Hauskreis, 12.01.89 2.Samuel 13; ============ Vers für Vers V.1; "... eine schöne Schwester ..." Über die Schönheit steht noch mehr in 2.c). Tamar war Amnons Halbschwester (gleicher Vater, verschiedene Mütter), deswegen war seine Liebe erlaubt. Amnon liebte Tamar. V.2a; "... bis daß er sich krank fühlte." Dieses Krankfühlen muß nicht unbedingt ein Hineinsteigern bedeuten, auch beim "normalen, richtigen" Verliebtsein tritt es in gewissem Maße auf: Hohelied 2,5; und Hohelied 5,8;. Siehe dazu 2.a). Hier kann nicht klar gesagt werden, ob sich sein "Verliebt-Sein" im normalen Rahmen hielt oder nicht. V.2b; "... Denn sie war eine Jungfrau, und es war in den Augen Amnons unmöglich, ihr irgend etwas anzutun." Amnon hatte keine Gelegenheit sich Tamar zu nähern, weil es die damaligen Sitten anscheinend verboten haben (?). "in den Augen Amnons" kann auch bedeuten, daß es nach seiner eigenen Meinung richtig war, ihr nichts anzutun. Der korrekte Weg wäre gewesen, wenn er direkt zu David gegangen wäre und um ihre Hand angehalten hätte. Die Jungfrauen wurden damals von ihren Vätern verheiratet. (1.Mose 29,21; Josua 15,16; 2.Sam.13,13; usw.) Vielleicht bedeutet "in den Augen Amnons", daß er durch sein Verliebtsein so geblendet war, daß er auf diese Idee des Handanhaltens gar nicht kam. Vielleicht hatte er aber auch keine ernsthaften Absichten und wollte sie nur vernaschen(?). V.3.4; "... Amnon hatte einen Freund ..." Es ist nie verkehrt sich in solchen Situationen, an einen Freund anzuvertrauen, den man kennt und dem man vertrauen kann. Gut ist es auch, wenn der Freund sich um einen sorgt und nachfragt und so einem hilft, über die Probleme zu sprechen. Amnon vertraut sich seinem Freund Jonadab an; das ist eigentlich auch gut so. Nur handelt es sich hier um einen schlechten Ratgeber, wie wir in V.5; sehen werden; und das, obwohl er sehr klug war (V.3b). Man sollte sich seine Vertrauenspersonen, gerade in solchen Angelegenheiten, genau aussuchen. V.5; "... stell dich krank ..." Der Rat seines Freundes ist äußerst raffiniert und trickreich. Der Rat baut aber auf Lüge auf und hat das Ziel, daß Amnon in die Nähe Tamar kommt und sogar mit ihr alleine ist ("aus ihrer Hand essen."). Daß dieses ein schlechter Rat ist, werden wir noch später sehen. V.6-10; "Und Amnon legte sich hin und stellte sich krank. ..." Amnon realisiert den Plan seines Freundes und er funktioniert. Er stellt sich krank und spielt so seinen Vater David etwas vor. Der macht sich Sorgen (V.6) und erfüllt ihm seinen Wunsch und schickt Tamar zu ihm. Tamar ahnt nichts und bereitet ihm bereitwillig das Essen (V.8). Auch als Amnon mit Tamar allein sein will und alle anderen hinausschickt, scheint diese nichts zu ahnen (V.12.13) und brachte ihm den Kuchen ans Krankenbett. Amnon hat hier praktisch das Vertrauen seines Vaters und seiner Halbschwester ausgenutzt. V.11; "... Komm, liege bei mir, meine Schwester!" Hier läßt Amnon seine Maske fallen. Er packte Tamar. Hier ist kein liebevolles Handeln mehr zu sehen, im Gegensatz zu V.1b. Ich glaube nicht, daß Amnon es hier einfach darauf angelegt hatte, mit Tamar zu schlafen. Wenn man diese Geschichte mit 1.Mose 39,6-18; wo die Frau von Josephs Herrn mit ihm schlafen wollte, vergleicht, da sind doch einige Unterschiede und Gemeinsamkeiten auffällig: Joseph und Tamar waren schön. Ein Unterschied ist, daß Amnon Tamar liebte, dagegen die Frau des Potifar direkt mit Joseph ins Bett wollte (V.7). Außerdem war sie verheiratet und ihr Anliegen war durch und durch Unrecht. Amnons Anliegen, daß er Tamar liebte, war eigentlich nicht Unrecht, wie wir in V.13 sehen werden. Erstaunlich ist, daß in Amnons Verhalten nun keine Liebe mehr zu sehen ist. Es scheint, als