-sei-Dank nicht von einem willkürlichen Herrscher gefährdet, aber die Wahrheit, auch konstruktive aber wahrhaftige Kritik kann einen unbeliebt machen, kann Friede-Freude-Eierkuchen-Beziehungen gefährden. Natürlich muss die Wahrheit immer liebevoll, konstruktiv, mitfühlend, usw. transportiert werden, aber sie muss auch transportiert werden.
Das ist natürlich schwierig. Micha erntet auch keinen Dank für die Warheit.
Immerhin wurde der Bote nicht erschossen, er wurde nur ins Gefängnis geworfen.
Das Ende
Und wie endet die Geschichte? Man ahnt es schon.Ahab war sehr vorsichtig.
Die Schlacht geht dann hin und her, die Feinde suchen Ahab und finden ihn nicht.
Und dann passiert folgendes:
Er stirbt als tapferer Streiter, aber es nützt ihm nichts. Micha hatte recht, als einziger.
Wir wissen gar nicht, was aus Micha geworden ist, er taucht in der Bibel nicht mehr auf. Aber mit seinem Mut und seiner Wahrhaftigkeit ist er schon ein Vorbild für uns.
Zusammenfassung
- Wir lernen erst einige Personen kennen: Ahab, der König mit der bösen Vergangenheit, der schon Reue gezeigt und die Propheten wieder eingesetzt hat, aber es mit der Umkehr doch nicht so richtig ernst nahm. Dann ist da Joschafat, der ein anständiger, gläubiger Mensch war, sich aber trotzdem mit Ahab einlässt.
- Ahab will in den Krieg ziehen, Joschafat ist dabei, will aber erst hören, was Gott dazu sagt. Ahab holt seine 400 Propheten, die ihm alle den Sieg voraussagen. Joschafat reicht das aber nicht. Er fragt nach noch einem Propheten.
- Das ist Micha und er ist bei Ahab unbeliebt, weil er nur negatives über Ahab voraussagt.
- Der Bote, der Micha holt, drängt ihn, doch in die allgemeine Zustimmung einzustimmen. Lass uns doch alle einig sein. Mach doch die schöne Stimmung mit deinem Widerspruch nicht kaputt.
- Micha schließt sich erst dem allgemeinen Siegesrausch an, warum auch immer, aber Ahab merkt es, und will sich lieber die ehrliche Meinung von Micha ärgern, als angelogen zu werden.
- Micha beschreibt im Detail, dass Gott Ahabs Untergang beschlossen hat und dass ein Lügengeist alle Propheten Ahabs steuern sol, was ja dann auch passiert. Trotzdem gibt Gott ihm durch Micha noch eine letzte Chance. Die nutzt Ahab aber nicht.
- Wir haben kurz darüber nachgedacht, warum die 400 Propheten anfällig für den Lügengeist waren. Wahrscheinlich war es die Angst davor, Ahab die ungeschminkte Wahrheit zu sagen, was man menschlich aufgrund der Vorgeschichte auch verstehen kann. Aber trotzdem gilt: Wer die Wahrheit verkürzt, wird offen für die Lüge.
- Es kommt, wie es kommen muss: Micha wird verhaftet, dafür, dass er die Wahrheit gesagt hat. Aber trotzdem hat er recht, denn Ahab kommt in der Schlacht um.
- Wir wissen nicht viel über Micha, aber hier war sein Verhalten sicherlich ein Vorbild für uns.