wird er von einer dämonischen Macht regiert, die, egal wie, nur noch das eine will: Sex. Ich glaube, daß die Anrede "meine Schwester" mithelfen soll, ihren Widerstand zu überwinden. Dieser Ausdruck stellt eine vertraute Beziehung dar, die aber in diesem Zeitpunkt gar nicht gegeben ist. Es ist wird wohl, auf heute übertragen, der Ausdruck "Ich liebe dich" auch oft dazu benutzt, den Widerstand des anderen zu überwinden, um halt seine Triebe zu befriedigen. In christlichen Kreisen werden vielleicht in einigen Fällen fromme Ausdrücke, wie "Gott hat uns zusammengeführt!", benutzt, um den anderen herumzukriegen; das ist natürlich besonders teuflisch. V.12.13; "... Tu doch diese Schandtat nicht! ..." Tamar bleibt erstaunlich vernünftig und versucht ihm klar zu machen, was er da eigentlich tun will. Das scheint Amnon nämlich nicht klar zu sein. Sie weiß, daß er mit dieser Tat sein Ansehen zerstören würde (V.13). Sie fragt auch, was aus ihr werden soll. Sie ist sogar bereit, ihn zu heiraten (V.13b), also hat sie ihn anscheinend auch lieb. Sie möchte aber, daß alles vernünftig und in Ordnung abläuft. Sie scheint wirklich eine tolle Frau zu sein, daß sie in dieser Situation noch an ihn denkt und ihn vor seinem Verderben bewahren will. V.14; "... tat ihr Gewalt an und lag bei ihr." Er war schon so von seinem Trieb regiert, daß er nicht mehr auf die Vernunft hören wollte. Wie oft ist so etwas schon passiert, auch aus so einer Situation heraus? Laut Statistik passieren die meisten Vergewaltigungen im näheren Bekanntenkreis und sogar in der Familie. Die spektakulären Vergewaltigungen sind nur eine Minderheit aller Vergewaltigungen. Häufig entwickeln sich solche Vergewaltigungen aus solchen Situationen, wo man miteinander allein ist. Meistens drängt der Mann (Junge) auf mehr und manchmal hat die Frau (Mädchen) nicht den Mut oder die Kraft nein zu sagen. Vielleicht liebt die Frau (Mädchen) den Mann (Jungen) und hat Angst ihn zu verlieren und fügt sich deswegen. Unter Umständen drängelt der Mann (Junge) mit den Worten "Du liebst mich nicht, wenn jetzt nicht mit mir schläfst!" oder ähnlichem. Wenn die Frau (Mädchen) nun doch ablehnt, dann kann es in einigen Extremfällen zu einer Vergewaltigung kommen, wie auch hier im Text. Diese Fälle kommen wohl häufiger bei Jüngeren vor. Wie gesagt, ich glaube nicht, daß Amnon es auf ein einfaches miteinander schlafen mit Tamar angelegt hat, sondern er hatte sich auf etwas eingelassen, wo er nachher nicht mehr gegen ankam. Der umgekehrte Fall, daß eine Frau (Mädchen) einen Mann (Junge) verführt, kommt auch häufig vor. Allerdings geht eine Frau fast nie mit Gewalt vor. In Sprüche 7; ist es beschrieben, wie eine Verführerin handelt: V.21; "Sie verleitet ihn durch ihr vieles Überreden, mit ihren glatten Lippen reißt sie ihn fort." Es lohnt sich, das ganze Kapitel 7 einmal zu studieren, um gegen solche Gefahren gewappnet zu sein. Solch ein Vorgehen einer Frau (Mädchen) muß auch nicht unbedingt auf nur hinterlistige Absichten zurückzuführen sein; es kann auch sein, daß sie ihn liebt, und ihn auf dieser Art und Weise für sich gewinnen will. Das funktioniert natürlich nur sehr selten, weil sie durch ihre Anmache auch im Ansehen des Mannes (Jungen) sinkt. So ein Verhalten kann auch ein Wunsch nach Liebe sein, der über die Sexualität natürlich nicht erfüllt werden kann. So kann es sein, daß sie es mit mehreren Männern probiert, diese verführt oder von diesen ausgenutzt wird. In Joh.4,5-26; die Frau am Jakobsbrunnen, wird so eine Frau beschrieben, die sogar von ihrem gesellschaftlichen Umfeld als Hure angesehen wird. V.15; "... Steh auf, geh weg!" "Dann aber haßte Amnon sie mit sehr großem Haß." Nach dem die Liebe schon durch das triebhafte Handeln ersetzt wurde, ist nun, nach Trieberfüllung, der Haß vorhanden. "Ja, der Haß, mit dem er sie haßte, war größer als die Liebe, mit der er sie geliebt hatte." Wie kommt das? Auf einmal schlägt sein Begehren in Widerwillen um: "Steh auf, geh weg!" Anscheinend war seine Liebe noch nicht sehr tragfähig. Er ließ sich nur noch von seinen Trieben leiten und zerstörte so seine Liebe für Tamar (V.14.15). Triebbefriedigung im Rahmen der Ehe, damit normalerweise im Rahmen der gefestigten Liebe, ist etwas sehr Schönes und ein Geschenk Gottes. Dies ist nun ein Extremfall, er hat sie ja vergewaltigt, er hat sich also NUR von seinem Trieb leiten lassen. Unter V.14 habe ich beschrieben, daß es auch sanfte Formen der Überwältigung gibt, die eigentlich genauso schlimm sind, wie die gewalttätige hier, da sie eigentlich gegen den Willen der anderen Person gehen. Das Wichtige für den Antreibenden ist, daß er seinen Trieb abreagiert, oder "Spaß hat", so wie er sich wahrscheinlich selbst ausdrücken würde. Aber das ist dasselbe (Lustprinzip). Was hat uns diese Geschichte noch zu sagen? In der Bibel gibt es nicht diese körperliche Rangfolge: Händchenhalten -- mehr Körperliches -- Grenze des Erlaubten -- Miteinander schlafen Bevor zwei Leute verheiratet waren, haben sie sich vermutlich gar nicht angerührt (siehe 0.d)). Zu biblischen Zeiten gab es in der Hinsicht sehr massive gesellschaftliche Hindernisse. Ich glaube, daß hat auch seinen Grund. Ich weiß nicht, ob ein absolutes Nichtanrühren sinnvoll ist, aber ich würde die Grenzen des Nichtanrührens sehr hoch ansetzen; (Wie hoch, darüber müßte man sich einmal unterhalten, siehe auch 0.d).) und zwar deshalb: Im Text wird beschrieben, wie durch zu schnelle Triebbefriedigung die Liebe zerstört wird; wichtig: SIE will ihn immer noch (V.16), obwohl ER sie vergewaltigt hat. ER will sie ja nicht mehr. Jede Form der Sexualität ist eine Art der Triebbefriedigung, man empfindet es halt als schön, einen andersgeschlechtlichen Menschen im Arm zu halten. Wenn so etwas nicht im Rahmen der gefestigten Liebe, also Ehe, stattfindet, besteht die Gefahr, daß die Liebe abstumpft und verlorengeht. Hier in dieser Geschichte geht es sehr schnell. Oft dauert es länger; man probiert sexuell alles miteinander aus und irgendwann ist die Faszination weg, die Liebe auch. Oder aber, man hängt oft zu zweit aufeinander und liegt sich in den Armen, aber man ist noch nicht über das Stadium des (schwärmerischen) Verliebtseins hinausgekommen. Selbst wenn man nicht alles Sexuelle ausprobiert, kann es sein, daß die Beziehung irgendwann nur noch über das Körperliche zusammenhält, bis es einem von beiden zu blöd wird (siehe 0.d)). Ich glaube, davor will uns dieser Text warnen. V.16a; "Nicht doch, mein Bruder!" Tamar zeigt wieder Vernunft; sie redet ihm ins Gewissen, sie versucht ihm klarzumachen, daß ein Fortschicken noch viel schlimmer ist, als das, was er ihr angetan hat. Wie oft ist es heute so, daß einer den anderen sitzen läßt, wenn ihm die Beziehung nichts mehr bringt, wenn sexuell es zwar lief (und zwar auch, ohne unbedingt direkt miteinander zu schlafen) aber dann die Faszination war irgendwann weg. Man hatte ja seinen "Spaß", vielleicht ein paar romantische Stunden. In ganz schlimmen Fällen bleibt die Frau noch mit einem Kind sitzen. Vielleicht hält man noch aus Pflichtgefühl so eine Beziehung aufrecht, wo die Liebe erloschen ist, aber irgendwann erträgt es einer nicht mehr und dann ist Schluß; einer ist immer der Verlierer. Aber besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Aber warum überhaupt mit so einer Beziehung beginnen, warum nicht Warten, bis Gott es schenkt, warum sich nicht auf ihn verlassen? V.16b.17; "Aber er wollte nicht auf sie hören. ..." Amnon ist taub für die Stimme der Vernunft. Diese beiden Verse unterstreichen noch einmal das zu V.15 Gesagte. "Jagt die da weg"; eigentlich grauenhaft und gemein, wie er mit seiner Schwester jetzt umspringt, nachdem er sie vorher doch geliebt hat. Amnon will jetzt nichts mehr von seiner Tat wissen, er will vor den Folgen seines Handelns fliehen. "fort von mir, nach draußen, und verriegelt die Tür hinter ihr!" Er kommt mit seinem Handeln nicht mehr klar, er will nur noch alles hinter sich lassen. Ist es in vielen gescheiterten Beziehungen nicht auch so, daß man sich nicht mehr sehen will, daß man von der Vergangenheit nichts mehr sehen und hören will? Wenn man viele wechselnde Beziehungen gehabt hat, dann erscheint es vielleicht nicht so schlimm, aber wenn die Beziehung enger und intensiver war und sie geht dann kaputt, das hinterläßt ganz bestimmt Spuren in der Seele und das kann für eine spätere Ehe sehr hinderlich sein (siehe 0.a)). V.18-20; "... lief schreiend davon. ..." Tamars Leben war zerstört. "zerriß den bunten Leibrock." Der Leibrock stellt ihre Jungfrauenschaft dar. Ihre Jugend war zerstört, sie wurde gewaltsam aus ihrer Jugend herausgerissen und hatte große seelische Schmerzen. Ich glaube, viele haben heutzutage große seelische Schmerzen, weil sie gewaltsam auf sexuelle Art und Weise geweckt wurden. Sie kommen dann mit ihrer Sexualität nicht klar, weil ihre Persönlichkeit noch gar nicht reif dafür ist. Wieviele, besonders junge Mädchen, werden auf Feten oder Ähnlichem ihrer sexuellen Unschuld beraubt, in einer der zu V.14; beschriebenen Art und Weise, und kommen damit dann nicht klar? Wieviele haben von solchen Erlebnissen immer noch schwere Belastungen mit sich herumzutragen, wie Oberflächlichkeit, Unfähigkeit zur Treue, usw.? Das ist der Person selbst oft nicht so direkt bewußt. Im Gegensatz zu vielen anderen schreit Tamar ihren Schmerz hinaus. In unseren heutigen Zeit ist es nicht modern, seelische Schmerzen und Probleme anderen zu erzählen. Dadurch tragen viele unbewältigte Sachen mit sich herum, auch viele Christen, die dadurch ein freudloses und unzufriedenes Christsein führen. Tamar hat es hier nun besonders schwer erwischt: "Da blieb Tamar, und zwar einsam, im Haus ihres Bruders Absalom." Im Urtext steht für einsam ein Wort, das auch verödet oder verwüstet bedeutet. Tamars Zukunft wurde von Amnon praktisch zerstört; daß sie niemand mehr heiratet, dient uns zum Bild, daß man mit Unzucht Persönlichkeiten von anderen Menschen schädigen kann. Auch man selbst fängt sich Schäden an der Psyche ein, davon bin ich überzeugt. V.21.22; "... Absalom haßte Amnon ..." Die Sache hatte noch ein Nachspiel; Amnons Vater, David, war zornig und Absalom, Tamars leiblicher Bruder, haßte Amnon dafür, was Amnon Tamar angetan hatte. Das gesellschaftliche Umfeld wird durch solches Verhalten auch beeinflußt, normalerweise in einer sehr negativen Form. Bei Jugendlichen gibt meistens es Ärger mit den Eltern, wenn es sich um Beziehungen dreht und meistens haben die Eltern recht, weil Jugendliche über Beziehungen sowieso noch nicht Bescheid wissen und die Folgen ihres Tuns abschätzen können. Da die meisten Jugendlichen sowieso nicht auf ihre Eltern hören und die Eltern sich aber Sorgen machen, gibt es Streit. Hier wurde es noch schlimmer. Absalom nahm später blutige Rache an Amnon für die Tat an seiner Schwester. V.23-33; "... und ich zu euch sage: Erschlagt Amnon! - dann tötet ihn! ..." So schlimm wird es heute hoffentlich nicht mehr sein, aber es macht die Schwere von Amnons Tat deutlich. Alles in allem ist dieser Text sehr interessant und gibt viel Aufschluß über Beziehungen, auch für uns heute.